Komodo (Sicherung)

Posted by frieden on 11.2.2012

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Slov ant Gali

KOMoDo –

Kommunismus ohne Dogmen

 

Inhalt

 

 

1. Vorbemerkung

 

2.1 Hebamme Geschichte und ihre Ungeschicklichkeit

 

2.2 Gedanken zu Gesetzen, nach denen sich Menschen richten, ohne sie aufgeschrieben zu haben

 

2.3 Die drei Wirtschaftskreisläufe oder auch Robinson kann helfen

 

3.1 Das Kommunismus-Muster Musik – Geist für alle

 

3.2 Nicht alle Arbeit wird Kunst – manche bleibt Pflicht

 

3.3 Oh … keine Waren, aber Plan

 

3.4 Auf zur Beförderung …

 

3.5 Bedürfnisbefriedigungsanstalt Kommunismus

 

3.6 Warum das Bild der fleißigen Ameisen nichts mit Kommunismus zu tun hat

 

3.7 Sanktionsgemeinschaft Kommunismus

 

3.8 Welche Bereiche machen denn kommunistisches Leben für den Einzelmenschen aus?

 

4. Thesenansätze

 

  1. Wortwirrwarr

  2. Wie ich trotz und wegen der DDR zu meinem ganz individuellen Kommunismus fand

 

 

 

 

 

Vorbemerkung

Mein lieber Thor,

 

na, du kannst mir ja Fragen stellen … Wie kommst du eigentlich darauf, ich könnte dir erklären, was es mit Kommunismus auf sich hat? In der Zeit, in der wir zusammen waren und es meine Sache gewesen wäre, dir die Welt zu erklären, habe ich doch vermieden, dieses Thema anzuschneiden. Ich wollte doch nur dein Bestes und ich wusste, für deinen persönlichen Lebensweg ist es nicht förderlich, sich ausgerechnet mit diesem Thema zu beschäftigen.

Na gut, nun bist du zu mir gekommen, weil ein anderer dich angestubst hat. Aber dir ist klar, dass du von mir keine Definitionen bekommst, die du auch bei Wikipedia oder von deinem Lehrbuch bekommen könntest. Und von Leuten, die sich selbst für Kommunisten halten wahrscheinlich auch nicht. Und dass ich wahrscheinlich dein ganzes dir beigebrachte Weltbild auseinandernehmen und ganz anders zusammensetzen muss, ahnst du auch?

Ich werde mir Mühe geben. Wenn du nachher immer noch sagst, so geht es nicht oder so würde ich das nie wollen, dann kann ich auch nichts machen. Mein Wissen und meine Fantasie, wie das Zusammenwirken der Menschen anders funktionieren könnte und warum, habe ich dann erst einmal verbraucht. Jeder Mensch hat mindestens eine Bestimmung. Der eine baut eben den Motor nach Zeichnungen, die ein anderer viel besser macht, als es der erste je könnte. Wenn ich dich in eine Welt „danach“ führen konnte, hätte ich meine „Bestimmung“ gefunden. Für dich muss ja auch noch etwas zu tun übrig bleiben.

 

Gibt es eigentlich ein schlimmeres Wort als Kommunismus in unserer Zeit? Gut … andere schlimme gibt es schon. Aber es ist in Deutschland relativ leicht, faschistisches Gedankengut unter die Leute zu bringen – wenn man nicht gerade laut den „Holocaust“ leugnet und sich selbst als „Faschist“ bezeichnet, schadet das der Karriere nicht. Sozialrassismus zu predigen bringt sogar Millionenpublikum … nur so als Beispiel. Sprich: Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass sie faschistisches Denken nachplappern. Die freuen sich lieber, dass ihnen jemand sagt, wie auserlesen sie eigentlich sind.

Umgekehrt ist es mit kommunistischen Gedanken. Da herrscht erst einmal absichtsvolle Ahnungslosigkeit, worum es denn überhaupt geht. Sagen wir, da wird das Handeln einzelner Menschen, die sich Kommunisten nannten, mit dem Ergebnis verwechselt, das die hätten erreichen sollen … aber eben nicht erreicht haben. Da wird „dicht gemacht“, weil „das“ eben nicht geht, weil „die Menschen“ einfach nicht so sind.

Übrigens passierte mir das in der Diskussion mit Menschen, die von sich selbst behaupteten, sie würden ja … aber die anderen, „die Menschen“ eben, sind nicht für „den Kommunismus“ gemacht. Als ob sie selbst nicht auch Menschen sind. Fragt sich also, was sie unter „dem Kommunismus“ verstehen.

Lehnen wir uns also zurück und lassen wir die Füße baumeln und die Fantasie reisen. Fragen wir uns, ob, wie und warum ein System funktionieren könnte, dass das, was wir für normal halten, alles über Bord geworfen hat. Legen wir einen Moment jedes Argument „So geht das aber nicht, weil dann …“ zur Seite. Legen wir den „Genossen“, den wir kennen, den aus dieser linken Partei, auch weg. Bei dem müssten wir vielleicht Angst haben, dass, wenn der an die Macht käme, es auch nicht besser würde …

Fragen wir lieber, wo wir hin wollen. Und geben wir uns nicht mit einfachem Abstrakten zufrieden. So in der Art von „klassenlose Gesellschaft“.

Ist uns nicht eigentlich klar, dass es so, wie es zur Zeit läuft, nicht ewig weitergehen kann? Finden sich da nicht genügend Schreckensbilder, die in absehbarer Zeit noch schlimmer werden? Wollen wir eine Lotterie veranstalten, ein russisches Roulett, an welcher Katastrophe unsere Kinder oder die Kinder dieser Kinder zugrunde gehen werden? Lieber an Verstrahlung, Überschwemmung, Verbrechen, Genschäden, Hunger, Armut … ? Wollen wir uns unsere Urenkel als neue Contergan-Opfer vorstellen?

Wenn nein, sollten wir anfangen mit Alternativen. Wenigstens vorstellen, wie was ginge …

 

 

Du weißt, ich bin kein technisches Genie. Ich mag mir nicht laufend neue Bezeichnungen einfallen lassen für Sachen, die unsere gewohnten heutigen Dinge einmal ablösen werden. Die müsste ich dann alle erklären. Warum darf ich nicht die Namen nehmen, die im Moment gängig sind? Ich kann dich da nur um etwas Fantasie bitten und dass du nicht gleich abbrichst, wenn zum Beispiel von „facebook“ die Rede ist. Es ist klar, dass das „facebook“, wie wir es kennen, nichts mit dem Kommunismus zu tun hat. Es geht mir dabei ausschließlich um die bereits in dem heute Bekannten vorhandenen positiven technischen Potenzen. Also nix mit Werbung, Spionage und (zum Beispiel) militärischem Missbrauch, sondern das Vorhandensein eines Mediums, in das jeder ein- und aussteigen kann, um mit einer Unzahl verschiedener „gleich Gesinnter“ oder gleich Interessierter verschiedenste Formen lockerer und engerer Kommunikation weltweit zu pflegen – was bei anderem Bildungsniveau auch anders aussehen würde als heute.

Ähnliches träfe für den Begriff „Internet“ zu. Es ist nicht das Wort, um das es geht. Es ist das System fast unerschöpflicher Ressourcen im Raum, Daten alle Art zu speichern und zu übertragen. Hier ist das „world wide web“ mit allem, was zu seinem praktischen (technischen) Funktionieren dazugehört, gemeint. Sicher sagt man eines Tages auch anders zum „Herunterladen“ … und sei es dadurch, dass neue Möglichkeiten dazugekommen sind. Bleiben wird aber die vielfache „Vernetzung“ und dass alle Nutzer über einen „Lager-Raum“ verfügen, aus dem sie geistige Güter „holen“ können, und die sind nachher immer noch für die nächsten drin …

Auch bei „Autos“ stoße ich auf ein solches Problem, bei Straßen und vielem anderen. Immer ist es eine Fantasiefrage, sich zum Beispiel ein futuristisches Fahrzeug vorzustellen, das eine relativ individuelle Beförderung ermöglicht. Den heutigen Begriff benutze ich auch aus dem Grund, weil der angedeutete technische Vorgang bereits mit den heutigen Formen im Wesentlichen umsetzbar wäre. Selbst wenn Luftfahrzeuge für jedermann üblich wären, gäbe es (virtuelle) „Straßen“. Es ist also durchaus nicht abwegig, auch für Zukünftiges vertraute Begriffe zu wählen. Es geht hier ja nicht um „Science Fiktion“, obwohl es um einen Blick in die Zukunft geht …

 

 

einem kommunisten

 

 immer wieder
hat man dich
knapp verfehlt
nicht erschossen
nicht erschlagen
nicht gedreht

immer wieder
hast du neu gelernt
auch das gute
findet falsche führer

die wege

zur wüste wenden

immer wieder
wahrtest du
wasser

für oasen im sand

irgendwann
stolpern deine beine
über den fernen
lichten horizont

an geschändetes wissen
glaubend
wünsche ich dir
erlösung

 

Hebamme Geschichte und ihre Ungeschicklichkeit

 

Paradies

 

 

 

Einst wurden die ersten Menschen

verjagt.

Wild wuchern nun

unbeschnittene Triebe

unbeherrschten Grüns

in den Himmel.

Nirgendwo

eine Eva, die

Kontakt suchenden Schlangen

Gesellschaft gewährte.

Ein knorriger Baum

erinnert sich

vergangener Äpfel.

 

Wo

kein Herr

den Frieden diktiert

und jeder Apfel

Erkenntnis bringt,

stirbt kein Traum

unter Verwilderndem,

wären wir wieder

zurück.

 

 

 

 

Ich möchte dir eine Welt skizzieren, wie sie einmal werden könnte. Da kann ich natürlich nicht total abschütteln, wie unsere Welt ist und wie sie so geworden ist. Auch wenn ich die Frage, wie die Welt zu einer meiner Meinung nach besseren werden könnte, hinter einer anderen zurückstellen muss: Erst einmal müssten wir die konkrete andere wollen …

 

Das zwanzigste war für mich das Jahrhundert fürchterlichster Menschheitskatastrophen. Eine davon war vielleicht die schlimmste in der Geschichte überhaupt. Zu ihren unmittelbaren direkten und indirekten Auswirkungen, die wir bisher sehen, kommt nämlich die Möglichkeit, dass sie vielleicht den Untergang der Menschheit eingeleitet hat. Das werden eventuell Aliens entscheiden, die diese Erde irgendwann besuchen. Nach meinem Verständnis ist diese größte Katastrophe der jüngeren Menschheitsgeschichte die Niederlage der Novemberrevolution in Deutschland. Hoffentlich liegt das nur daran, dass ich eben Deutscher bin und auch gewohnt bin, in meine Heimat den Mittelpunkt des Universums zu sehen.

Um das Problem noch weiter zuzuspitzen, nenne ich die „andere Seite“ derselben Medaille. Das ist der „Sieg“ der russischen Oktoberrevolution, genauer: die Art, in der er nur möglich geworden war und in der bereits der Keim für sein Ende enthalten war. In einem ganz anderen Sinn als der bürgerlichen Geschichtsauffassung war die „Große Sozialistische Oktoberrevolution“ nämlich auch eine Katastrophe … eben der Ereignisse in Deutschland wegen.

Reisen wir gedanklich gut 100 Jahre in der Zeit rückwärts. Selbst bürgerliche Historiker leisten sich mitunter den Luxus, zuzugeben, dass damals „Kapitalismus“ herrschte, ja „Imperialismus“. Nun brauchen wir uns nicht darüber auszulassen, dass der Erste Weltkrieg kein unerwarteter Schicksalsschlag war, in den die unschuldigen Nationen Europas und der Welt „hineingerissen“ wurden, weil ein „Irrer“ einen Thronfolger ermordet hatte. Wir wissen um das aggressive Wesen des Imperialismus, seine gesetzmäßig ungleichmäßige Entwicklung und die dabei Deutschland als Zu-spät-Kommer zugefallene Rolle, eine vollzogene Aufteilung der Welt ändern zu wollen. Aber eigentlich brachte jeder imperialistische Staat konkrete wirtschaftliche Hoffnungen in seine Kriegspolitik ein. Der Krieg war eine zwangsweise Folge der Vollendung des „Imperialismus“: Nach Jahrzehnten des Wettlaufs, relativ wehrlose Völkerschaften unter die eigene koloniale Herrschaft zu bekommen, war nun alles so weit aufgeteilt, dass nur noch eine Umverteilung möglich war. Dass der Weltkrieg begann, war also notwendige Folge dieser Entwicklung. Die Katastrophe lag erst in seinem Verlauf und einem Ende, in dem die Ausgangspositionen für den nächsten Weltkrieg bereits „eingebaut“ waren.

Dieses Kriegsende, wie es ausgesehen hat und was hätte kommen sollen oder müssen, ist das Problem.

 

Dabei kommen wir nicht ganz am Weltanschauungssystem des „Marxismus/Leninismus“ vorbei. Wir brauchen nämlich sowohl etwas Philosophie als auch politische Ökonomie als auch das, was manche „wissenschaftlichen Kommunismus“ nennen. Eine Stufe sachlicher den „dialektische und historische Materialismus“. Dessen philosophischen Kern kann man am kürzesten so beschreiben:

Alles, was existiert, ist materiell und insoweit erkennbar (nur evtl. noch nicht erkannt) und dementsprechend veränderbar. Unser Bewusstsein spiegelt das Materielle wider, verändert es aber auch dabei.

Dialektik ist eine Weltsicht in Zusammenhängen. Alles ist Gewordenes (und Vergehendes) und steht in Wechselwirkung mit der „restlichen“ materiellen Welt. Das Materielle in der menschlichen Gesellschaft sind seine wirtschaftlichen Beziehungen, die aus dem Entwicklungsstand der „Produktivkräfte“ erwachsen: Die Menschen treten in „Verkehrsverhältnisse“ zueinander so, wie die technischen Möglichkeiten einer Produktion entwickelt sind. Diese Verhältnisse bilden einen Rahmen, der langfristig die menschliche Entwicklung bestimmt und der gesprengt werden muss, wenn er dem Entwicklungsstand der Produktivkräfte nicht mehr entspricht. Schließlich sind sie auch noch unverändert da, wenn die technischen Bedingungen der Produktion längst weiter entwickelt sind.

Das hat selbst für gebildete „Marxisten“ gemeine Fallstricke. Die Gesetze der menschlichen Gesellschaft wirken zwar in gewisser Weise wie Naturgesetze. Allerdings kann – so wie bei den Fallgesetzen Newtons die Erde (und der Gravitations-Gegenkörper) vorhanden sein muss – ein „gesellschaftliches Gesetz“ nur durch das Handeln von Menschen in der Gesellschaft existieren und funktionieren. Das aber ist wiederum nicht ohne ein bestimmtes Bewusstsein zu haben. Und verdammt nochmal: Das sind Beziehungen, die nicht der Schulmathematik entsprechen, weil das Handeln von Gruppen die Gesamtheit des Handelns der dazu gehörenden Menschen ist und jedes einzelne Bewusstsein durch mehr Faktoren beeinflusst wird, als für den konkreten Einzel-Sachverhalt relevant wären.

Sprich: Der Marxismus erfasst richtig den „Klassenkampf“ als Triebkraft der menschlichen Entwicklung. Aber obwohl es Interessen gibt, die große Menschengruppen aufgrund ihrer Stellung in der materiellen Produktion objektiv gemeinsam haben, die sie also zu „Klassen“ machen, heißt dies noch lange nicht, dass sie sich dessen bewusst sind und entsprechend handeln wollen – und dann handeln sie auch nicht. So wie die Existenz von Gravitation dort belanglos ist, wo es nur einen Körper gibt. Was aber hat das mit den Katastrophen des 20. Jahrhunderts zu tun?

 

Die Antwort fällt leichter, wenn man berücksichtigt, dass Marx aus der prinzipiellen Gesetzmäßigkeit der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft – die er für die Vergangenheit aufzeigen konnte – die Notwendigkeit und Möglichkeit der weiteren Entwicklung, einschließlich der diese Entwicklung tragenden Kraft ableitete. Die „Arbeiterklasse“, so meinte er, sei die erste Klasse, die dank ihrer Rolle in der Produktion – nämlich doppelt „frei“ zu sein (von vorgeschriebenen Abhängigkeiten und von Eigentum) –die Klassenherrschaftsverhältnisse als Ganzes beseitigen könne. Diese Arbeiterklasse entwickelte sich in der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts stürmisch … entfaltete aber außer der Pariser Commune kaum wesentliche Aktivitäten, ihrer Führungsrolle im Weltfortschritt gerecht zu werden.

Erst mit dem Ersten Weltkrieg war eine „revolutionäre Situation“ am Reifen: Eigentlich verlief der Krieg ja für keine Seite ganz nach Wunsch. Mehr oder weniger sah es danach aus, dass die Herrschenden nicht mehr auf die bisherige Weise würden weiter herrschen und die Beherrschten nicht mehr so weiter leben könnten wie bisher. „Mehr“ besonders in Deutschland, seit sich die Unmöglichkeit eines Sieges abzeichnete, während die Volksmassen richtige Hungersnöte durchlebte.

 

Unter diesen Bedingungen schrieb Lenin sein gern verkanntes Buch „Staat und Revolution“, in dem er das Ziel einer sich sozialistisch auflösenden Klassengesellschaft so „wissenschaftlich“ beschrieb, wie es zu jener Zeit möglich war. Gern wird viel in Ausführungen hineingedeutet, die er nur wenige Monate später machte (hauptsächlich in die „Aprilthesen“). Viele sind der Meinung, dass er in denen grundsätzliche Positionen wieder korrigierte. Das hat er aber eben nicht.

Zum dialektischen Denken gehört auch, sich darüber klarzuwerden, auf welcher Ebene man sich gerade bewegt. Und „Staat und Revolution“ beschrieb eine Welt (!!!) des „Sozialismus“, auf die hinzusteuern 1916 theoretisch notwendig war und möglich schien – während 1917 die Kräfte miteinander rangen, die einen solchen Weg gerade praktisch einleiteten. Nun stellte sich die Frage auf einer Ebene, auf der man zwar Sozialismus haben wollte, aber mindestens in wesentlichen Teilen der Welt noch nicht hatte und wahrscheinlich haben konnte.

Jeder traditionsbewusste Bayer weiß, dass zum Fenstern eine Leiter gehört, die er hoch steigen muss, um zu seiner Liebsten zu kommen. Nur ist der Sinn der Sache natürlich nicht die Nutzung der Sprossen, sondern die Liebesbegegnung, zu der man über sie kommt. Trotzdem sollte man sich mit der Frage beschäftigen, was man macht, wenn jemand die Sprossen angesägt haben sollte …

Noch immer bestand aber Grund zur Hoffnung: Die Bolschewiki standen an ihrem Platz, erfüllten ihre Pflicht, andere Parteien standen an anderen, um dort die ihre zu erfüllen. Eine besondere Rolle kam dabei Deutschland zu. Hier waren die weltgrößten Potenzen der inneren Wirtschaftskraft konzentriert. Die Weltmacht Nummer eins, England, war durch die Ausbeutung ihrer Kolonialwelt eher ein „Rentnerstaat“, in dem den Bewohnern mehr Almosen zugeworfen werden konnten.

Sowohl der relative Sieg der russischen Oktoberrevolution als auch die Niederlage aller den bürgerlichen Horizont übersteigenden Kräfte in der deutschen Novemberrevolution hatten zwar konkrete Gründe, beide Ergebnisse waren für sich genommen aber nicht so zwingend notwendig, wie beispielsweise der „Ausbruch“ des Weltkriegs. Bei dem war nur der Anlass, also das Datum des Beginns Zufall. Dass – um nur ein Beispiel zu nennen – die Kommunistische Partei Deutschlands nicht schon am 30.12.1917 gegründet wurde, war kein Sachverhalt, den Lenin im April 1917 hätte berücksichtigen können.

Also spielen wir einmal das unwissenschaftliche Was-wäre-gewesen-wenn-Spiel und stellen Überlegungen an, was sich wahrscheinlich beim Sieg einer sozialistischen deutschen Novemberevolution für die Welt alles verändert hätte.

 

Also sicher finde ich, dass der Interventions- und Bürgerkrieg gegen das junge Sowjetrussland anders verlaufen, er zum Beispiel mit weniger weißem Terror und damit weniger rotem Gegenterror zu Ende gegangen wäre.

Sicher hätte auch der „Versailler Vertrag“ und seine Umsetzung anders ausgesehen.

Sicher ist drittens, dass eine richtige Volksmacht zum Aufbau des Sozialismus die Entwicklung des Faschismus in Deutschland verhindert hätte.

Als sicher kann angesehen werden, dass es den Weltkrieg Nummer 2 nicht in der uns bekannten Art gegeben hätte (mit der deutschen Kriegsschuld).

Zu diesen extrem wahrscheinlichen kommen einige zumindest sehr wahrscheinliche Punkte. Der wesentlichste darunter sind positivere Entwicklungen in anderen europäischen Ländern. Ich denke da u.a. an das Schicksal der ungarischen Räterepublik oder die italienische Entwicklung zum ersten „Faschismus an der Macht“. Da ließe sich viel spekulieren.

Entscheidend ist etwas Anderes: In der realen Geschichte hatte 1922 nur ein Anlauf zum Sozialismus überlebt – auf einem Stück Welt, wo zu diesem Zeitpunkt die „Produktivkräfte“ nur minimale Ansätze für eine überlebensfähige sozialistische Gesellschaft boten. Es überlebte fast nur wegen der Weite des Landes. Eine Welt von Hinterweltbauern, die teilweise auf einem Entwicklungsniveau verharrten, das die deutschen bereits zur Reformationszeit überwunden hatten. Dem standen ein paar dünn gesäte Leuchttürme des Fortschritts gegenüber. Weltweit isoliert, gezwungen, aus eigener Kraft in einen Rundum-Fortschritt zu rasen. Und durch Krieg und Nachkrieg waren sogar frühere Wirtschaftsteile zerstört, während kurzfristig ein autarkes System aufgebaut werden musste. Alles selber machen von allen Rohstoffen, allen Grundindustrien bis hin zu allen Endfertigungen / Bedürfnisbefriedigungen … mit einem Minimum an Fachkräften – auf der anderen Seite erwartete man von dem einzigen „Sieger“ in den Reihen der sozialistischen Bewegung Führung in jeder Ebene.

Nun stelle man sich vor, an der Seite des Rohstofflands Russland hätte wenigstens die – wenn auch vom Krieg zurückgeworfene – Industriemacht Deutschland gestanden. Für den Mathematiker wäre das ein Entwicklungsvergleich wie wenn man 4 x 4 x 4 x 4 an die Stelle von 2 x 2 x 2 x 2 setzt. Anfangs „nur“ jeweils doppelt gute Ausgangsposition, aber bald stünde es 256 : 16! Allein was die gegenseitige wirtschaftliche Befruchtung beträfe …

Dazu wäre noch etwas Anderes gekommen: Eine objektiv bessere Ausgangslage für innere Demokratie. Wie war denn die Wirklichkeit? Ein alleiniger Riese konnte gleichberechtigte Mitsprache höchstens simulieren. Es war doch irgendwie selbstverständlich, dass eine Macht, die fast 30 Jahre sich hatte irgendwie einrichten müssen, allein klarzukommen, nach dem nächsten Krieg Schwierigkeiten mit der „Gleichberechtigung“ von Partnern haben musste, die ohne sie allesamt nicht lebensfähig gewesen wären (von der Führungsrolle der einzigen Siegerpartei ganz abgesehen).

Wie anders hätte das objektiv sein können, wenn von Anfang an ein Netz gegenseitiger Abhängigkeiten zum gemeinsamen Vorteil bestanden hätte.

Ich darf sogar auf anderer Ebene spekulieren: Ohne den deutschen Faschismus wäre die Atombombe zumindest nicht so früh einsatzreif gewesen. Ohne die amerikanische (hier wage ich den Ausdruck „amerikanisch-deutsche“) Atombombe wäre die Anstrengungen der Sowjetunion zum Gleichziehen (noch) nicht nötig gewesen – unmittelbar nach der Weltkriegsverwüstung des eigenen Potentials, also zu einer Zeit, wo dieses Land wahrlich Wichtigeres hätte tun wollen.

Aber es war ja nicht der Weltkrieg allein und die Angst danach, gleich wieder in den nächsten mit einem übermächtigen Gegner zu geraten. Es war eben die Hektik, mit der superschnell eine sowjetische Tonnenschwerindustrie aus dem eigenen Lebensstandard herausgeschnitten worden war – wenn man die folgenden Panzerbaukapazitäten berücksichtigt, zu Recht. Das hatte sowohl wirtschaftliche Folgen als auch „ideologische“: Wann hört eine einmal bewährte Tonnenideologie auf, sinnvoll zu sein? Wann ist der Punkt gekommen, wo an die Stelle des Kommandierens, der Kommissare, die das letzte Wort haben, Wirtschafts- und Gesellschaftsdemokratie treten kann … und muss? Wenn es doch so oft nur mit Gewalt gegangen war, hatte gehen müssen? Mensch ist Mensch – auch wenn er „Kommunismus“ leicht über die Lippen bringt. Und eine „bewährte Methode“ gibt man nicht so leicht auf.

Auf der anderen Seite steht die menschliche Anpassung: Wenn eben immer der Kommissar das Richtige gesagt hatte – allein deshalb, weil er der Kommissar war – dann betäubt das die Selbstüberwindung zum Mitdenken. Dies vor allem unter Bedingungen, wo Väterchen Zar so glatt von einem Generalissimus abgelöst worden war.

Diese Menschen „frei“ ihre Geschicke in eigene Hände nehmen zu lassen, ist dasselbe wie Menschen, die Monate lang in einer finsteren Höhle gehaust haben, ins Licht hinauszuscheuchen. Sie werden anfangs geblendet, hilflos … in die nächste dunkle Ecke torkeln.

Nein, ich behaupte nicht, das dies allein die Geschichte des „Realsozialismus“ erklärt. Sobald man das aber weglässt, entsteht ein verzerrtes Bild. Jeder einzelne Fehler im „Realsozialismus“ hätte als Einzelfall wahrscheinlich vermieden werden können – sie alle lassen sich aber als Masse von Fehlern auf die ungeeignete Ausgangslage zurückführen.

 

Was liegt demnach hinter uns: Lebensschreie einer Steißgeburt. Schafften wir es, etwas mehr „weltgeschichtlich“ auf die DDR und jenen damaligen „Realsozialismus“ zurückzublicken, dann müssten wir uns eigentlich wundern, welch gewaltige Leistungen dieses unter ungünstigsten Bedingungen ans Licht gekommene Etwas trotzdem erreicht hat.

In gewisser Hinsicht war diese frühe Gemeinschaft selbstmörderisch sozial. Leider war dies mit einem Haufen von zerstörten Illusionen verbunden, die ihren Teil zum Zusammenbruch beitrugen.

Zu den Illusionen gehörte das totale Verkennen des Gegners. Obwohl in der Führung jeder davon redete, dass im Westen der „Klassenfeind“ saß. Nur so etwas zu sagen, und zu verstehen, dass bestimmte Gruppen an der Macht wirklich in einer bestimmten Weise handeln müssen, imperialistische Mächte also immer die Eroberung neuer Einflussgebiete anstreben müssen und nicht sagen können, da hat jemand die Überlegenheit des Sozialismus entdeckt; dann treten wir eben ab … das ist eben etwas Anderes. Klar. Heute ist einigen in den „eigenen Reihen“ die Maske vom Gesicht gefallen. Sie haben sich als Hirngeschwülste eingebildeter Macht geoutet, waren schlicht Verräter. Mal selbstverliebt wie Gorbatschow, der sich heute darin sonnt, wenn „Mächtige“ ihm die Hand geben – und der sich, wäre alles anders gekommen, wohl als Erfinder eines „offenen“ Sozialismus feiern ließe, mal einfach eklig und persönlich gefährlich voll Mitmenschen-Verachtung wie Bezirkssekretäre der Schabowski-Art. Ohne sie wäre das Zurückdrehen des Zeitenrades nicht möglich gewesen. Dann eben all die offenen „Klassenfeinde“. Einige von ihnen schafften es sogar, philosophisch-politischen Unsinn in die Theorie der Staatssozialisten zu schleusen – die Floskel von der „Friedensfähigkeit des Imperialismus“ zum Beispiel. Der Expansionsdrang des Kapitalisten endet immer nur an den Mauern der Stärkeren – und bei Strafe seines Untergangs muss er nach Überwindung dieser Mauern suchen, Krieg eingeschlossen.

 

Leider verließen sich viele Vertreter des realen Sozialismus auf Floskeln der „Klassiker“ der „marxistischen“ Weltanschauung, die sie einfach nachplapperten. Dabei hatten die an manchen Stellen unscheinbare, aber wesentliche Löcher im geistigen System hinterlassen. Sie waren schließlich Menschen ihrer Zeit. Eines davon war der Gedanke, dass es nur einen umfangreichen Übergangszeitraum vom Kapitalismus, also der letzten auf Ausbeutung aufgebauten Klassengesellschaft, zum Kommunismus als klassenloser Gesellschaft geben muss. Diesen einen Übergangszeitraum, den man großzügig einer gemeinsamen „kommunistischen Gesellschaftsformation“ zurechnete (worüber man in 50000 Jahren die Achseln zucken wird), nannten sie Sozialismus.

Marx ging dabei logisch vom im Wesentlichen weltweit „gleichzeitig“ erfolgenden Übergang der durch die Arbeiterklasse geführten Menschheit von der alten in die neue Ordnung aus. Damit hatte er keine Veranlassung, über den Charakter einer „Weltgesellschaft“ nachzudenken, die nur teilweise diesem „Sozialismus“ näher gekommen war, über die Übergangszeit zur Übergangszeit sozusagen. Und Lenin wich der Systemfrage einfach aus: Als er merkte, der Sprung würde nicht wunschgerecht landen, hielt er vorsichtshalber den „Aufbau des Sozialismus in einem Land“ für möglich. Ansonsten hätte er den Menschheitstraum grundsätzlicher „Gerechtigkeit“ in unbestimmbare Ferne verschieben müssen. Nein, das konnte er nicht verantworten – er probierte das Mögliche … Eines aber war nicht möglich: der Sozialismus. Für ihn konnten nur einige Grundlagen geschaffen werden.

Verstehst du: Alles, was wir bisher an über den Horizont des Kapitalismus Hinausweisendes praktisch erlebt haben, war im originär marxistischen Sinne noch kein „Sozialismus“; „Kommunismus“ schon gar nicht. Wenn wir schon Begriffe brauchten, dann war dies am ehesten eine maximal „abgebremste Revolution“. Es waren „Übergangsgesellschaften“.

Wir dürfen uns dabei „Revolution“ nicht im engsten politischen Sinn als eine „Machtergreifung“ vorstellen, Im philosophischen Sinne beschreibt der Ausdruck „Revolution“ den relativ schnellen Übergang von einer „Qualität“ zu einer tatsächlich grundsätzlich neuen.

Nun dürfen wir uns „schnell“ nicht aus der Perspektive eines Menschenlebens vorstellen. Bei der Frage der „kommunistischen Gesellschaftsformation“ geht es darum, eine menschliche Kultur zu erschaffen, die über 10000 Jahre „Klassengesellschaft“ mit ALLEN ihren Elementen ins Grab der Geschichte versenkt. Was die Menschheit in ihrer gesamten Entwicklung aus dem Tierreich hervorgebracht hat, wird auf neue Fundamente gestellt. Die Menschheit gestaltet ihre Welt als Ganzes erstmals bewusst und vorsätzlich geplant. Erstmals kann sie das. Schon allein deshalb ist „die Revolution“ nicht mit dem Schuss eines Panzerkreuzers vollbracht. Damit beginnt erst der lang andauernde Prozess, der mit Jahrzehnten eben „kurz“ ist. In diesem Sinn kann sogar der gesamte „Sozialismus“ noch als „evolutionäre Revolution“ verstanden werden. Also es muss sich das grundsätzlich Neue erst entwickeln. In ihm sind BESTIMMTE GRUNDLAGEN notwendigerweise real vorhanden, während andere sich darauf aufbauend erst allmählich ausprägen. Das schließt nicht aus, dass entgegen Marx, Engels und Lenin selbst der Übergang vom Sozialismus zum entwickelten Kommunismus von der Form her „revolutionär“ vollzogen werden wird. Das wäre unter anderem abhängig von der Stärke der institutionalisierten Bürokratie. Vom philosophischen Wesen her ist auch er auf jeden Fall eine Revolution. Wie die Übergänge von der Sklavenhalterordnung zum Feudalismus und von dem zum Kapitalismus, die alles Ausbeuterordnungen blieben.

… Entschuldige, ich vergaß, dass du auch mit diesen Begriffen nichts anfangen kannst. Also Ausbeutung bedeutet, dass dem Arbeitenden der Teil seiner Arbeitsergebnisse überlassen bleibt, den er zum Überleben samt den Seinen braucht, während sich das darüber hinausgehende Mehrprodukt der Besitzer der Produktionsmittel aneignet. Untergeordnet ist dabei, wie er dies tut und was alles als zum Leben der Nichtbesitzer notwendig anerkannt wird. Der „Ausgebeutete“ muss nicht notwendig arm sein. Er muss nur Mehrprodukt erzeugen. Als Sklave gehörte er nicht einmal sich selbst und wurde verschlissen wie eine Maschine. Im Feudalismus, du sagst Mittelalter dazu, lebte eine Klasse von den Abgaben und der anteilig unbezahlten Pflichtarbeit der Arbeitenden. Im Kapitalismus kann und muss der Arbeitende zeitlich beschränkt seine Arbeitskraft verkaufen. Durch den hohen Anteil der schon in Maschinen vergegenständlichten Arbeit am Gesamtwert braucht er nur noch eine minimale Arbeitszeit, um damit den Seinen eine gute Reproduktion zu sichern. Der größere „Rest“ bleibt privat.

 

Schieben wir eine naturwissenschaftliche Vereinfachung ein, um die philosophischen Beziehungen von Qualität und Quantität, Revolution und Evolution zu veranschaulichen.

Der Übergang von flüssigem Wasser und Wasserdampf ist zum Beispiel eine Revolution. Als uns das in Studentenzeiten nahegebracht werden sollte, begann der Vortrag mit einer Unterstellung: Wasser von „Zimmertemperatur“ wird zum Kochen gebracht. So dargestellt ist der Vorgang bereits ein bewusst beabsichtigter. Diese Gerichtetheit war erforderlich, um folgende Frage aufzuwerfen: Welche aufgewandte Energie ist wichtiger: die, die gebraucht wird, um das Wasser von 20 auf 30, von 30 auf 40 … von 80 auf 90 Grad zu erhitzen oder die, die den Übergang der Wasserteilchen von ihrer flüssigen in die gasförmige Form ermöglichen? Nur dieser letzte Vorgang erscheint als „Revolution“ – das andere ist Evolution. Damit es aber zu einer solchen Revolution kommen kann, sind die entsprechenden Evolutionen, also die allmählichen Aufladungen der Wasserteilchen mit kinetischer Energie unumgänglich. Es gibt kein Teilchen, das direkt von 20 Grad auf Dampf umschlägt.

 

Merkst du was?

Das Modell enthält Haken, die auf unsere gesellschaftlichen Revolutionen übertragbar sind.

Von einer gegebenen Menge Wasser gehen „in der Natur“ nämlich nie alle Teilchen gleichzeitig vom flüssigen in den gasförmigen Zustand über. Man kann also viele „Revolutiönchen“ unterscheiden, also Vorgänge bei jedem einzelnen Teilchen, von der „Revolution“ als Prozess. Letzterer ist für uns interessant. Er beginnt mit den ersten gehäuften „Revolutiönchen“ und endet, wenn alles Wasser verdunstet ist.

Hübsch zu beobachten sind Probleme solcher Revolutionen beim Kochen im Topf. Dort kommt erschwerend dazu, dass die ersten Wasserteilchen unmittelbar über der Herdplatte als Energiequelle die Siedetemperatur erreichen. Die müssen nun zwischen den kühleren Teilchen hindurch zur Oberfläche, sprich: zu ihrer individuellen Revolution. Dabei erwärmen sie die anderen mit. Dadurch gibt es unter Umständen „Konterrevolutiönchen“, weil die aufsteigenden Teilchen wieder abkühlen. Erst mit steigender Gesamtwärme dampfen dann immer mehr wirklich in die Freiheit ab. Doch teilweise verdampfen im offenen Topf schon Wassertropfen, obwohl das Wasser noch nicht kocht.

Der Ablauf dieses Revolutionsspiels lässt sich manipulieren. Durch einen Deckel und durch Gewicht auf dem Deckel. Auf diese Weise entsteht ein geschlossenes System. Denn die zugeführte Energie verbleibt im offenen System nicht vollständig in den zu revolutionierenden Wasserteilchen, sondern wird von der kühlen Umgebung abgezogen. Je bewegter diese Umgebung ist, umso mehr wird abgezogen. Ohne beständige Neuzufuhr von Energie hat das „Restwasser“ unter Umständen noch einen Moment 99, dann 98, 97 usw. Grad und aus ist´s mit Revolution. Steht dagegen der Inhalt des Topfes unter Druck, kann ein Teil der Teilchen deutlich mehr als die „normale“ Siedetemperatur haben … und bleibt trotzdem flüssig. Dieser Teil holt dann seine Revolution mit dem Entfernen des Deckels in kürzester Zeit geballt nach. Wie lange die beiden Abläufe zu beobachten sind, ist dabei nicht die Frage. Revolution ist der ganze Vorgang, durch den aus einem Topf mit Wasser ein Topf mit „Luft“ geworden ist. So richtig nimmt man das Ganze aber nur dann als „Revolution“ wahr, wenn man den Deckel abnimmt …

 

Unser menschliches Denken abstrahiert meist davon, dass auch in der Natur alle Prozesse an konkrete Bedingungen gebunden sind. Viele dieser Bedingungen erkennen wir gar nicht als solche, weil sie uns als selbstverständlich gegeben erscheinen. Das sind sie ja meist auch.

Wer denkt schon darüber nach, wenn er ein Lagerfeuer entzündet, dass die dabei sich vollziehende Hauptreaktion an mehrere „Bedingungen“ geknüpft ist. Kohlenstoff reagiert mit Sauerstoff zu Kohlendioxid, wobei die erwünschte Energie frei wird. Bedingungen?! Na, Sauerstoff und Kohlenstoff müssen da sein … und was da brennen soll, sollte trocken sein. Da hört die Durchschnittsbetrachtung aber schon auf.

Kommst du auf die Idee, dass für diesen Vorgang mindestens noch ein „offenes System“ und demzufolge eine gewisse „Kälte“ (und das Fehlen anderer Stoffe mit ähnlichen Wirkungen wie das Wasser) gehört? Besonders die Kälte wird als „Vorsatz“ unterstellt – wir betreiben ja diese Verbrennung meist, um uns zu wärmen. An das „offene System“ aber denkt kaum jemand.

Normalerweise werden alle Vorgänge so beschrieben, als vollzögen sie sich in einem geschlossenen System. Von allem, was „draußen“ passiert, wird abstrahiert. Es verkompliziert und lenkt ab. Das Lagerfeuer ist dagegen ein offenes System: Die Reaktionsprodukte und die Masse aller Energie entschwinden in den freien Raum.

Komplizierter wird die chemische Reaktion, wenn man sie in einen (Kachel-)Ofen verlegte. Hier wird das relativ offene System nur begrenzt künstlich hergestellt. Nun soll es Leute gegeben haben, denen war das System zu lange offen. Die drehten den Ofen zu. Es entstand ein relativ geschlossenes System. Relativ insoweit, als dass ein Teil der Energie weiterhin nach draußen abgegeben wurde. Das war im Sinn der Sache: Nicht der Ofen sondern das jeweilige Zimmer sollte ja wärmer werden. Aber im Verbrennungsraum verschob sich das Stoffverhältnis: Es verblieb mehr Kohlendioxid im System. Da es ausreichend heiß war, konnte ein Teil der Energie dadurch chemisch gebunden werden, dass sich das CO2 mit dem Kohlenstoff verband zu Kohlenmonoxid. Ein Teil dessen verließ jenes relativ geschlossene System, drang in das wiederum relativ geschlossene System „Wohnzimmer“ … und schläferte die dort Ruhenden dauerhaft ein.

Es reagiert eben Kohlenstoff nicht bedingungslos (nur) mit Sauerstoff …

 

Bei JEDER Reaktion, die man bewusst herbeiführen will, muss man eben die wesentlichen Bedingungen schaffen, die zum Ablauf erforderlich sind. Logischerweise muss man sie dazu kennen.

Nun gibt es den Begriff „objektiv“, den ich auch gern gebrauche. Der sagt in diesem Sinne „nur“ aus, dass eine „Reaktion“ immer stattfindet, wenn alle Bedingungen dafür gegeben sind – unabhängig davon, ob „man“ das wollte. Naturgesetzmäßig.

Um auf das Kohlenmonoxid aus dem Ofen zurückzukommen: Selbstverständlich kann man die Reaktion auch vorsätzlich zum Suizid oder Mord benutzen. Es ist aber nicht die Frage, mit welcher Absicht zu einem bestimmten Augenblick der Ofen zugedreht worden war, sondern dass das dann geschah, als die Bedingungen für die CO-Redox-Reaktion besonders günstig waren. Also das gleiche Zudrehen des Ofens kann sich mal so und mal so auswirken.

Zum Nachdenken über die Verwendbarkeit eines solchen Bildes für gesellschaftliche Handlungsweisen sollte noch hervorgehoben werden :Im Umgang mit dem Ofen wurde immer mit mindestens einem Vorsatz gehandelt … und wenn es Sparsamkeit ist, weil der Kachelofen weniger lange Wärme abgibt, wenn alle Kohle darin schnell niedergebrannt wäre.

 

Verwechsle das also nicht mit „Determinismus“. Um gesellschaftliche Vorgänge zu erklären, meinetwegen auch nur die psychologische Erklärung für das Handeln eines Menschen, müssen sie vereinfacht werden. Wir vernachlässigen immer Besonderheiten, die bei einem bestimmten Vorgang nebensächlich sind oder scheinen. Bauen wir ein geistiges System aus solchen Vereinfachungen, läuft es auf ein „Wenn …, dann …“ hinaus. Das ist dann Determinismus. So mag zwar die „Arbeiterklasse“ in ihrem „Wesen“ die Klasse sein, die berufen gewesen wäre, längst den Weltsozialismus errichtet zu haben, aber dann müssen wir eben betrachten, ob wir nicht zu viele Bedingungen vernachlässigt haben, und fragen, welche das sind.

 

Nein, ich habe nicht vergessen, dass ich eigentlich hatte begründen wollen, warum ich das Scheitern der Novemberrevolution in Deutschland für die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts halte. Um es kurz zu sagen: Eben jenes Scheitern schuf damals bereits die Bedingungen, die danach allen „Realsozialismus“ am Entfalten hinderten – in gewisser Weise bis zu dessen Untergang. Aus dem Geburtsschaden des „Realsozialismus“ erwuchsen eben die meisten folgenden „Verirrungen“ in der Wirklichkeit. Dass dieser „Realsozialismus“ gewesen ist, wie er eben war, macht es nun auch so schwer, einem normalen Menschen zu erklären, wo wir tatsächlich hin gewollt hatten – und warum „wir“ immer noch dorthin wollen (müssen). Wir sind der angestrebten Gesellschaft in den „realsozialistischen“ Staaten wie der DDR ja zumindest näher gekommen, aber um einen Preis, der ins „rechte“ Licht gerückt das ganze notwendige Projekt diskreditierte. Dabei wäre die Erfahrung, die wir mit dem „realen Sozialismus“ gemacht haben, vergleichbar mit einem Kachelofen, aus dem bei erster unsachgemäßer Bedienung Kohlenmonoxid ausgeströmt ist. Darf man daraus ableiten, für ewig Kachelöfen zu verdammen, weil man sich durch sie vergiften kann? Das ja wohl nicht. Dass heute andere Gründe für andere Heizungen sprechen, sagt nur, dass das, was wir ab heute als Sozialismus und Kommunismus gestalten würden, etwas Besseres sein wird als das, was die Sowjetunion und die DDR damals hätten gestalten können.

 

Die Perspektive Kommunismus muss von den Massen gewollt werden. Es reicht einfach nicht, jene einzelnen Stückchen des „Kapitalismus“ nicht zu wollen, die gerade am meisten weh tun. Es reicht nicht einmal, den Kapitalismus insgesamt nicht zu wollen. Wir müssen auch etwas Anderes, Alternatives bewusst wollen und darauf hinarbeiten. Im Chaos des wirren Handelns der Vereinzelten reproduziert sich der Kapitalismus sonst nämlich immer selbst – und zwar als sozialdarwinistische Auslese der „Stärksten“. Also mit zumindest faschistoider Tendenz. Der „Sozialstaats-Kapitalismus“, den manche wieder haben wollen, war ausschließlich als Wirkung des „Realsozialismus“ untergegangener Prägung möglich. Im „realen Kapitalismus“ können nur Starke ein vorübergehendes „Gleichgewicht“ bilden. Das heißt, es müssen ausreichend Gegenkräfte organisiert wirken, um den Kapitalismus in seinem Inneren weniger „kapitalistisch“ zu machen.

Es muss dazu wenigstens unterschwellig die Systemfrage im Raum stehen. Solange es um das Erzielen von Maximalprofit geht, wäre selbst ein Erfolg gegen die „Atomlobby“ eben nur der Umstieg in die nächste Gefahr für die Menschheit, mit der sich die dicke Knete machen lässt. So viel besser waren die Machtorgane des Realsozialismus nicht als die der kapitalistischen Staaten – trotzdem gab es in allen „Ostblock“-Ländern keinen relevanten Rauschgifthandel und keine damit zusammenhängende Kriminalität, keinen Menschenhandel, kein Rotlichtgewerbe, Ludentum usw.

Derartige besondere Profitmachereien gibt es trotz ihrer juristischen und ethischen Verfolgung in kapitalistischen Grauzonen weiter, während ihnen auf anderem gesellschaftlichen Boden einfach die Nahrung fehlt. Wenn wir aber den realen Kapitalismus mit geballter Gegenkraft zu jedem Zugeständnis, weniger Kapitalismus zu sein, zwingen müssen und können, warum beseitigen wir ihn nicht ganz und machen etwas Eigenes daraus? Das muss ja nicht den Namen Sozialismus oder Kommunismus tragen, es muss nur so funktionieren, wie Sozialismus und Kommunismus funktionierten.

 

Normalerweise geht unser Verständnis von dem aus, was es kennt beziehungsweise was es gelernt hat – was es also zu kennen meint. Auch, wenn etwas anders ist als das Bekannte, greifen wir zur Erklärung auf Bekanntes zurück – und finden auch etwas. Nun stehen wir aber beim „Kommunismus“ vor etwas völlig Unbekanntem und Neuem. Wir müssten also alle vertrauten Pfade verlassen. Aber Gnade, uns begegnen „Zeichenkombinationen“, die wir mit unserem erlernten Zeichensatz „lesen“ können. Dann tun wir das auf Teufel komm raus und versuchen die nicht identifizierbaren Zeichen auf schlecht geschriebene bekannte zurückzuführen. Schneller als eigentlich möglich haben wir uns unsere Meinung gebildet, bilden wir uns ein zu wissen.

 

Um ein paar Eigenschaften des Kommunismus vorausahnen zu können, hätten wir als einzigen Anhaltspunkt die Zeit vor den Klassengesellschaften. Nur … wir wollen doch nicht auf die Bäume zurück! Wir können höchstens überlegen, welche Denkweisen sich durch die zurückliegenden Jahrtausende Herrschaft zwischen den Menschen verändert haben könnten, welche sich also demnach wieder „zurückbilden“ müssten, wenn die Bedingungen, die sie gefördert haben, weggefallen sein werden. Den Hauptteil aller dieser heute als „natürlich“ und „selbstverständlich“ erscheinenden Denkweisen haben ja materielle Ursachen. Die aber ersetzen wir durch andere.

 

Manche Formen sozialer und praktischer Vernetzung von Menschen können wir uns heute noch nicht vorstellen, weil die Beziehungen, die ihnen zugrunde liegen müssen, noch nirgends vorgelegen haben.

Und Analogien zum „Urkommunismus“ produzieren eine unbestimmbare Zahl von Fehlern. Die soziale Hauptfessel der „Ur-Menschen“ fällt ja für den „richtigen“ Kommunismus glücklicherweise weg: der materielle Mangel.

Also … Unser natürliches Denken bietet uns voreilige Schlüsse an, weil wir aus Bekanntem auf für uns absolut Ungewohntes zu schließen versuchen. Wir können uns nur mit „Krücken“ behelfen: Als solche brauchen wir Fantasie und die Logik aus dialektisch-materialistischem Schlussfolgern. Und nun erkläre man einem „Materialisten“, er brauche Fantasie, und dir, du musst materialistisch denken! Dabei heißt das nur dass es für jede Denk- und Verhaltensweise materielle Gründe gibt, die sie tendenziell hervorbringen, andere materielle Verhältnisse langfristig mit einer gewissen Sicherheit andere Denk- und Verhaltensweise zu den vorherrschenden machen …

 

Aber erlaube mir zuvor noch ein Kratzen an gewohntem Denken:

Das, womit wir alle Erscheinungen, mit denen wir konfrontiert werden, bewerten, nennen wir selbstbewusst den „gesunden Menschenverstand“. Das klingt so, als wäre dies „dem Menschen“ gegeben. Dabei sollten wir lieber an unserem eigenen „gesunden Menschenverstand“ zweifeln.

Wenn ich nun sagte, die Erde ist eine Scheibe, über der sich die Sonne bewegt, was dann?
Das ist Unsinn? Gut. Einverstanden. Es „weiߓ doch jeder, dass das falsch ist. Aber jeder sagt, ohne groß darüber nachzudenken, „Die Sonne geht auf“ oder „Die Sonne geht unter“. Ist das nicht auch „falsch“? Aber entspricht nicht genau das unseren alltäglichen Beobachtungen?

Stell dir vor, wir hätten all die Zusammenhänge von Physik und Astronomie in der Schule nicht so gelernt, wie wir sie gelernt haben. Was sehen wir?

Die Sonne geht morgens auf, bewegt sich in jahreszeitlich unterschiedlichen Bahnen über den Himmel und geht auf dessen anderen Seite wieder unter. Das sehen wir Tag für Tag.

Nun stellen wir uns vor, wir hätten dies als richtige „Beschreibung“ der Natur auch so in der Schule gelernt, verbunden mit der Erklärung, es sei der unergründliche Wille eines über dem Ganzen wachenden Schöpfers. Hätten wir daran gezweifelt? Wo kluge Leute unsere Beobachtung bestätigten? Wie hätten wir reagiert, käme einer daher, der uns mit (für uns nicht nachvollziehbaren) seiner Meinung nach „wissenschaftlichen“ Argumenten zu überzeugen versuchte, die Erde drehe sich als Kugel mit uns obendrauf um jene Sonne da? Hätten wir ihn nicht mit gutem Recht als Spinner verlacht? Hätten wir nicht sogar gut geheißen, den Ketzer zu verbrennen, da er uns doch mit seiner Darstellung unseres Schöpfers und damit unseres paradiesischen ewigen Lebens zu berauben versuchte? Können wir heute so ehrlich sein, dass wir das, in eine andere Zeit hineingeboren und mit anderem Grundwissen gefüttert, wahrscheinlich so gesehen hätten? Mit wirklich „gesundem Menschenverstand“?!

Dieser Ketzer, der eine für heutige Verhältnisse „Allerweltsweisheit“ verbreiten wollte, hätte bei uns verdammt schlechte Karten, wären wir Durchschnittsmenschen in der Denkwelt vor 500 Jahren oder früher … Nur weil wir ein neues Weltbild in der Schule gelernt und Bilder aus der Erdumlaufbahn gesehen haben, glauben wir Anderes zu wissen … In unsere uns „natürlich“ erscheinende Denkwelt sind also Lehren Anderer eingeflossen. Rein logisch funktioniert das unabhängig davon, ob diese Lehren wahr sind, solange sie unserer Alltagspraxis nicht auffällig widersprechen.

 

Kannst du dir vorstellen, dich unter anderen Umständen als den heutigen über die Vorstellung zu amüsieren, dass wenn in Australien ein Stein „nach unten“ auf die Erde fällt, er uns aus unser deutschen Sicht nach „oben“ entgegengeflogen käme? Er fällt uns doch sozusagen ein Stück entgegen! Oder hat noch niemand beim Betrachten des Globusses gedacht, die „da unten“ müssten runterfallen? Wenn nun unser Lehrer gesagt hätte, ja, natürlich fielen wir „dort“ herunter, aber es gibt die andere Seite ja nicht, wären wir auf „Wissen“ angewiesen, dass es die andere Seite doch gibt.

Für unser Verständnis „mit gesundem Menschenverstand“ ist es dabei belanglos, ob in der Schule mit Absicht, also wider besseres eigenes Wissen des Lehrers oder der ganzen Gesellschaft, oder aus allgemeinem Unwissen heraus etwas gelehrt würde, was „objektiv“ den realen Zusammenhang falsch darstellt. Der australische Junge könnte mit demselben Recht verwundert sein, dass wir nicht von der Kugel herunterfallen.

 

Allerdings ist es nicht immer nötig, die Zusammenhänge so komplex und verwirrend darzustellen, wie sie insgesamt wirklich sind. Wenn dir ein Stein nach unten auf den Fuß gefallen ist, interessiert dich weder, ob dieser Stein aus Sicht eines Australiers nach oben oder aus Sicht der Sonne in Richtung Pluto oder aus Sicht der Galaxis in Richtung ihres Mittelpunkts geflogen ist, selbst wenn all das richtig wäre. Dich interessierte nur, dass du keinen Schuh angehabt hattest, Schmerzen hast, hinkst und blutest.

 

Du siehst also ein: Auch der so genannte gesunde Menschenverstand ist davon abhängig, was wir zuvor in den verschiedensten Formen gelernt haben. Es gibt dabei keinen Fall, bei dem nicht wenigstens ein ganz klein wenig theoretisches Wissen dabei ist. Wäre dies anders, würde jeder von uns sich heute als Erdscheibenbelatscher empfinden – Die Sonne „geht eben auf“ …

Wenn aber in dem, was wir – aus welchem Grunde auch immer – einmal beigebracht bekommen haben, ein Fehler ist, können wir daraus mit Recht ein Gebäude von „Wahrheiten“ errichten, ohne zu ahnen, dass wir die idiotischsten „Meinungen“ von uns geben. Wahr bleibt dabei nur der Zweifel. Weil wir heute wissen, wie sehr wir den Kopf über die „Meinungen“ eines Durchschnittsmenschen von vor 700 Jahren den Kopf schütteln, können wir erahnen, dass dies einem Menschen aus der Zeit 700 Jahre nach uns mit unseren wahrscheinlich genauso gehen wird – nicht in allen, aber durchaus bei vielen heutigen „Selbstverständlichkeiten“. Allerdings haben wir natürlich ähnliche Schwierigkeiten über die Einzelheiten dieses Kopfschüttelns – wie ein Damaliger meine „jedem gesunden Menschenverstand widersprechende“ Weltsicht mit der Bewegung der Sonne um die Erde zurückwiese.

 

Anders gesagt: Wir sind leicht für dumm zu verkaufen und merken es meistens nicht. Allerdings sind wir nicht wehrlos. Es gibt natürlich neben jenen „Wissenschaften“ und Schulen, die uns die uns umgebende Welt als letztlich endgültig vorkauen, auch immer wissenschaftliche Zweifler. Und mit denen zusammen können wir durchaus in Geistes-Raketen steigen, um mit eigenen Augen zu sehen: Der Stein fällt für uns dann nicht nach „oben“ oder „unten“, er bewegt sich in Folge der Gravitation – ohne schwebte er frei im Raum. Etwas zur Entwicklung der dabei erforderlichen kreativen Fantasie wollen wir trainieren. Also pflücken wir Äpfel vom Baum der Erkenntnis …

 

Also …

Ich hoffe du verstehst, dass du alles, was bisher in der realen Welt möglich war, noch sehr weit vom Sozialismus, also erst recht vom Kommunismus entfernt war und entfernt sein musste. Im höchsten philosophischen Sinn wäre der „Kommunismus“ nämlich eine von der Materie angestrebte Entwicklungsrichtung, die wir zwar anzusteuern anfangen müssten, die aber noch unheimlich weit entfernt ist. Sie setzt die bewusste Einsicht in die Entwicklungszusammenhänge der menschlichen Gesellschaft und ein dem entsprechendes Handeln bei den Massen voraus, den „gesunder Menschenverstand“ allein nicht erreichen kann – der heutige schon gar nicht.

 

 

 

An Johannes R.

 

 

   glück ists
im rechten augenblick zu sterben
nicht anzusehen
wie die erste saat zerstört
zuletzt noch fühlen dürfen
was du kannst vererben
und glauben
wem die welt gehört

die zukunft wird so licht
wenn tiefen durchgestanden
die kraft des ich-magneten siegte scheinbar nicht
du sahst den sog des wir den alle fanden
der prägen würde nächster zeit gesicht

das fundament der hoffnung musste halten
es war so vieles neues zu gestalten
und in des vorwärts träumens augenblick
holt´ unsre erde dich zu sich zurück

ein wicht wie ich ist nur zurück geblieben
und fragt wie kann ich jene menschen lieben
die der geschichte rad nach rückwärts drehten
die leicht zertraten was die deinen säten

 doch hoff ich auf noch unentdeckten sinn
dass ich im heute und am leben bin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedanken zu Gesetzen, nach denen sich Menschen richten, ohne sie aufgeschrieben zu haben

 

Moritat vom Tal der Blinden

 

 

Oh, höret die Geschichte, was einst geschehen ist.

Es hatte angefangen vor unbekannter Frist.

Vielleicht war es das Wasser, vielleicht die schlechte Luft:

Wer lange lebt im Tale, gewöhnt sich an den Duft.

Wer lange lebt im Tale, gewöhnt sich an den Duft.

 

Es ist, wie schlimm, geschehen, dass niemand mehr was sah,

von seinem grünen Tale, der Sonne, wunderbar.

Bald wurde dort geboren ein jedes Unschuldskind

mit eben jenem Makel: Die Augen waren blind.

Mit eben jenem Makel: Die Augen waren blind.

 

Jedoch der Kreis der Menschen hat später es geschafft,

zu sehen ohne Augen durch Ohr und Geisteskraft.

Sie fanden eine Höhle für ihre Sicherheit.

Der Sonne Licht und Bilder – längst nur Vergangenheit.

Der Sonne Licht und Bilder – längst nur Vergangenheit.

 

Die Schönheit der Geschlechter als Bild sich schnell verlor;

doch durch der Finger Spitzen war warm sie wie zuvor.

Das Tal war abgeschieden, die Höhle unbekannt.

In Hunderten von Jahren kein Mensch sie wiederfand.

In Hunderten von Jahren kein Mensch sie wiederfand.

 

Ein Flugzeug, das schon brannte, gab den Piloten frei.

Am Fallschirm ging er nieder ins Tal der Blindenei.

Der Mann sah dort ein Mädchen beim Höhleneingang stehn.

Das hatte blonde Haare, war blass, doch wunderschön.

Das hatte blonde Haare, war blass, doch wunderschön.

 

Der Mann ging hin es küssen, es blieb leicht zitternd stehn.

Er haucht ihr in die Ohren, wie herrlich, dich zu sehn.

Sie hat ihn nicht verstanden, was er damit gemeint,

doch weil sie Liebe fühlte, sich zart mit ihm vereint.

doch weil sie Liebe fühlte, sich zart mit ihm vereint.

 

Die Andren sind gekommen bald in der Abendstund´

Das Paar gab voll Entzücken die reine Liebe kund.

Man hat sehr wohl empfunden des Mannes Eigenheit.

Doch war man noch gewogen der Liebe Mächtigkeit.

Doch war man noch gewogen der Liebe Mächtigkeit.

 

Der Mann war voll Entsetzen: Ihr seid ja alle blind!

Verstand nicht ihre Worte vom Fühlen zart im Wind.

Er fand der Blindheit Wurzel, er fand der Rettung Weg.

Doch niemand ist gegangen auf seinem lichten Steg.

Doch niemand ist gegangen auf seinem lichten Steg.

 

Du kannst das Mädchen haben, doch bist du krank, kannst sehn.

Wie willst du wie wir fühlen; wie willst du uns verstehn.

Du sollst ein Unsrer werden, von Krankheit ganz geheilt.

Nur wer wie wir so blind ist, voll Glück im Tal verweilt.

Nur wer wie wir so blind ist, voll Glück im Tal verweilt.

 

Die Liebe war so mächtig, das Universum fern.

Der Mann hatte das Mädchen so wie die Sonne gern.

Am Tage seiner Hochzeit die Augen waren leer.

Er ließ vom Weib sich führen; er nahm es noch nicht schwer.

Er ließ vom Weib sich führen; er nahm es noch nicht schwer.

 

In all den spätren Jahren hat Fühlen er gelernt,

doch blieb trotz größter Mühe von allen er entfernt.

Es wurd ein Kind geboren, das in die Höhle schaut.

Zuerst war es mit Fühlen und dann mit Seh´n vertraut.

Zuerst war es mit Fühlen und dann mit Seh´n vertraut.

 

Die Eltern wollten hüten das fehlerhafte Kind.

Das war nicht wie die Andern, zwar hörend, doch nicht blind.

Die Eltern hießen´s schweigen, so lang es möglich war,

doch wuchs, entdeckt zu werden alltäglich die Gefahr.

Doch wuchs, entdeckt zu werden alltäglich die Gefahr.

 

Der Mann ist fortgegangen, das Kind hat ihn geführt.

Es hat die Welt gesehen, es hat die Kraft gespürt.

Doch denkt es an die Mutter, der Mann denkt an sein Weib,

von dem er fortgezogen trotz Flehen, bitte bleib,

von dem er fortgezogen trotz Flehen, bitte bleib.

 

Nun kann der Mann nicht sehen in seiner eignen Welt.

Gar mancher stellt ihm Beine, zu sehen, wie er fällt.

Er möchte gerne retten, sein Weib, von Liebe still,

und dass sie letzten Endes auch selber sehen will,

und dass sie letzten Endes auch selber sehen will.

 

 

 

 

 

 

Erinnerst du dich noch, wie du „Geschichte“ gelernt hast? Als Abfolge von Ereignissen, bei denen große Persönlichkeiten zur rechten Zeit am rechten Ort waren oder eben nicht? Mit Daten, an denen die Entscheidungen Einzelner den weiteren Gang der Dinge in die eine oder andere Richtung lenkten? Kennst du Brechts „Fragen eines lesenden Arbeiters“? (Wenn nicht, google jetzt schnell nach!) Worauf kam es deinem Geschichtslehrer an? Dass du große Zusammenhänge nachvollziehen kannst oder dass du Fakten griffbereit hast, was wann wo war? Hältst du den Gang der bisherigen Geschichte für das Ergebnis von den Naturgesetzen vergleichbaren Entwicklungsgesetzen? Nein?Wenn aber ja … denkst du, die Geschichte geht dann mit gleicher Naturnotwendigkeit weiter? Und … wohin?

 

In der Masse, sagen wir der „Menschheit“, wirkt, was jeder Einzelne von uns macht, chaotisch. Von dem Moment an, in dem es eine „menschliche Gesellschaft“ gab, wirkten in materialistischem Verständnis die Entwicklungsgesetze so, dass diese chaotischen Handlungen zu einem letztlich notwendigen (allerdings nur theoretisch vorher bestimmbaren) Ergebnis führten … nämlich den Verhältnissen, die wir heute haben. Egal, wer diese Gesetze erkannt hat. Irgendein einzelner Mensch, eine Gruppe von Menschen oder die ganze Menschheit. Oder ob überhaupt einer.

Das hat einen einfachen Grund: Alle gesellschaftlichen „Gesetze“ haben ihre Wurzel in Zusammenhängen der Natur, also Mechanismen, mit denen die Natur ihre eigene Existenz erhält. Die wirken weiter, obwohl der Mensch sie erkennen und damit beeinflussen könnte, erst einmal noch (aber nicht nur) deshalb, weil er sie nicht erkannt hat. Insofern ist es wichtig, solche Gesetze, Naturregeln, genau zu erforschen.

 

Sagen wir, es findet sich ein Mensch, der auf andere glaubhaft wirkt, wodurch auch immer.

Sagen wir weiter, dieser Mensch behauptet, dass wenn alle anderen Menschen zu einem von ihm bestimmten Zeitpunkt in einen See steigen, so wird der ewige Schöpfer der Welt machen, dass dieses Gewässer über seine Ufer tritt.

Sagen wir, genug andere Menschen handeln, wie dieser eine es ihnen sagte.

Was passiert? Das Gewässer tritt tatsächlich über sein Ufer. Der Mensch hat ein „Wunder“ eines angeblichen Schöpfers bewiesen, das gar keines war. Er hat etwas vorausgesagt, dass unter den von ihm genannten Bedingungen notwendig so eintreten musste.

Stellen wir weiter fest: Wären nicht genug Menschen, der Wunderverkündung glaubend, ins Wasser gestiegen, so wäre der Wasserspiegel nicht gestiegen, also das vorher verkündete Wunder ausgeblieben. An der Existenz der naturgesetzlichen Wasserverdrängung hätte sich nichts verändert. Ihr hätten nur die Voraussetzungen gefehlt, wirklich wirksam zu werden.

Die Kraft der Idee (der Übereinstimmung seiner Erkenntnis mit dem tatsächlichen Handeln seiner Mitmenschen) des Mannes hat, unabhängig, ob ehrenwert begründet oder nicht, zu einer sichtbaren Veränderung geführt.

 

Nun meckere nicht! Was heißt hier eine einfache Wasserverdrängung?

Falsch!!! Es geht in diesem „Beispiel“ darum, dass die vorangegangene „Prophezeiung“ des Mannes das Handeln der anderen Menschen und dieses wiederum das Auftreten eines Naturgesetzes hervorrief, das potentiell immer vorhanden war, ist und sein wird – unter bestimmten Voraussetzungen …

Nun sind eben „gesellschaftliche Gesetze“ solche, die immer erst durch das Handeln von Menschen wirken. Das Handeln des Menschen erwächst wie das Denkniveau, auf dem es beruht, aus dem „Entwicklungsstand der Produktivkräfte“. Beim heutigen Durchschnittsdeutschen würde dieses Prophetenspiel nicht funktionieren – der kennt die Wasserverdrängung aus der Schule gut genug, um den „Propheten“ zu belächeln.

 

Bei unserem Beispiel bliebe es gleich, ob der Mann die anderen betrügen will, um zu Macht zu kommen, oder ob er den Menschen zeigen will, welche Macht sie über die Naturgewalten haben. Entscheidend ist, er hat über den Zusammenhang des Naturgesetzes, hier also die Wasserverdrängung, nachgedacht, die richtigen Schlüsse gezogen … und über das Handeln der Massen die beabsichtigte Wirkung wirklich eintreten lassen.

Dies ist eine, wenn auch zugegeben etwas makabre, Verbildlichung von Marxens Satz „die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift1

 

Wir sehen an dem Beispiel, dass Marx in der menschlichen Gesellschaft einen universalen Zusammenhang sieht, der menschliche „Natur“-Gesetze von „echten“ / „reinen (unbelebten)“ Naturgesetzen unterscheidet. Gäbe es die Wasserverdrängung nicht, hätte der Mann sie nicht erkennen und ausnutzen können. … Aber die Gesetze in der menschlichen Gesellschaft kann man natürlich nur beim Handeln der Menschen beobachten, während natürlich auch ein riesiger unbelebter Brocken die Wasserverdrängung auslöste.

 

 Der moderne Marxismus steht gerade vor diesem Problem.
Das Naturgesetz (!) der dialektischen Entwicklung vom Niederen zum Höheren gibt es zwar, das Höhere gegenüber dem Kapitalismus wäre dabei (denken zumindest die Kommunisten) der Kommunismus, aber sobald die Menschen meinen, sie wären schon in diesem Gewässer gewesen (was ein Trugschluss ist) und der Wasserspiegel wäre nicht gestiegen, wollen sie nicht „noch einmal“ hinein. Bekommt die Masse nicht aus einer neuen Richtung einen neuen Anstoß zum erneuten Tun unter neuen Bedingungen, tritt das alte Gewässer nie über seine Ufer und verfault, sprich: die Menschheit ginge unter.

 

Marx hatte es in dem Punkt leichter. Er war noch in der Rolle des Mannes, der zu „Unschuldigen“ sprach. Ihm stand „nur“ entgegen, dass „natürlich“ die Gegner der von ihm gewollten Entwicklung alles unternahmen, damit sein Wort einfach nicht genug Menschen für das richtige Handeln erreichte.

Das tun ihre modernen Nachfolger selbstverständlich heute immer noch. Die „Erben“ der Macht im Kapitalismus unternehmen natürlich weiter alles, um ihre „Erbschaft“ zu bewahren. Und ihre Möglichkeiten sind gewachsen. Unter anderem nutzen sie die Begrenztheit des „gesunden Menschenverstandes“. Der nur mit solchem ausgestattete Betrachter sieht eine Menge Menschen, so wie sie gerade sind und wie er sie gut verstehen kann. Die verhalten sich nicht so, dass man mit ihnen „Kommunismus machen“ könnte, und der Betrachter schlussfolgert vereinfachend: „DIE Menschen sind eben so.“ und „Kommunismus kann man nicht machen.“ Okay, du auch …

 

Übersiehst dabei dabei nicht aber, dass du eben heutige Menschen vor Augen hast. Wenn du dir dagegen vorzustellen versuchst, dass der gläubige Menschenverstand vor 700 oder der „unberührte“ Indianer vor 300 Jahren ganz Anderes als „vernünftig“ angesehen haben, dann erscheint es hoffentlich schon einsichtiger, dass unsere Nachfahren in 300 oder 700 Jahren ganz anders denken werden als wir uns das ausmalen können. … Einmal unterstellt, es gäbe dann noch Menschen.

Das Dumme ist, dass wir uns heute in einer Chaos-Welt befinden. Ohne eine Wertung abgeben zu wollen, ob Marx und Engels die richtigen Voraussagen getroffen haben, was den Weg angeht, so ist doch eines sicher: Der von ihnen beschriebene Zielpunkt der menschlichen Entwicklung, den sie Kommunismus nannten, ist davon abhängig, dass möglichst viele Menschen tatsächlich in jenen „See“ der Geschichte hineinsteigen. Wirklich handeln. Bleiben zu viele am Rande stehen – zum Beispiel mit der Entschuldigung, sie wären ja schon drin gewesen und der Wasserspiegel sei nicht angestiegen, sie hätten sich nur nass gemacht dabei – dann bleibt die notwendige weitere Entwicklung der Menschheit einfach aus.

 

Nun gibt es grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse, denen zufolge es eine allgemeine real tendenziell gerichtete „Entwicklung“ gibt. Damit meine ich nicht den „Marxismus-Leninismus“. Der hat solche Erkenntnisse „nur“ zusammengetragen, zu einem Weltanschauungssystem verdichtet und vor allen Dingen ihre Anwendbarkeit auf die menschliche Gesellschaft dargestellt.

Ich meine hier die Dialektik als System von Zusammenhängen und Methode, an die vereinzelten Zusammenhänge heranzukommen.

Wobei … Eigentlich wäre der Marxismus genau das richtige System für denkaktive Menschen. Das war nicht als Kritik gedacht. Für dich auch. Dass leider auch Denkfaule mit ihm die Erklärung der Welt kaugerecht in den Mund geschoben bekommen möchten, lassen wir einmal außen vor. Allerdings ist er – wie jedes Denksystem – bedroht von verkrustendem Dogmatismus auf der einen und verfälschendem Revisionismus auf der anderen Seite. Dabei musst du den Marxismus als Handwerkszeug verstehen, um die Zusammenhänge in der Welt zu erfassen. Dann kann man sie gestalten, indem man die Bedingungen herstellt, unter denen sie wirken. (wie unser Prophet oben.)

 

In der Vergangenheit wurde häufig „das Kind mit dem Bade ausgeschüttet“. Man bildete sich ein, dass wenn es „objektive Gesetze“ gibt, also Zusammenhänge, die unabhängig von einer bewussten Absicht notwendig und wiederholbar in einer bestimmten Weise auftreten, dann siege der „Fortschritt“ zwangsläufig. Richtig. Es gibt diese Gesetze. Aber sie wirken meist nicht zwangsläufig, weil sie sich mitunter gegenseitig aufheben. Und genau das haben auch viele „Marxisten“ übersehen.

 

Das Grundgesetz der Dialektik ist (wahrscheinlich) das einzige echte „Universalgesetz“. Es besagt, dass alle Formen der Materie sich in Bewegung, Veränderung befinden, sich nur als „Einheit und Kampf von Gegensätzen“ erklären lassen. Bedingungslos. Wobei der Ausdruck „Kampf“ missverständlich ist: Er ist nicht so zu verstehen, dass die eine Partei die andere besiegt und dann allein übrig bleibt, sondern so, dass immer neu die Ausgewogenheit sich dabei selbst verändernder und einander bedingender Faktoren eines Ganzen hergestellt wird. Also solche Systeme wie Masse-Energie oder Atomkern-Atomhülle. Beide Seiten der Systeme sind ohne die andere nicht das, was sie sind.

 

Eine zweite Ebene sind „Relativgesetze“. Unser menschliches Problem ist, dass wir alle auftretenden Zusammenhänge unserer Umwelt als solche erfassen möchten, also als eindeutige und wiederholbare Wenn-dann-Beziehungen. Dann sehen sie nämlich herrlich einfach aus. Das Problem dabei ist, dass es zwar eine Unmenge solcher gesetzmäßigen Zusammenhängen gibt, sie aber in den seltensten Fällen für sich allein auftreten. Es gibt also kaum nur ein Wenn-dann, sondern meist daneben noch ein „… und-wenn-dann …“ und ein „…aber-wenn-dann auch …“.

Die meisten Relativgesetze sind deshalb nur erkennbar, wenn man von allem „Störenden“ abstrahiert. Man muss alle Bedingungen, die notwendig sind, damit eine Ausgangslage zu einer konkreten Endlage wird, kennen und als gegeben annehmen oder herstellen. Die „Störungen“ sind aber eben in der Wirklichkeit immer da.

 

Die dritte und problematischste Ebene sind die Trendgesetze. Hier bewegen wir uns üblicherweise auf philosophischen Höhen. Mitunter versuchen sich auch andere Teilwissenschaften (wie die Psychologie) daran. Solche Trendgesetze versuchen eine „gesetzmäßige Ordnung“ in komplexe Zusammenhänge als Ganzes zu bringen.

In der Dialektik sind das zum Beispiel das Gesetz der „Negation der Negation“ und das vom „Umschlagen von Quantität in eine höhere Qualität“, letztlich also die Behauptung einer Entwicklungsrichtung vom „Niederen“ zum „Höheren“. Prinzipiell sind auch das alles „objektive Gesetze“. Im Gegensatz zur Universalität aller Bewegung ist die Erkennbarkeit dieser Gesetze aber immer an Bedingungen gebunden. Sie beschreiben komplexe Zusammenhänge als Ganzes – wohl wissend, dass sich verschieden gerichtete Trends überlagern und teilweise, also im Einzelfall, aufheben (können). Erst „letzten (!) Endes“ setzt sich der Trend durch. (Im Gegensatz zur Chaostheorie, die meint, solche Trendbewegungen heben sich als Ganzes letztlich alle gegenseitig auf.)

 

Dabei stellt sich natürlich die Frage, was ist denn eine „höhere Qualität“. In der Natur in erster Linie die höhere Vielfalt von Qualitäten der Informationsverarbeitung. Aber schon das interessante Phänomen des „Lebens“ wirft das wahrscheinliche Grundproblem auf: Als denkende Lebewesen sind wir Menschen natürlich überzeugt, eine höhere Qualität der Existenz von Materie zu sein. Dies bedeutete, dass sich alle Materie erst in Richtung Leben und dann in Richtung intelligentes Leben bewegen müsste (ohne allerdings niedere Stufen zu beseitigen).

 

Ja, und genau das sagt das „Gesetz“ wirklich aus. Aber eben nur als Trend, als prinzipielle Richtung. Wir haben bisher real im gesamten erreichbaren All noch keine unwiderlegbaren Spuren von fremdem Leben entdeckt. Zumindest im Moment haben die Vertreter eines Alleinvertretungsanspruchs der Menschheit auf Intelligenz im Kosmos die besseren Karten gegenüber SETI-Phantasten, die auf Nachricht kluger Aliens hoffen.

 

Jedes „Wenn …, dann …“ (also Relativgesetz) gilt immer, wenn das „Wenn …“ vorhanden ist. Die Menge der einander widersprechenden Einzelzusammenhänge ist bei den Trendgesetzen aber so groß, dass man eben nur sagen kann, dass es, (unterstellt, dass das Universum unendlich ist) dort irgendwo weiteres intelligentes Leben geben muss. (Und dass es im Laufe weiterer Milliarden Jahre Entwicklung insgesamt häufiger intelligentes Leben geben wird – was aber durchaus vom Verschwinden intelligenter Lebensformen in einzelnen Galaxien wie der Milchstraße begleitet ist. Als Alien würde ich für die Menschheit eine solche Untergangsprognose stellen.)

Das heißt nicht, dass es solches Leben im Umkreis von 100 Lichtjahren um die Erde gäbe. Das heißt nur, dass prinzipiell zwischen Intelligenzen gegenseitig befruchtende Kommunikation möglich ist beziehungsweise aus Sicht der Menschheit möglich werden könnte.

 

Es geht mir hier nicht um Spekulationen. Es geht mir um eine Besonderheit von Trendgesetzen: Der grundsätzliche Trend, über den sich „Höheres“ letztlich durchsetzt, wird ergänzt und überwuchert von einer zahlenmäßig weit überlegenen Zahl von Einzelvorgängen, bei denen entweder der dialektische Sprung noch nicht eintritt oder aber eine bereits eingeleitete Entwicklung zum Höheren abbricht oder im Chaos versinkt … wie auch immer das konkret aussehen mag …

Und dies gilt für ALLE Trendgesetze. Auf einen Fall, in dem sich eine höhere Entwicklungsstufe durchsetzt, kommen zig Fälle, die so lange im Hamsterrad kreisen … bis sie absterben. Aber wenn man zum Beispiel die Erdgeschichte betrachtet, ist eben neben aller Masse von untergegangenen Lebensformen zum bisherigen Schluss die Menschheit entstanden – mit der Potenz, das Zusammenwirken von Lebensformen bewusst zu harmonisieren.

 

Die Anfangsstufe aller Entwicklung ist eine Natur, die ihre „Harmonie“ ohne jeden Vorsatz Beteiligter rein durch das Zusammenwirken von immer mehr an sich chaotischen Kräften auf immer höherer Stufe neu herstellt.

Die erste Negation dieses Zustands ist das Auftreten des Homo sapiens. Schon unsere Urahnen wirkten mit Vorsatz auf ihre Umwelt ein und veränderten sie. Vom Trend her veränderten sie sie gemäß ihres Vorsatzes, also die beabsichtigte (Teil-)Wirkung trat immer wahrscheinlicher ein. Allerdings waren alle diese vorsätzlichen Eingriffe Störungen der Harmonie des Gesamtsystems Natur, das sich in veränderter Struktur wieder neu herausbildete. (Manche Landschaften blieben „zerstört“.)

 

Die Notwendigkeit zum Übergang zur nächsten Stufe ist von dem Moment an gegeben, in dem der Eingriff „des Menschen“ in das Gesamtsystem Erd-Natur so allumfassend geworden ist, dass eine Wiederherstellung eines natürlichen „harmonischen Systems“ nur unter (Wieder-)Ausschluss der Menschen möglich wäre. Sicher wäre ein harmonisches Miteinander von Ratten und bestimmten Mikroorganismen auch innerhalb einer radioaktiv verseuchten Atmosphäre denkbar. Allerdings gehören in die Gruppe solcher Systemeingriffe auch längerfristig wirkende wie ein die Erdoberfläche modifizierendes verändertes Klima und die direkte (vor allem aber indirekte) Erschaffung von (aus menschlicher Sicht) universalen (Anti-)Schädlingen. (Genetische Manipulationen, Krankheiten usw.) Also ist eine neue Verantwortung herangereift, sobald die unmittelbare Vernichtungstechnik in Händen einzelner Menschen das Potential enthält, die Menschheit als Ganzes zu eliminieren.

 

Ich mag an dieser Stelle nicht darüber nachdenken, was wichtiger ist: Die Möglichkeit des Menschen, bewusst mit seinem und dem Leben seiner Mitmenschen umzugehen, und dass kein Mensch mehr aus „natürlichen“ Ursachen heraus vorzeitig sterben müsste, oder die Wirklichkeit, dass trotzdem Massen verhungern und verdursten, beim Gebären krepieren und Ähnliches, was im weiten Sinn für einige Menschen ein herausgehobenes Leben ermöglicht. Ja, ich bin überzeugt, inzwischen besitzt „die Menschheit“ bereits die technischen Möglichkeiten, „vernünftig“ in / mit ihrer Umwelt zu leben.

 

Egal: Ein höheres Stadium der Entwicklung der Materie ist es, wenn eine intelligente Form die Harmonie ihrer Umwelt vorsätzlich herstellt. Sie muss sie also erkennen und als Gesamtsystem bewusst beeinflussen. Dass dies kein Zustand, sondern wie in der „ursprünglichen“ Natur ein immer währender Prozess ist, sollte klar sein. Immer wieder sind neue einzelne Zusammenhänge zu erkennen und einzuordnen ins beabsichtigte Ganze.

Man kann Pessimist sein und sagen, das kommt nie. Damit akzeptiert man aber, dass wir uns möglichst schnell noch den Mars ansehen sollten: Früher oder später haben wir die Erde so zugerichtet, dass unsere Kinder keine Kinder mehr haben werden. Nie mehr. Die Erde wird der nächste Mars.

 

Die politische Revolutionsentwicklung „produzierte“ einen vorsozialistischen Zustand, der die Idee des Kommunismus fürchterlich diskreditiert hat, und wir Deutschen haben dabei eine negative Hauptrolle gespielt. Die Produktionsverhältnisse sollen ja dem Entwicklungsstand der Produktivkräften gemäß gestaltet sein. Dies ist das (ökonomische) Hauptgesetz aller menschlichen Geschichte. Dass die technische Entwicklung bis 1990 noch gar nicht reif gewesen ist für Sozialismus, ist wieder Grund zur Hoffnung auf einen erfolgreicheren Neuanfang, wenn wir beweisen könnten, dass sie JETZT dafür reif wäre (bzw. diesen Moment nicht verpassen).

 

Noch etwas Grundsätzliches: Die Widersprüche in den Klassengesellschaften hatten etwas gemeinsam. Es gab einen Hauptwiderspruch zwischen den Hauptklassen mit ihrer gegensätzlichen Stellung im gesellschaftlichen Reproduktionsprozess, also dass die einen im Wesentlichen besaßen, womit sie die anderen zu ihnen fremden Handlungen zwingen konnten. Dieser eine grundlegende Widerspruch ist im Kommunismus weggefallen. An seine Stelle treten zum einen Widersprüche zwischen den vielen Menschengruppen mit unterschiedlicher Stellung im Reproduktionsprozess. Diese lösen sich ja nie auf. Es ist auch nicht pauschal zu sagen, wie „positiv“ oder „negativ“ sie im einzelnen wirken werden. Denn der Stolz auf eine besondere eigene Leistung grenzt an „Standesdünkel“ … dann wäre er negativ. Es ist also immer wieder neu ein „Kunststück“, jeder vollbrachten Leistung die nötige öffentliche Anerkennung zu vermitteln.

Und es gibt einen sich wieder offen entfalteten grundlegendsten Widerspruch: Auf der einen Seite stehen alle individuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten, auf der zweiten alle vielfältigen individuellen Hemmnisse, diese Möglichkeiten zu entfalten, auf der dritten Seite (!) das erreichte Niveau der allgemeinen und einzelnen Bedürfnisse, auf der vierten das Niveau ihrer Befriedigung und mindestens auf der fünften „Seite“ stehen die neuen Bedürfnisse, die sofort erwachsen, sobald vorige befriedigt worden sind. Dies ist sehr mangelhaft dargestellt. Es soll nur eines aufzeigen: Man wird im Kommunismus ein grundsätzlich neues Bild vom Gesetz der Einheit und dem Kampf der Gegensätze entwickeln. An die Stelle einer A-B-Beziehung treten mehrdimensionale Beziehungsmuster, die unauflösbar bleiben und deren „Harmonie“ darin besteht, dass sie nicht in ein Niveau zurückfallen, auf dem sie nur durch den „Sieg“ einer Seite aufgelöst werden können.

Das klassische Beispiel hierfür wäre, wenn eine Menschengruppe zur Überzeugung gelangte, dass eine andere auf Kosten ihrer Arbeit schmarotzte. Zum Beispiel dadurch, dass „Partyhasen“ sich zu einer dauerhaft festen Gruppe abkapselten. Normalerweise würde dies durch die beständig wechselnde Zugehörigkeit zu verschiedenen Kollektiven abgefangen und Ansätze zu solchem Verhalten schon im Rahmen des Schulcoachings verhindert. Die psychologische Forschung kennt bereits die Methoden zur Optimierung vom Gruppenstrukturen. Dass diese in heutigen Schulen angewendet würden, ist mir nicht bekannt. Normalerweise gibt es im Kommunismus keine unlösbaren Probleme. Allerdings ist Kommunismus nicht die Gesellschaft des „Normalerweisen“.

 

Die (Produktions-)Verhältnisse, die unser Zusammenleben bestimmen, müssen dem Niveau der „Produktivkräfte“ entsprechen. Ich behaupte, dass sie dies heute schon nicht mehr tun und demzufolge geändert werden können und müssen. Woran man dies ersehen kann, soll im Nachfolgenden genauer betrachtet werden. Und vor allem wohin …

 

 

 

 

 

 

 

 

Die drei Wirtschaftskreisläufe oder auch Robinson kann helfen

 

 

 

Absage

 

bleib allein

an der Börse
unterm Dach

des Dax

ich
bin keine Aktie
steige nicht
falle nicht

 

ich gehe

zurück zu
weisen Eulen
und verstopfe

meine Ohren
dem Sirenenlied

deiner Kröten

 

Grundlegende Zusammenhänge zu erklären ist schon schwer genug; dass aber die Erklärung nicht am Funktionieren der Wirtschaft vorbeikommt, vergrault mindestens den vorletzten Neugierigen. Bürgerliche Ökonomen versuchen dabei eine Milchmädchen-Wirtschafts-Erklärung, bei der auch der um wenig Ecken denkende sagt, ja, das versteht er. Ein Hilfsgerüst ist dabei, die abstrakten Zusammenhänge von Kapital und Gesamtwirtschaft auf das hübsche Bild von Robinson Crusoe zu verkürzen. In vielen komplizierten Beziehungen, die nur existieren, weil so viele Handelnde im Wirtschaftsprozess auftreten, dass die einen nicht direkt wissen und beeinflussen können, was aus ihren Produkten wird bzw. wie ihre gekauften Waren zu ihnen kommen, geht das nicht. Aber wir haben ja Fantasie, um auch etwas aus dem künstlerischen Bild zu machen.

 

Karl Marx´ produktionsfixiertes Denksystem hatte Vor- und Nachteile. Das kommt auch in seinem Hauptwerk „Das Kapital“ zum Ausdruck: Die Welt, die er zu erklären versucht, rankt sich um den Begriff der „Ware“. Dies reicht zwar aus, um einen Kapital-Ismus mit seiner Herkunft und seinem Niedergang zu erklären, aber nicht für die Einordnung des (entfalteten) Kommunismus. Dafür muss jeder Klassenhorizont verlassen werden. Also alles, was Warenwirtschaft erklärt wie Tauschwert oder „abstrakte Arbeit“. In der kommunistischen Welt gibt es nämlich nur noch eine Vielzahl konkreter Arbeiten.

 

Man kann die „Wirtschaft“ in drei Arten von Kreisläufen unterteilen.

Der innerste ist der elementare oder Robinson-Kreislauf: „Der Mensch“ als konkretes Einzelwesen hat Bedürfnisse, die zu befriedigen sind und die er selbst befriedigt, einen natürlich vorgegebenen Zeitfonds, in dem er diese Bedürfnisse befriedigen kann und muss, und eine gesellschaftliche Qualität dieses Zeitfonds. Selbstverständlich sind auch die Bedürfnisse selbst gesellschaftlich bestimmt. Sie erwachsen nur zum kleineren Teil „der Natur“, zum größeren dem, was man kennt. Also die frühen Menschen, die die Nutzung des Feuers nicht kannten, fraßen, womit sie ihren Hunger stillen konnten. Sie hätten mit Messer und Gabel nichts anfangen können, schissen wohl neben dem Fressplatz und es gab nichts, wo und warum sie hätten Staub wischen können. Wie sauber jemand heute seine Wohnung haben möchte, ist unter anderem auch ein kommunikatives Bedürfnis. Es erwächst eben auch aus dem Grad der Peinlichkeit, wenn Besucher „Sau“ mit Fingern aufs Regal schreiben (könnten). Und das konnten die Höhlenbewohner noch nicht.

 

Der konkrete Mensch hat von der Natur der Erde pro Tag 24 Stunden zur Verfügung gestellt bekommen, Abläufe, die Jahre ergeben (Jahreszeiten u.ä.) sowie die Aussicht eines im Tode endenden Lebens. Welche Bedürfnisse er wann in welchem Umfang befriedigt, kann er im Wesentlichen frei entscheiden. Allerdings werden einschränkend die Därme Forderungen stellen, wann sie entleert werden wollen, und der Magen, der gefüllt werden will, und noch einiges ganz Existenzielles mehr. Mit jeder Entscheidung für ein zu befriedigendes Bedürfnis fällt für den Moment die Entscheidung gegen (fast) alle anderen. Wer also seine Zeit braucht, um etwas zu fressen zu bekommen, kann nicht gleichzeitig „speisen“ oder Musik zum Feiern machen.

 

Die „gesellschaftliche Qualität dieses Zeitfonds“ belegte der berühmte Robinson selbst: Was wäre er gewesen ohne die Flinte und technischen Geräte, die er aus dem Schiff hatte retten können? Was wäre er gewesen ohne das mitgebrachte Wissen seiner Zeit – beispielsweise zur Haltung von Haustieren? Sein klar umrissener Kreislauf Bedürfnisse – Entscheidung – eigene Produktion – Befriedigung – neues Bedürfnis prägte sofort auch sein Denken. Es gab ihm die Macht, den Freitag, der nicht über ähnliche technische Mittel verfügte, in ein Werkzeug für seine Bedürfnisbefriedigung zu verwandeln, ihn für sich arbeiten zu lassen.

 

Dieser elementare Kreislauf ist natürlich zutiefst beschränkt. Man kann ihn geistig von einzelnen Personen auf konkrete Gruppen erweitern, womit man das „urkommunistische“ Prinzip vor Augen hat: Die Gruppe als Ganzes kennt die Bedürfnisse aller ihrer Mitglieder und befriedigt sie nach vorhandenen eigenen Möglichkeiten. Im Prinzip verselbständigen sich nur die arbeitsteiligen Abläufe, die jeder Mensch sonst allein für sich entschieden hätte. So wie Robinson für sich (ohne Freitag) entschieden hatte, welcher Arbeitsgang wie viel Zeit wann „kosten darf“ (indem diese Zeit anderen Arbeitsabläufen vorenthalten wird), so entscheidet dies nun die Gruppe. Neu dabei ist, dass nun natürlich Bedürfnisse parallel bearbeitet werden können. Der Grundsatz aber bleibt: Die Mitglieder einer Gruppe arbeiten so arbeitsteilig wie die Organe eines menschlichen Körpers. Sie akzeptieren naturwüchsig, dass sie alle ihre Bedürfnisse kennen und gemeinsam ihre Möglichkeiten nutzen, so gut es geht viele ihrer Bedürfnisse zu befriedigen.

 

Dieser Herangehensweise ist der kommunistische, der DRITTE Wirtschaftskreislauf ähnlich. Auf wesentlich höherer Ebene wissen alle Menschen um den Effekt ihrer Entscheidungen für sich und alle Anderen (soweit dies für sie notwendig ist). Seine wesentlichen Elemente konnten Marx und Engels nur teilweise erahnen, wodurch sie zu missdeutbaren Schlussfolgerungen kamen. Sie verabsolutierten die für ihre Verhältnisse überwältigenden Springquellen produktiven Reichtums, die den Kommunismus kennzeichnen würden. Also einfach gesagt: Weil genug da sein würde, alle Bedürfnisse zu befriedigen, können alle Bedürfnisse befriedigt werden. Ein solcher Denkansatz war der stürmischen Entfaltung der Produktion / Produktivität in den vorausgegangenen 200 Jahren (im Vergleich zur gesamten Menschheitsentwicklung bis dahin) geschuldet.

 

In der Realität kommt aber mindestens ein entscheidendes Element dazu: Die Gesellschaft, in gewissen Sinne die ganze Menschheit, verfügt inzwischen endlich über ein handhabbares Instrument, die Bedürfnisse aller ihrer Mitglieder zu erfassen („zu kennen“) und im Sinne ihrer direkten Befriedigung zu wirken (und natürlich im Sinne einer bewussten Minimierung ausufernder unsinniger Bedürfnisse). Die technische Grundlage für ein solches Konstrukt scheint mit dem „Internet“ gegeben: Im Prinzip kann schon heute jeder Mensch dieser Erde sich an seinen Computer setzen, sich in eine gigantische virtuelle Bedürfniszentrale einloggen und kundtun, welche Bedürfnisse er befriedigt zu bekommen hofft. Indem er dies öffentlich machte, machte er auch Forderungen öffentlich, denen er sich schämen müsste.

 

Allerdings hebt das Wissen, dass einzelne Menschen sich heute wirklich unverschämte Wünsche erfüllen, weil sie dazu die Mittel haben, heute noch den Nutzeffekt auf. Warum sollte sich einer beschränken, wenn es der andere auch nicht tut? Es geht mir hier aber auch nicht um die tatsächliche Machbarkeit im Augenblick, sondern darum, dass es bereits technische Mittel gibt, mit denen so etwas möglich wäre. Alle Produktion im weitesten Sinn könnte „wieder“ direkt an den erfassten und bewerteten Bedürfnissen ausgerichtet werden. „Man“ weiß wieder, warum man was macht … Trotz des entscheidenden Unterschieds, dass der urgesellschaftliche „Wirtschaftskreislauf“ ungeheuer klein war und inzwischen scheinbar unüberschaubar groß geworden ist.

 

Das Wissen, was für welches und wessen Bedürfnis getan wird, ging mit fortschreitender Teilung der Arbeit, vor allem der Verselbständigung der geistigen Elemente des Arbeitslebens, allmählich verloren. Die Wirtschaftsbeziehungen, die sich dabei durchsetzten, kann man „klassenbildend“ nennen. Ihre höchste Ausprägung haben sie im „Kapitalismus“ – Beziehungen der Warenwirtschaft, die Marx analysierte. Sie haben im Vergleich zu den beiden anderen „Kreislauf-Arten“ einen einschneidenden Unterschied: Es ist ein von den eigentlichen letztendlichen Bedürfnissen zu unterscheidender eigener Wirtschaftskreislauf entstanden, der Kreislauf der „(Tausch-)Werte“. Seine gesamten Gesetze berühren menschliche Bedürfnisse als Ursprung allen menschlichen Handelns nur noch indirekt. Er beruht darauf, dass die Menschen, die etwas tun, was eigentlich Bedürfnisse befriedigen soll, diese Bedürfnisse nicht kennen. An die Stelle der eigentlichen Bedürfnisse sind die „gesellschaftlich anerkannten“ getreten, also die „bezahlbaren“.

Tausende bezahlte Wünschelrutengänger beschwören die Möglichkeit, dass das freie Spiel der chaotisch wirkenden Kräfte einen Ausgleich zwischen Produktion und Konsumtion herstellte. Trotzdem verhungern Millionen Menschen auf der Erde, weil sie nicht in Besitz von allgemeinem Äquivalent kommen, weil sie keine Arbeit (vorfinanziert) bekommen, um etwas in dem großen Kreislauf Verwertbares einzubringen.

 

Das System Kapitalismus kann das Problem der Bedürfnisbefriedigung im Weltmaßstab nicht lösen, sondern nur jeweils beschränkt auf Teilkreisläufe, die sich auf Kosten des Rests (der Welt) vollsaugen. Es ist richtig: Das System hat in seinen Glanzecken besser funktioniert als die Ansätze des Sozialismus. Aber die Unerfüllbarkeit von Bedürfnissen einer „Überschussmenschheit“ ist Bedingung des ganzen Systems – es wechselt im Höchstfall, wer zur Gruppe eben dieser „Überschussmenschheit“ gehört. Im Wesen der Planung eines kommunistischen Versorgungssystems liegt die beständig steigende Annäherung an die umfassende „Vollversorgung“.

 

Wesen und Erscheinung der Vorgänge der (kapitalistischen) Warenwirtschaften sind durch Marx nicht nur in „Das Kapital“ schlüssig dargestellt. Nur irrig ist, diesen Übergangsfall menschlicher Entwicklung so darzustellen, als begänne alle Wirtschaft mit Waren. Das war Hunderttausende Jahre nicht so und wird – vorausgesetzt, die Menschheit übersteht die Presswehen der neuen Gesellschaft – Millionen Jahre nicht mehr so sein. Der zweite „Kreislauf“, der alle Vorgänge über ein abstraktes allgemeines Äquivalent, also das Geld, steuert, verschwindet wie eine abgenutzte Schlangenhaut.

 

Der Grundwiderspruch, der alle menschliche Entwicklung vorantreibt, ist der zwischen den vorhandenen Bedürfnissen und den realen Möglichkeiten, sie zu befriedigen. Er schließt ein, dass aus jedem befriedigten Bedürfnis ein neues, höheres erwächst. So lange in gesellschaftlichem Umfang nur Teile der Menschheit ihre Bedürfnisse befriedigen können, weil das Produktivkraftniveau nicht mehr ermöglicht, liegt zwischen Bedürfnissen und ihrer Befriedigung ein eigenständiger Kreislauf der Warenwirtschaft. Tendenziell wachsen darin die schmarotzenden Elemente, die sich im Nachhinein als überflüssig herausstellen.

Das Kommunismus-Muster Musik – Geist für alle

 

 

Das Breite-Lied

 

 

magst du es nicht das fahne schwenken

das immer in die winde lenken

das gerade passende nur denken

 

dann stell dich doch an meine seite

und du gewinnst wie ich an breite

 

willst du was großes noch erreichen

doch kannst kein fremdes herz erweichen

und deine träume werden leichen

 

dann stell dich doch an meine seite

und du gewinnst wie ich an breite

 

ob wirs zusammen wirklich schaffen

den geist von raffen raffen raffen

ins gestern zu bannen zum begaffen

 

verschlossen ist der zeiten buch

doch komm wir wagen den versuch

 

 

„Sowie nämlich die Arbeit verteilt zu werden anfängt, hat Jeder einen bestimmten ausschließlichen Kreis der Tätigkeit, der ihm aufgedrängt wird, aus dem er nicht heraus kann; er ist Jäger, Fischer oder Hirt oder kritischer Kritiker und muß es bleiben, wenn er nicht die Mittel zum Leben verlieren will – während in der kommunistischen Gesellschaft, wo Jeder nicht einen ausschließlichen Kreis der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden. …“(1)

 

So hat das Marx einmal formuliert, als er ausnahmsweise in mein Science-Fiktion-Fach übergewechselt war. Seine pathetischen Worte „ Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“werden allerdings häufiger benutzt, um den Kommunismus zu kennzeichnen. Sie klingen so allgemein, dass sie heute noch als „hoffentlich zutreffend“ durchgehen können. Allerdings siehst du dabei wahrscheinlich gerade heutige „Bedürfnisse“ vor dir. Und dass jeder alle seine Fähigkeiten in den Dienst der Gesellschaft stellen könnte, ist dir dann zu viel hoch geträumte Fantasie. Das liegt zumindest zum Teil daran, dass die Formulierungen missverständlich sind.

Die Aussage mit den Jägern und Fischern wird von heutigen Marx-Jüngern meist verschämt verschwiegen – und sei es aus Angst, ihren Guru lächerlich zu machen. Das ergibt sich natürlich, wenn man dieses Zitat aus dem Zusammenhang reißt oder wörtlich nimmt. Kein Mensch wird sich heute ernsthaft künftige Kommunisten als Jäger und Fischer vorstellen.

 

Allerdings ist dieser Ausflug der ansonsten ernsthaften Wissenschaftler in die Sphären der Belletristik unter mehreren Gesichtspunkten interessant. In ihm schielt natürlich ein hoher Grad an realer Ahnungslosigkeit durch, welche Kompliziertheit die sachliche Arbeitsteilung im Kommunismus erreicht haben wird. Es ist sozusagen ein Beleg dafür, wie sehr eben auch kluge Köpfe wie Marx und Engels in ihrer Zeit verhaftet waren – Hinweis an uns, unser heutiges Denken wenigstens versuchsweise abzulegen. Aber selbst, wenn wir uns vorzustellen versuchen, wie es in der Zukunft aussehen könnte, fliegt unsere Fantasie natürlich von dem Punkt ab, an dem unsere Gesellschaft gerade ist. Für mich heißt das zum Beispiel, dass ich einen kleinen Schimmer davon habe, was heute bereits mit übers Internet vernetzten Computern technisch alles machbar ist und was absehbar bald möglich sein wird. Ob sich Anderes letzten Endes als wesentlichere Revolution der „Produktivkräfte“ herausstellt, etwas, was noch nicht erfunden oder gefunden ist, darüber spekuliere ich lieber nicht.

 

Zweitens lässt sich natürlich etwas Unbekanntes nur aus dem Vergleich mit Bekanntem erklären. Stell dir vor, es wären Zeitreisen möglich. Nun erkläre eine heute moderne Wohnung mit Fernseher, Computer, Musikanlage, Handy und Ceranfeld den Denkern Marx und Engels im Jahre 1844 – von „normalen“ Arbeitern ihrer Zeit ganz abgesehen .. Aber eigentlich müssten wir uns ja eher mit denen vergleichen! Ich bezweifle, dass wir uns denen wirklich verständlich machen könnten. Wir lieferten nur Gags für eine Witzklamotte.

 

Drittens steckt ein rationaler Kern in dem niedlichen Bild: Dass wir heute froh sind, das arbeiten zu dürfen, was wir gelernt haben, hat doch zweierlei Gründe. Da ist einmal die Sache selbst. Die Masse an Wissen, um ein Computersystem zu programmieren, ist „etwas“ größer als das Knowhow für den Fang eines Fisches. (Obwohl wir die spezifischen Kenntnisse der Vergangenheit nicht unterschätzen sollte.) Es wäre also eine Verschwendung, sich erst eine solche Masse an geistiger Potenz anzueignen, und sie dann nicht einzusetzen, wenn wir nicht die freie Entfaltung unserer Individualität in den Vordergrund stellen dürfen. Marx ging es aber wohl um etwas anderes. Wir sind durch unsere Einbindung in den „gesellschaftlichen Reproduktionsprozess“ gezwungen, „unser Geld zu verdienen“. Wer unsere Arbeitskraft einsetzen will, möchte sicher sein, dass sich das lohnt. Ihm müssen wir beweisen, was wir gelernt haben. So verkümmern wir, weil wir für unser Arbeitsleben „festgelegt“ sind. Manchem sieht man das fast an. Erkennst du nicht viele „Buchhalter“ schon von weitem? Das liegt doch daran, dass sie eben ihr ganzes Leben nichts als Buchhalter gewesen sind. Erfahrungswerte besagen, dass die meisten Menschen nach etwa sieben Jahren gleichartiger Tätigkeit ihr kreatives Potential verloren haben. Aber wer würde sich freiwillig an Neues heranwagen, wenn seine Chancen, dort anerkannt arbeiten zu dürfen, mit jedem weiteren Lebensjahr sinken?

 

Natürlich ist das mit morgens, nachmittags und abends etwas übertrieben. Du riechst dabei den Wunsch als Vater des Gedanken. Aus der bekannten Welt der totalen Disziplinierung jedes Einzelnen für eine feste Rolle brach der Wunsch nach anarchischer Freiheit durch.

Dabei ist das Bild wahrscheinlich trotzdem eine Nuance näher an der Wirklichkeit, als wir uns das heute ausmalen. Die Zahl der „Berufe“, die unsere kommunistisch lebenden Nachfahren erlernt haben werden, wird unterschiedlich groß sein, aber sicher größer eins. Man wird „Synergieeffekte“ feststellen, also dass Ideen zur Verbesserung des einen Fachs besonders von denen kommen, die in einem ganz anderen auch ganz andere Abläufe kennen gelernt haben. Dass also die Menschen im Lebensverlauf nacheinander mehrere Berufe ausüben werden, dürfte schon einen Heutigen nicht sonderlich verwundern.

Technische Grundlagen dafür, dass der einzelne Mensch tatsächlich im Laufe eines Tages mehrere unterschiedliche Tätigkeiten nach seinem Gusto ausführen wird, gibt es aber auch schon. Das ginge nämlich sofort, wenn man sie von Zuhause aus erledigte. Dem stehen heute in erster Linie Sicherheitsbestimmungen entgegen. Es besteht aber wohl kein Zweifel, dass immer mehr Aufgaben über Rechentechnik daheim oder unterwegs erledigt werden könnten und prinzipiell bereits „virtuelle Büros“ möglich sind. Im Kommunismus steht hinter keiner Tätigkeit ein Schaden durch die Konkurrenz. Ein Arbeitender kann also eine Idee für mehrere Zwecke nebeneinander verfolgen, wenn ihm dies Spaß macht. Deshalb muss das nicht der Mehrzahl aller Menschen Spaß machen. Es reicht der Menschheit, wenn es einigen Engagierten Spaß bereitet.

 

Leider gab es zu Marx´ und Engels´ Zeiten auch Erscheinungen, die das Jäger- und Fischer-Bild in engerem Sinn realistisch sein ließen: Schlicht und einfach lebten auf der Erde noch nicht mehrere Milliarden Menschen. Man konnte sozusagen jedem einzelnen Menschen zehnmal mehr Fläche Land fiktiv zuordnen, auf dem er seinen Wünschen hätte nachgehen können, hätten dies die gesellschaftlichen Machtverhältnisse nicht blockiert. Aussagen über die Bevölkerungsentwicklung in 100 und mehr Jahren sind dagegen unseriös. Du darfst Engels ja als Stammvater moderner wissenschaftlicher Ökologie lesen. Aber heißt das auch, dass der der heutige geplagte „Städter“ im Kommunismus beim Angeln einen „Laptop“ neben sich haben wird, um sich beim Fang für die vergnügliche Gruppenfischsuppe nicht zu weit von seiner geliebten Modelloptimierung für ein regionales Verkehrs- und Distributionssystem trennen zu müssen? Vielleicht wirklich bei einigen. Zumindest wäre es voreilig, solche Vorstellung einfach als Unsinn abzutun.

 

Die alles entscheidende Frage ist im Moment, wie WIR uns den „Kommunismus“ vorstellen. Nicht, was irgendein Marx dazu gesagt hat.
Ich sehe als wichtigstes Merkmal allen Lebens unter entfalteten kommunistischen Bedingungen die totale „Diversifizierung“ an. Also es wird keine Regeln ohne so viele Ausnahmen geben, dass eher die Ausnahmen die Regel sind. Schlüsselwort Vielfalt. Die seit Marx vorangeschrittene Entwicklung der „Produktivkräfte“ gibt uns allerdings einige Erscheinungen vor, die es uns Heutigen leichter machen als den frühen „Kommunisten“, uns eine solche Zukunft vorzustellen. Das klarste Bild bietet dabei die Kunst.

Der wichtigste Unterschied zwischen „progressiven“ Weltanschauungen, die in Klassengesellschaften entstehen, und solchen danach ist die Rolle der Bedürfnisse, genauer: wie direkt die Produktion auf sie ausgerichtet ist.

Ein Fortschritt der Geisteswissenschaften unter Klassenbedingungen war der Nachweis, dass die Arbeit die materielle Grundlage aller Gesellschaft ist, und deren Bedingungen sind nun einmal die Verhältnisse in der Produktion. Der Kernpunkt aller Produktionsverhältnisse aber sind die Eigentumsverhältnisse (an den „Produktionsmitteln“). Gerade die verändern sich im Kommunismus aber nicht, weil es sie als gesellschaftliche Verhältnisse gar nicht mehr gibt. In den Fokus tritt dann das, was die Menschen von Anfang an überhaupt erst veranlasst hatte, zu arbeiten: ihre unmittelbaren Bedürfnisse. Vor der Jagd kommt der Hunger beziehungsweise beim Menschen immer stärker das Wissen, dass der Hunger kommen wird.

Unterstellen wir, dass alle elementaren Bedürfnisse, also all jene, durch die wir überhaupt leben, befriedigt sind. Nun geht es nur noch darum, WIE wir leben. Nehmen wir uns jenes Geflecht von Bedürfnissen vor, das wir mit Musik befriedigen. Greifen wir uns vereinfachend den Wunsch nach Wohlbefinden heraus.

Sofern es darum geht, Wohlbefinden durch Musik-Hören näher zu kommen, können wir drei Entwicklungsstufen der „Produktivkräfte“ feststellen. (Wir klammern hier das aktive Musik machen aus. Dass Musik auch Tanzbewegungen begleitet ändert an den Überlegungen nichts.)
In der ersten Stufe war die notwendige Voraussetzung für einen Musikgenuss die körperliche Anwesenheit der Musiker. Jeder einzelne Mensch war jedes Mal neu auf deren direkte „Arbeit“ angewiesen. Keine Musiker – keine Bedürfnisbefriedigung. Die Verhältnisse im Sinne eines „Überbaus“ konnten dabei variieren: Die Musiker verbanden ihr Vergnügen mit dem der Gemeinschaft (Urkommunismus), die Musiker versuchten, ihre Kunstarbeit zu verkaufen (Marktwirtschaft) und nicht Zahlende wurde von der Bedürfnisbefriedigung Musik hören ausgeschlossen (entwickelte Marktwirtschaft). Aber immer galt: Kein Musiker – keine Musik. Die unmittelbare Arbeit an der Bedürfnisbefriedigung war das Wesentliche, obwohl von Anfang an ein gewisses geistiges Eigentum (Beherrschung der Instrumente, Text, Rhythmus und Melodie) notwendig in die Bedürfnisbefriedigung einfloss. Eigentlich auch notwendig ergab sich daraus ein garantierter relativer Mangel, wenn zu jeder Gelegenheit, bei der man hätte Musik hören wollen, auch ein Musikus seine Leistung erbringen musste.

In der zweiten Stufe wurde das Bedürfnisbefriedigungsmittel Musik auf einem materiellen Träger zur Ware. Äußerlich war sogar nur eben dieser Träger, ob der nun Schallplatte, CD oder wie auch immer heißen mochte, die Ware. Es bestand aber weiter ein mathematisch nachweisbarer Zusammenhang zwischen der Arbeit der Musiker und den einzelnen Bedürfnisbefriedigungen, sprich: man konnte die Musizier-Arbeitszeit dem Träger zuordnen. Weitere Arbeiten waren nötig, damit man Musik hören konnte – wieder „zurechenbare“. Allerdings arbeiteten die Musiker nicht mehr dort, wo die Musik gewünscht wurde, und der materielle Träger konnte das Bedürfnis wiederholt befriedigen, ohne neu erworben werden zu müssen. Damit war dieser Bereich der Produktivkräfte anderen bereits objektiv (und z. T. dauerhaft) voraus: Wie auch immer ein Apfel „produziert“ worden sein mag, er kann immer nur (höchstens) einmal gegessen werden. Trotzdem ist der „Wert“ gleichartig zusammengesetzt: geistige und körperliche Arbeit wird über einen materiellen Träger vergegenständlicht dem zahlungsfähigen Kunden zugeführt. Und die Produktion des materiellen Trägers ist von der ursprünglichen Arbeit abgekoppelt: Für die Musiker ist es technisch egal, ob ihre Platte Tausend oder eine Million Male hergestellt und vertrieben wird (nur für ihren Erlös nicht). Wir finden unseren zweiten Robinson-Wirtschaftskreislauf hier zwingend wieder. Musik hören ist eng verknüpft mit der Fähigkeit, den Träger zu bezahlen.

 

Die technische Entwicklung auf dem „Musikmarkt“ hat inzwischen schon die Möglichkeit des Kommunismus erreicht: Natürlich bleibt der Ausgangspunkt aller Bedürfnisbefriedigung, dass irgendwann irgendwo einmal Musiker ihre Arbeit getan, also „Musik gemacht“ haben. Ihr Arbeitsprodukt kann aber so gut wie unbegrenzt von jedem potentiellen Bedürfnis-Haber zur Bedürfnis-Befriedigung benutzt werden. Eine materielle Beschränkung gibt es nicht. Technisch könnte gezählt werden, okay. (Für das Selbstwertgefühl der Musiker ist nicht unerheblich zu wissen, wie oft man sie hören will. Das ersetzte den Geldreichtum.) Die Verwandlung in eine zu bezahlende Arbeit ist aber bereits ein völlig vom Bedürfnis gelöster, ja, ein ihm entgegenstehender materieller Vorgang. Er erwächst (unabhängig davon, dass man ihn mit dem „Urheberrecht“ begründet) praktisch allein aus jener zusätzlichen geringen geistigen und materiellen Arbeit, mit der das Herunterladen von Musikstücken aus den Web verboten, beschränkt und in einen Kaufakt verwandelt wird. Rein technisch reichte ein einziges Hochladen eines einmal „aufgenommenen“ Musikstücks, um weltweit so gut wie ewig jeden Interessenten sein Bedürfnis befriedigen zu lassen. Herunterladen kann der Interessierte allein – so wie er allein zu einem Konzert gehen würde, nur einfacher. Beim Herunterladen führt der „Bedürftige“ die materiellen Tätigkeiten, die zur Befriedigung seines Bedürfnisses erforderlich wären, selbst aus. Rein virtuell teilt er (!) den Umfang der ursprünglich in das Produkt Musik investierten Arbeitszeit, einschließlich der damit verbundenen geistigen Arbeit, neu auf: Vorher entfiel die Gesamtarbeitszeit auf 999 998 Hörvorgänge, nachher auf 999 999. Je mehr Vorgänge umso ehe kann behauptet werden, dass unter kapitalistischen Bedingungen allein die Arbeit bezahlt wird, die zum Bezahlen nötig ist, also Reloadsperren, Buchungsvorgänge usw., die mit dem Bedürfnis nichts zu tun haben. Ließe man sie einfach wegfallen, änderte sich an der Bedürfnisbefriedigung nichts. Ausdrücke wie Raubkopie, Piraterie usw. sind allein Ausdrücke dafür, dass das alles in einer in Geldbegriffen zurückgebliebenen Welt passiert. Da ist es natürlich richtig, dass die fortschrittliche Technik nicht bestraft werden sollte, weil sie eben fortschrittlicher ist als die, wo man das Produkt unbedingt kaufen muss.

 

Bei allen spezifischen Modifizierungen ist damit das Beispiel Musik das Grundmuster kommunistischer Verhältnisse. Oder richtiger: Diese Art der sich selbst verewigenden geistigen Arbeit ist der materielle Boden für das Funktionieren der kommunistischen Gesellschaft. In dieser reinen Form kommt es wahrscheinlich nicht oft vor. Allerdings ist es natürlich eine gewaltige soziale Revolution, wenn weltweit eine einmal entwickelte geistige Leistung überall dort, wo sie benötigt wird, auch verfügbar ist – und das ist natürlich kommunistisch, denn niemand hat einen materiellen Nutzen davon, irgendwo irgendwen von der Nutzung seines geistigen Produkts auszuschließen. Im Gegenteil: Der Ruhm als denkbarer Lohn einer Leistung steigt mit seiner weltweiten Bekanntheit. Der „Lagerplatz“ Internet machte jedes geistige Produkt weltweit zugängig. Ohne einzelnen Träger und die Arbeit ihn als Anbieter zu reproduzieren. Die Bedeutung dessen steigt logisch mit jedem neuen Automatisierungsschritt.

 

Das Problem liegt darin, dass inzwischen Gesamtvorgänge arbeitsteilig so weit in Einzeltätigkeiten aufgespreizt sind. Man sieht zum Schluss nicht mehr, welcher Teilvorgang für das Gesamtergebnis, also die Befriedigung eines echten Bedürfnisses, notwendig ist und welcher es nicht wäre.
Einfach gesagt: Dafür, dass jemand seinen Hunger mit einem Apfel mindert, braucht man keinen Wärter. Solange alle hungrig waren, war es sinnvoll, einen Wärter einzusetzen, damit ein paar Wenige sich Gedanken darüber machen konnten, wie der Hunger generell bekämpft werden kann. Dieser Vorgang verselbständigte sich aber: Diejenigen, die nun keinen Hunger mehr hatten, benutzten ihre Mitmenschen in erster Linie dazu, dass es nur ihnen selbst besser ging. Also brauchten sie mehr Wärter und Kontrolleure der Wärter und Berechner ihres Besitzes und Entwickler neuer Apfelsorten und Registerführer, die das Recht wirtschaftlich Ausgesuchter schützten, die neuen Apfelsorten zu nutzen …

 

Nicht bei allen Vorgängen wirkt das Recht kapitalistischer Marktwirtschaft so unmittelbar menschenfeindlich wie bei Generika. Wenn jemand bestimmte Musik nicht hören kann, stirbt er nicht daran. Wenn aber die relativ hohen Forschungskosten ein „Rechtssystem“ begründen, durch das Medikamente für eine erhebliche Zahl von Menschen Tod bringend unerschwinglich sind, obwohl ihre Produktion selbst relativ billig ist, so ist dieses System nicht nur änderungsbedürftig, Kommunismus könnte hier im unmittelbaren Sinn Leben retten.

 

Es gibt inzwischen eine Unzahl von Tätigkeiten, die für das gute Leben der Allgemeinheit so sinnlos sind wie Downloadsperren oder Kopierschutzprogramme. Wir merken es nicht, weil wir uns an sie gewöhnt haben und für sie bezahlt werden. Da sie mitunter sogar sehr gut bezahlt werden, müssen sie ja wohl notwendig sein. Aber sie sind für die Menschheit als Ganzes kontraproduktiv. Immer mehr Arbeiten bewirken nichts Anderes, als dass ein Ergebnis nur einigen Wenigen zufällt – obwohl sinnvollerweise die, die solche Arbeiten ausführen, in dieser Zeit neue Produkte zum Befriedigen von Bedürfnissen herstellen könnten. Das ist so lange noch kein Grund für Kommunismus, solange sich beim Wegfall aller Kontrolleure und Wächter nur insgesamt der Mangel verbreitete – wenn auch vielleicht etwas gemildert. Sprich: Solange jemand hungern MUSS, kann es keinen Kommunismus geben. Also stellt sich die Frage, an welcher Stelle der Entwicklung der potentielle Reichtum einer menschlichen Gesamtgesellschaft ausreichend groß wäre.

Allen Fortschrittsskeptikern zum Trotz gibt es darauf eine Antwort: In dem Moment, in dem die Masse aller vergegenständlichten Arbeit allein bereits alle menschlichen Grundbedürfnisse zu befriedigen vermag, ist der entfaltete Kommunismus reif. Nicht im Detail, aber im Gesamtdurchschnitt. Primitiv veranschaulicht: Aller „Hunger“ müsste von Maschinen allein gestillt werden können. Wie dies passieren kann, wird von Sachgebiet zu Sachgebiet anders ausfallen. Die Variante Musik hat dabei nur besonders positiven Mustercharakter:

 

Prinzipiell hätte also jeder Mensch irgendwann ein Empfangsgerät angeschafft, das nur noch zu warten und ggf. durch ein tatsächlich verbessertes zu ersetzen wäre. Mit diesem kann er uneingeschränkt alle Musik aus dem Weltnetz herunterladen, die seit der Entwicklung geeigneter Tonträger jemals Menschen mit Vergnügen am Musizieren gemacht haben. Das hindert natürlich niemanden daran, sein Vergnügen in der tatsächlichen Begegnung mit seinem Lieblingsmusiker zu suchen – so, wie es zweifelsfrei ein faszinierendes Erlebnis für die Musiker bleiben wird, live vor Publikum zu spielen.

Auf diesem Gebiet ist für den „Kommunismus“ die technische Voraussetzung gegeben.

Bei vielen anderen Vorgängen stellt sich die Problematik heute noch anders dar. Da ist es für den in betriebswirtschaftlicher Beschränkung denkenden einzelnen Unternehmer sogar „billiger“, sich gegenseitig niederkonkurrierende Arbeiter einzusetzen als automatisierte Strecken zu schaffen. Die setzten ja auch globale Planung des Absatzes voraus. Und für den betriebswirtschaftlich beschränkten Unternehmer ist es eben „sinnvoller“, Waffen für staatliche Abnehmer zu produzieren als echten Massenbedarf befriedigende Großanlagen.

Die Großanlagen sind aber der Eckpfeiler, der neben dem „Handwerksbetrieb“ stehen wird (oder bei anderem Betrachtungswinkel umgekehrt). Die Fortschrittsgläubigkeit der vergangenen Marxisten hatte nur den Mangel, den Trend zu Mehr und Größer mathematisch geradlinig fortschreiben zu wollen. Dass DANEBEN ein ausufernder Bereich von „Kunst“ in weitem Sinne sich entfalten könnte und müsste, wurde nur abstrakt erfasst.
Ich verstehe hierbei unter Kunst nicht die Ausübung einer abschließenden Zahl von „Künsten“, sondern alle Tätigkeiten, bei denen man nicht mehr auseinanderzuhalten kann, was das Entscheidende ist:

Das Vergnügen des Empfängers bei der Befriedigung seines Bedürfnisses,

das Vergnügen des „Künstlers“ im und am Schaffensprozess oder

das Vergnügen des „Künstlers“ am Wissen, dass und wie sein Produkt einem Anderen Vergnügen bereiten wird.
Dass das drei voneinander unterscheidbare Dinge sind, können Künstler aller Zeiten und Gattungen bestätigen. Welches am stärksten zurücktritt, wenn jedes „Vergnügen“ erst durch die Sieblöcher erhofften „allgemeinen Äquivalents“ muss, also wenn nur „Bares“ „Wahres“ ist, können die meisten heutigen Künstler heute schlecht entscheiden. Nur, dass „man“ von Kunst schlecht leben kann.
Auch das ist wiederum hauptsächlich dadurch begründet, dass das eigentliche Bedürfnis bereits technisch zu befriedigen ist: Jeder kultivierte Bürger Europas kann sich Bilder jeden Malers in ihrer Farb-Schönheit an die Wand hängen, um sie geschmackvoll zu schmücken. Das Prädikat der „Echtheit“ ist ein dafür nicht erforderlicher Sonderfall.

 

Die kommunistische Arbeitswelt wird sich demnach wohl zwischen drei Extremen bewegen:

Das eine Extrem habe ich mit der Musikproduktion angedeutet. Der Anteil an „lebendiger Arbeit“, der im fertigen „Produkt“ erkennbar ist, schrumpft immer weiter auf Werte nahe Null. Sehr nahe Null kommt man zum Beispiel durch Automaten / Roboter, die selbst Automaten / Roboter herstellen. Die aktuelle Arbeit wird dort durch früher vergegenständlichte verrichtet. Dies ist übrigens der Bereich, der seine erste Blüte durch weltweite Konversion erleben könnte. Spezialisten hochwertigster Militärtechnik haben normalerweise die „Vorbildung“, um Programme solcher technischen Komplexität zu verstehen und zu erarbeiten. Hier wären sie sinnvoll einsetzbar – zusammen mit erfahrenen Kräften des bisherigen Bereichs. Man muss ja berücksichtigen, dass der Bau solcher Roboter bauenden Roboter eine Investition in die Zukunft bedeutet.

 

Das zweite Extrem ist die Gegenseite, die „Kunst“. Hier wird in erster Linie produziert, weil die „Produktion“ den „Produzierenden“ (und einigen Anderen) einfach Spaß macht. Im Großen und Ganzen ist das eigentliche Bedürfnis auch technisch lösbar: Jeder könnte sich eine Kopie der Mona Lisa ins Wohnzimmer hängen. Der Kunst-Charakter der „Arbeit“ bedeutet, dass Arbeitsaufgaben die Arbeitenden voll vereinnahmen. Marx nannte das Arbeit als „erstes Lebensbedürfnis“. Ich konkretisiere das zur „Freude am Schaffensprozess und am Produkt“ für den Schaffenden. In diese Kategorie fällt auch ein echter Kleingarten. Für die Bekämpfung von Hunger darf weltweit im Kommunismus Kleinfeld-Wirtschaft nicht mehr nötig sein – aber für eine hohe Qualität und Diversifizierung des Angebots. Also jeder muss ohne Handarbeit satt werden, aber mit Handarbeit wird man angenehmer satt. Also auch „Handwerk“ gehörte dazu. Was dabei entsteht ist nicht „überlebenswichtig“ für die Menschheit, hebt aber die Lebensqualität allgemein an und macht eben Freude.

 

Das dritte Extrem sind die direkten Arbeiten am Menschen. Die wird den weitaus größten Anteil aller Weltarbeitszeit ausmachen. Wobei sich auch heute anders geartete Tätigkeiten unter kommunistischen Vorzeichen in solche Arbeiten verwandeln werden. Ich halte den heute schon gebrauchten Ausdruck „Care“-(also Sorge-)Arbeit als zu kurz greifend. Natürlich gibt es Überschneidungen und Verschiebungen zwischen den Extremen. So ist damit zu rechnen, dass die unmittelbare Chirurgie immer mehr rein technische Vorgänge umfassen wird, also dass mehr Operationen durch Roboter übernommen werden (ganz oder teilweise). Das ändert aber nichts daran, dass alle medizinischen Berufe direkte Fürsorge-Arbeiten bleiben beziehungsweise wieder sein dürfen. Mitmenschliche Fürsorge im weitesten Sinn unterscheidet sich also von den anderen dadurch, dass ihr Wesen in der unmittelbaren Kommunikation zwischen Menschen, die ein Bedürfnis haben, und solchen, die es befriedigen, besteht. Ihre Intensivierung steht ihrem Sinn entgegen. Wer zu einem anderen Menschen nett ist, kann nicht dadurch netter sein, dass er schneller nett ist. Insofern können solche Tätigkeiten erst über den Kommunismus aus dem Schattendasein im auf Geldertrag fixierten Leben treten. Für diesen Bereich versagt die marxistische (Mehr-)Werttheorie und es gibt keinen „Doppelcharakter der Waren produzierenden Arbeit“ – es sind also wirklich Tätigkeiten, die ihre ihnen zukommende Wertschätzung erst dann erreichen, wenn es keine „Marktwirtschaft“ mehr gibt.

 

Insgesamt wäre wohl mit dem heute auf der Welt vorhandenen Arbeitskräftepotential, sofern es sinnvoller eingesetzt würde, bereits eine „kommunistische Welt“ erreichbar. Das schlösse aber ein, dass sich kurzfristig der Charakter der Arbeiten veränderte, sie bewusster auf ein vernünftiges Ziel, sei es nun die Verbesserung künftiger Arbeitsbedingungen oder die „Menschlichkeit“ der konkreten Aufgabe ausgerichtet würde. Damit stiege tendenziell das Vergnügen am Arbeiten, insgesamt wäre weniger Arbeit zu leisten und dabei besonders weniger stupide.

 

 

 

 

Nicht alle Arbeit wird Kunst – manche bleibt Pflicht

 

 vom arbeiten

ein jeder dieses leiden kennt
das man im volksmund arbeit nennt
oh es ist qual denn es ist pflicht
und ohne gibts das leben nicht

zumindest für den kleinen mann
der keine bank besitzen kann
womit er täglich zockt wie pest
und lebt als wär die welt sein fest

die arbeit solln ihm andre machen
selbst ein verlust ist nur zum lachen
als banker hat er keine qualen
er lässt die anderen bezahlen

selbst staaten hat er gut geschmiert
mit steuern wird er schnell saniert
gemeinwohl darf er so vergessen
er liebt hein mitmensch nur zum fressen

womit hat alles angefangen?
um arbeit ist es uns gegangen
die wär vielleicht ein großes glück
verblieb uns mehr als nur ein stück

könnt jeder mensch als künstler schaffen
nicht ausgeraubt durch fremdes raffen
die eine kunst heißt programmieren
die andre sei das reparieren

das speisen zaubern
überhaupt
ist jedes tun als kunst erlaubt
die man für alle zelebriert
das wärs wohin mein traum mich führt

soll man solch tun noch arbeit nennen?
´s ist nur weil wir nichts bessres kennen
wir sind halt heut nicht geistig frei
und kriechen durch die barbarei

 

 

 

 

Du, für mich ist der entfaltete Kommunismus eine Welt der tatsächlich maximalen Freiheit jedes einzelnen. Wirklich jedes, verstehst du? Heute gibt es nur juristische Chancengleichheit. Praktisch sind die Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Lebenswege bei der Geburt eines Menschen sofort unterschiedlich verteilt. Also unabhängig von seinen Talenten, meine ich. Teilweise sogar entgegen seinen Talenten. Da kann es sein, dass jemand der für eine leitende Aufgabe eigentlich nicht gut geeignet wäre, mit dem Geld seiner Vorfahren zum Chef gedrillt wird, während einem genialen Menschenführer nur die Karriere als Gangsterboss offen steht.

Es ist mitunter auch ein extrem langer Weg, für sich selbst herauszufinden, was man am liebsten Sinnvolles machen will … und ob man dafür wirklich ausreichend gut geeignet ist. Diese Suche darf nicht nur Millionärskindern vorbehalten bleiben. Dieses Finden ist natürlich Voraussetzung dafür, dass die einzelnen sich auch gern mit ihrem speziellen Vermögen ohne Druck in die Gesellschaft einbringen.

Die Welt des entfalteten Kommunismus wird fast immer für fast jeden einzelnen Menschen einen sinnvollen Lebensplatz zu bieten haben, bei dem der Nutzen für die Gemeinschaft mit dem für sein individuelles Wohlbefinden in Einklang gebracht werden kann. Davon bin ich überzeugt. Das wird allmählich der Regelfall werden. Was ist aber mit den Fällen, in denen das nicht gelingt? Es ist natürlich schwierig, ein System von den Sonderfällen her zu beleuchten, aber letztlich nötig. Der ganze heutige Staatsapparat scheint ja darauf ausgerichtet, sich mit (potentiellen) Sonderfällen auseinanderzusetzen, um jedem einzureden, er sein ein Sonderfall, der an seinem eigenen Schicksal schuld. Die Masse der Bürger dieses Landes würde sich zu Äußerungen hinreißen lassen wie „Wegen mir brauchte es keine Polizei zu geben. Aber vor den paar Verbrechern möchte ich schon geschützt werden.“

Die Sache hat mindestens zwei Seiten: Zuerst einmal den Charakter der Arbeiten selbst. Die zweite ist die natürliche Individualität, sprich: Unterschiedlichkeit der Menschen. So wie in der Natur eben testweise weiße Hasen geboren werden, obwohl die Umwelt normalerweise nicht ihr Überleben ermöglicht, müssen sie geboren werden, damit die Hasen überleben, wenn die Umwelt gegen dunkle wäre, fallen auch Menschen aus dem Rahmen. Als Materialist beginne ich logischerweise bei den Arbeiten, deren Charakter erkannt und beeinflusst werden kann.

 

Der Haupttrend zum und im Kommunismus wird das Schrumpfen der Masse an „Arbeit“ sein, der wir heute ausgeliefert gegenüberstehen. Solche eben, über die wir uns nur deshalb freuen, weil wir überhaupt welche haben, schließlich müssen wir ja von irgendetwas leben. Dieses Verhältnis fällt weg. Der Anteil der Arbeiten, die „man“ machen wird, weil „man“ genau die jeweilige konkrete Aufgabe lösen möchte, nimmt dabei und dadurch zu.

In der Welt wird es aber trotzdem immer notwendige unangenehme Arbeiten geben. Sagen wir als tatsächliches Beispiel, dass hilflosen Menschen der vollgeschissene Arsch geputzt werden muss (nicht nur im übertragenen Sinn). Es verändern sich allerdings die Arbeiten, die als solche empfunden werden. (Man denke an „Hausarbeit“.)

 

Unangenehme Arbeiten wird man gesellschaftlich bekämpfen, soweit dies möglich ist. Ständig neu wird man sich die Frage stellen, durch welchen Fortschritt, durch welche Erfindung welche unangenehmen Tätigkeiten eingespart werden können. Im konkreten Fall hieße das also, alle Bemühungen immer wieder neu auf das Kernziel eines lange erfüllten Lebens auszurichten. Kampf den Krankheiten und den mit dem Alter verbundenen Verfallsprozessen. Forschung nach technischen Hilfen. Das lässt sich auch verallgemeinern: Immer wieder neu wird Menschen bewusst werden, dass einige notwendige Arbeiten ihre Würde verletzen. Die meisten von ihnen werden früher oder später durch technische Systeme gelöst – um den Preis, dass dahinter die nächsten auftauchen. Und manches geht ja auch nicht. Wann wird ein Androide den Arsch seines menschlichen Gebieters putzen? Und liegt eine Inkontinenz vor, kann man ja nicht warten, bis die Krankheit als solche besiegt wäre … Manchmal dauern solche Lösungen viele hundert Jahre.

 

Es kommt also eine zweite „Lösungsebene“ hinzu: Prinzipielle Freude an der gesamten Arbeitsaufgabe lässt uns auch einzelne „unappetitliche“ Teil-Arbeiten mit Freude, zumindest aber leichter erledigen. Oder sagen wir es so: Es bereitet Befriedigung, sich selbst als sinnvoll zu erkennen. Auch wenn es nicht jedermanns Sache ist, hat es etwas für sich, abrechnen zu können „Patient sauber, fühlt sich wohl!“. Alle die, die schon die Dankbarkeit von Hilfebedürftigen empfangen durften, wissen um diesen Wert. (Wobei das Problem der Würde im konkreten Fall eher auf Seiten dessen liegt, der wie ein hilfloses Baby gepflegt werden muss.) Dem Auskosten dieser „Belohnung“ steht heutzutage in erster Linie der Zeitdruck entgegen. Es ist im bezahlten Pflegeberuf nicht vorgesehen. Auch bei anderen Berufen gibt es vom Inhalt her „unangenehme“ notwendige Tätigkeiten, die „attraktiv(er)“ würden, erkannte man sie angemessen an. Dabei könnte (!) heute schon ein Schreibtisch-“Arbeiter“ anerkennen, dass er zu mancher „Drecksarbeit“ gar nicht fähig wäre, er sich also über Menschen freuen sollte, die solche Arbeiten verrichten. (Er sieht aber nur, dass umgekehrt die seine Arbeiten nicht packen.) Was spricht dagegen, dass es einmal für einen solchen Zweck bei heute ganz abwegig erscheinenden Berufsgruppen Versionen von „Restauranttestern“ geben könnte? Das setzt natürlich immer voraus, dass jedes Ergebnis auf einen „Verantwortlichen“ zurückgeführt werden kann. Außer natürlich, dass das eine Art der „Kontrolle“ wäre – die muss auch abgelehnt werden können.

 

In beiden Fällen liegt ein „innerer Zwang“ zur Arbeit vor. Die Einzelnen erkennen aus freien Stücken die Notwendigkeit bestimmter Arbeiten und übernehmen bewusst Verantwortung für deren Erledigung. Die Zahlenbewegungen auf den Konten werden ersetzt durch die überwiegende Befriedigung, wertvoll und nützlich zu sein. Du kannst dir leicht vorstellen, dass das unter anderem einen ganz anderen Typ von Chefs erfordert.

Trotzdem wird immer ein Rest bleiben, der gelöst werden muss, für den sich aber gerade niemand findet. Sei es nun wegen der Orte, an denen das Problem gelöst werden muss oder weil sich für bestimmte Aufgaben insgesamt zu wenige Menschen begeistern lassen.

Was spricht in solchen Fällen gegen ein allgemeines Findungs- und Bewährungsjahr?

 

Zum normalen, frei harmonisierten Arbeitswahlprozess tritt also ergänzend ein stärker restriktives System hinzu. Je nach Notwendigkeit kann dies wie eine „allgemeine Wehrpflicht“ oder wie ein „freiwilliges soziales Jahr (FSJ)“ funktionieren. Für beide Systeme gibt es Argumente.

Ich könnte mir das so vorstellen:

 

In einem weltweit vernetzten lückenlosen Datensystem werden alle nicht abgesicherten Arbeitsaufgaben öffentlich ausgeschrieben. Da es keine privaten Beschränkungen gibt, kann lückenlos jede Aufgabe in EINEM System erfasst werden. Ein Großteil wird zwar mittelfristig vorgeplant. Diese Planung darf aber nicht starr sein. Es muss also immer mit punktuellen Lücken gerechnet werden. Nun kann man entscheiden, wie die konkrete Lücke zu schließen ist. Das Prinzip FSJ hieße hier, dass sich die freiwillig zu Verpflichtenden im Windhundverfahren das für sie „Angemessenste“ heraussuchen. Das Wehrdienstprinzip dagegen wäre absolut lückenlos und schlösse für den Dienstzeitraum die Verweigerung einer Tätigkeit ohne schwer wiegenden Grund aus.

Das Prinzip FSJ hätte natürlich eine größere Attraktivität und wäre sozusagen die vorletzte Möglichkeit. Denn auch im Kommunismus wird es „Modeberufe“ geben, bei denen Ablehnungen von Interessenten unvermeidlich sind. Die bewiesene Bereitschaft, gesellschaftlich Notwendiges über die eigene Individualität zu stellen, wäre ein sinnvolles Auswahlkriterium unter vielen anderen – und das auch, obwohl sich die Kandidaten ihre gesellschaftliche Notwendigkeit hatten selbst aussuchen können. Andererseits … wenn man weiß, dass ein solches „freiwilliges Pflichtjahr“ Voraussetzung für nachfolgende Freiheiten ist, regt das Aktivitäten an, sich unter potentiell Unangenehmem das persönlich Angenehmste herauszusuchen. Du darfst nicht vergessen, das es auch im Kommunismus eine Art „Status“ geben wird. Dauerhafte Nichtstuer werden sehr wahrscheinlich weniger gut angesehen als Piloten oder Forscher … so als Beispiel.

 

In Runde eins wird also jede „freie Stelle“ (welt)offen ausgeschrieben – unabhängig davon, ob es sich um eine „freie Stelle“ in Sinne heutiger Berufstätigkeit handelt, oder ob um eine zu lösende „Aufgabe“, ein fertigzustellendes Projekt. Welche Auswahlkriterien es zur Besetzung geben wird und ob überhaupt, wird von Aufgabe zu Aufgabe verschieden sein. Man denke sich alle Grenzen weg außer der unterschiedlichen fachlichen Kompetenz. Da es unter entwickelten kommunistischen Bedingungen auch keine Sprachbarrieren geben wird, (schließlich gibt es außer regionalen auch eine Weltsprache) kann weltweit nach geeigneten Fachkräften gesucht werden – mit größerer Wahrscheinlichkeit, welche zu finden.

Sollte etwas auf diese Weise nicht gleich gelöst werden, so kann es durch Runde zwei überbrückt werden – und zwar kurzfristig. Schon die FSJ-Windhunde wissen um ihren „Springer-Charakter“, dass sie unter Umständen nur eine vorübergehende Verantwortung übernehmen. Mit anderen Worten: Die Aufgabe als solche bleibt ausgeschrieben für Bestqualifizierte und Interessierte – was natürlich den „Zwangsfreiwilligen“ kein Hinderungsgrund ist, sich eventuell dauerhaft um ihren Platz zu bemühen.

 

Sollte aber wider Erwarten auch nach dieser Runde immer noch eine Aufgabe unerledigt bleiben, bliebe das (wie militärisch durchzusetzende) Pflichtjahr.

Es widerspricht kommunistischer Logik, Menschen „zu ihrem Glück zwingen“ zu wollen. Es würde also niemand als „asozial“ verfolgt, wenn er zeitlebens im Wesentlichen keiner geregelten Arbeit nachginge. Solcherart Zwang führt im Allgemeinen zu einer allgemeinen Senkung der Arbeitseinstellung, da Widerwillen stark ansteckend wirkt. Es widerspricht aber kommunistischer Logik ebenfalls, wenn Notwendiges einfach liegen bliebe. So klein dieser Sektor auch sein mag, er erfordert ein Sicherungsnetz für die Gemeinschaft. Auf keinen Fall möchte ich hier für eine wie auch immer umschriebene Arbeitspflicht auftreten. Aber es geht ja kommunistisch um die Vielfalt der Möglichkeiten. Dazu gehört, dass die Gemeinschaft potentiellen „Bedrohungen“ begegnen kann. Es ist also sinnvoll, die Möglichkeit einer „Einberufung“ zur Spezialarbeit (für ein paar Monate) ebenso zu fixieren wie die Verurteilung zur Resozialisisierungstätigkeit (als Ersatz für einen „Strafvollzug“).

 

Damit wäre ich beim Problemkreis Zwang, Gewalt, Notwendigkeit und Freiheit.

Wenn du Freiheit definierst, alles tun zu können, was dir gerade in den Sinn kommt, dann wäre dies ein „Begriff“, der nur heute und nur für Menschen mit einem unangemessenen Überschuss an „allgemeinem Äquivalent“ umsetzbar ist und dessen Umsetzung für einen vernünftigen Menschen nicht wünschenswert wäre, da er egoistische Rücksichtslosigkeit erfordert. (Was ich mir nehme, muss ich anderen wegnehmen.) Wenn man sagte, Freiheit wäre (nur) „Einsicht in die Notwendigkeit“, so klingt darin wiederum zu viel Unterwerfung mit.

Natürlich ist richtig, dass wahrer Freiheit durch Wissen begründete Einsicht vorausgehen muss. Insofern ist es ein Begriff der Vernunft. Und natürlich geht es um ein der selbst erzielten Einsicht angemessenes Verhalten.

 

Nehmen wir ein primitives Beispiel: Stellen wir uns vor, dass es eigentlich zur Freiheit jedes Menschen gehörte, in seinem Leben einmal Urlaub auf den Malediven gemacht zu haben. Im „Realsozialismus“ vergangener Prägung verhinderte staatliche Gewalt einen solchen Ausflug allgemein, da es sich um kein „Bruderland“ handelte. Im Realkapitalismus verhindern mehrere Ebenen für die meisten Menschen der Erde diese Freiheit praktisch auch:

Ein Teil müssen sich diese Freude versagen, weil er sie gar nicht kennt, nichts von ihr weiß. Der Hutu-Kindersoldat war zwar räumlich der Inselgruppe etwas näher als „wir“, der Hauptinhalt dessen, was er lernen musste, beschränkte sich aber auf das schlichte Überleben.

Eine ähnlich wesentliche Zahl von Menschen muss erwägen, wozu sie das wenige „allgemeine Äquivalent“, das ihnen ihre Arbeit eingebracht hat, zuerst einsetzen sollte. Sie hat dann die „Freiheit“, sich zu entscheiden … sagen wir für oder gegen die bessere Schulbildung der Kinder, damit die es vielleicht „einmal besser haben werden“. Das sind die, die dann im Medienbild ihre Zeit totsaufen.

Bis zum Erwägen objektiver Notwendigkeiten, also bis zur Einsicht in solche, dringt heutzutage kaum ein Mensch vor. Nun stell dir aber vor, die sieben Milliarden Menschen dieser Erde wollten wirklich alle einmal Malediven-Urlaub machen! Um es vorsichtig zu formulieren: Die Malediven wären einfach nicht mehr die Malediven, die wir meinen.

Es ist also ein höchst komplizierter, komplexer Prozess, den wir verstehen und dem entsprechend wir handeln können. Sozusagen einen bewussten Verzicht einschließend.

 

Zu der persönlichen Ebene kommt nun noch, dass der einzelne Bürger Mitverantwortung übernimmt: Besuchte niemand diese Malediven, wäre ihre Schönheit wertlos. Es sollten also doch ein paar Menschen dort ein paar angenehme Tage verbringen. Ein kleines Wörtchen mitreden sollte aber JEDER, dass wir in dem Umfang in den Naturgenuss kommen, wie dies wünschenswert ist. Eigentlich wären die TECHNISCHEN Voraussetzungen für eine solche Mit-Entscheidung heute so gut wie noch nie zuvor. Es geht ja nicht darum, dass jeder alles wirklich tut, sondern, dass er real die Entscheidungsmöglichkeit nutzen KANN.

Also „frei“ ist, wer vernünftig handelt, weil er vernünftig handeln kann.

 

Und natürlich gibt es auch im Kommunismus verschiedene „Gewalten“. Staatsgewalt nicht, weil es ja keine „Staaten“ gibt. Aber es gibt eben zuerst einmal Zwänge der Notwendigkeiten.

Die wichtigste Gewalt ist die Notwendigkeit dazuzugehören.

Nun stirbt mit dem Verschwinden eines „allgemeinen Äquivalents“ die sich verselbständigende Kriminalität ab. Es gibt einfach nichts mehr zu gewinnen durch einen Raubüberfall. Man kann ja keine Millionen Dollar auf die Malediven mitnehmen, mit denen man sich dort etwas Anderes leisten könnte als jeder x-beliebige andere Mensch. Die Achtung in einer schaffenden Gemeinschaft dagegen ist nur dadurch zu erzielen, dass man entweder selbst etwas schafft oder Andere zum erfolgreicheren Schaffen anregt. Wer nirgendwo dazugehört, ausschließlich chillt, ist sozusagen tot.

Womit ich bei einer „technischen Frage“ bin, die eigentlich keine ist:

Ich habe bisher bewusst den Ausdruck „Geld“ vermieden und von „allgemeinem Äquivalent“ gesprochen. Die beiden Ausdrücke zu unterscheiden ist nämlich notwendige Voraussetzung, um verstehen zu können, inwieweit „das Geld“ verschwindet. Meines Erachtens verschwindet es mit Sicherheit nur in eben dieser Eigenschaft, wirklich als „allgemeines Äquivalent“ anerkannt werden zu müssen, also als ein gesellschaftliches Verhältnis.

Heute steht eine bestimmte Geldeinheit auf der einen Seite für eine bestimmte vollbrachte und gesellschaftlich anerkannte Arbeitszeit – unabhängig, wer sie womit vollbracht hat – und auf der anderen Seite für eine bestimmte Menge beliebiger Produkte, die Waren. Sicher wird im Kommunismus niemand sich beliebige Produkte (vor allem fremde menschliche Arbeitskraft) aneignen können, weil sein Urahn einmal eine gesellschaftlich anerkannte Tat vollbracht hatte. Das heißt aber nicht, dass es nicht gesellschaftliche Mechanismen geben wird, mit denen Mangel geregelt werden muss und wird.

 

Das Bild der Malediven soll das veranschaulichen: Bestimmte Dinge wird es objektiv auch im Kommunismus nicht im Überfluss geben KÖNNEN. Inzwischen ist glücklicherweise die Notwendigkeit entfallen, eine oder mehrere Behörden zu installieren, um solche beschränkt vorhandenen Güter zu verteilen – und damit Macht auszuüben.

Was heute möglich ist, ist bereits wesentlich feinsinniger, mit unseren überkommenen Begriffen könnten wir sagen: Eine viel umfassendere „Demokratie“ bietet sich als Lösung an.

 

Ein bedingungsloses und ersatzloses Verschwinden des Geldes wäre aus meinem heutigen Verständnis heraus nicht wünschenswert. An seine Stelle sollten Systeme treten, die eine möglichst „gerechte“ Verteilung von objektiven Mangelgütern ermöglichen. (Achtung: Nur von diesen!) Gerecht heißt in diesem Fall, dass möglichst viele Mitglieder der Gesellschaft bei der Entscheidungsfindung mitwirken und sie mittragen.

Der wichtigste Unterschied zu dem, was wir heute als „Geld“ gewöhnt sind, ist dabei die Individualisierung. Während es für jedes Geld gleichgültig ist, in wessen Besitz es sich befindet, würde die kommunistische „Vergütung“ strikt personengebunden gewährt. Die einzelne Person kann Leistungen „kaufen“, aber auch „verschenken“ – allerdings nicht vererben oder mit ihnen spekulieren.

Wichtig ist auch, dass diese „Vergütung“ Ausnahme bleibt. Heute hat (fast) alles einen Preis. Kommunistisch (fast) nichts. Sinnvoll ist es aber, wenn sich jeder um alle insgesamt begrenzt verfügbaren „Güter“ bewerben kann. Man kann Menschen ja auch mit einer Belohnung bestrafen, wenn sie diese gar nicht wünschen.

Aber vorschlagen? Technisch könnte heute schon jeder „würdige Menschen“ im Internet vorschlagen, die es seiner Meinung nach verdient haben, eben beispielsweise ihren Urlaub auf den echten Malediven zu verbringen. Und das könnte öffentlich diskutiert werden. Warum nicht?!

 

Wie großzügig die künftige Gesellschaft sein wird oder ob sich Buchhaltungs-Nerds ihre Träume von ausgeklügelten Systemen erfüllen werden … wer mag das heute zu sagen. Aber wahrscheinlich ist, dass es auch Ehrentitel geben könnte. Die werden durch verschiedene Arten von Leistung erworben. Wie unterschiedlich gewichtete Titel zu Zeiten des „Feudalismus“. Warum soll das nicht eine Renaissance erleben? Nur ohne den Unsinn der Erblichkeit? Also Titel, die neben dem „Doktor“ oder „Professor“, aber über dem dem heutigen untersten akademischen Grad stehen?

Oder „Punkte“ für Leistungen, die in Vergünstigungen umgewandelt werden können? Oder man arbeitet mit etwas, was mit heutigen Rängen in der Armee vergleichbar ist?

Dies sind nur Überlegungen, was alles wie Geld wirken könnte, ohne welches zu sein. Und etwas Anderes kann auch sein, was wirklich Anerkennung findet, also welche äußere Anerkennung in den Augen der Masse der Beteiligten mehr ist als die Befriedigung persönlicher Eitelkeit. Zur Individualität gehört aber auch, dass der, der seine Eitelkeit pflegen möchte, dies genauso darf, wie der, dem äußere Würden suspekt sind, sie von sich weisen kann.

 

Beides berührt nicht das Hauptproblem der Jetztzeit: dass sich „Geld“ potentiell in „Kapital“ verwandelt, den Keim in sich trägt, andere für sich arbeiten zu lassen.

Dazu sollte man bedenken, dass die Möglichkeiten für Konferenzschaltungen immer weiter ausreifen. Es können also permanent Prüfungen und Verteidigungen von Leistungen (und Titeln) stattfinden, ohne dass die daran Beteiligten körperlich anwesend sein müssen. Was hindert künftige Menschen, sich jeweils für einen bestimmten Sachbereich und eine bestimmte Ebene in einen Prüfer-/Beraterpool berufen zu lassen? Ein zugeschalteter Zufallsgenerator könnte subjektive Beeinflussungen minimieren. All dies erfolgt jeweils innerhalb von Kreisen, die dies so wünschen (so wie es andere Kreise geben wird, die es nicht wünschen).

In extrem dialektischer Sicht könnte eine Welt von Zünften und Gilden „aufgehoben“ sein. Schließlich wäre es der Normalfall, dass man sein Tätigkeitsfenster im Laufe des Lebens verändert anstatt auf einem einmal erworbenen Fach-„Meister“-Titel zu kleben und kaum eine Lösung, die sich in einem Bereich bewährt hat, ist auch für andere genauso gut.

 

Zur Erinnerung: Es geht um Freiheit auf der einen und die Erledigung aller notwendigen Arbeiten auf der anderen Seite, unabhängig davon, ob die jemand liebt. Das Hauptinstrument, heute diese Fragen praktisch zu lösen, ist das Geld, über das die meisten Menschen unzureichend verfügen. Wer wie frei ist,erscheint als Ergebnis seines Besitzes. Kommunistischer Besitz ist eine Persönlichkeit kennzeichnendes und schmückendes Äußeres. Insofern werden Mittel, Initiativen Einzelner öffentlich anzuerkennen, unterschiedliche Formen haben, so wie die Mittel, abzusichern, dass alle gemeinschaftlichen Aufgaben auch wirklich gelöst werden.

 

Oh … keine Waren, aber Plan

 

Die Hu und die Fu

 

in zwei welten
lichtjahre fern
lebten die hu
und lebten die fu
und hatten sich gern

 

der hu wie der fu

waren je drei

vier nahrhafte gan

hatten beide dabei

 

die hu teilten jedem eine gan zu

die übrige pflanzten sie

und sie wuchs bald in ruh

doch wieder trug sie der früchte vier

die waren nicht teilbar dort wie hier

so aßen und pflanzten die hu je zwei

und siehe

nun hatte ein jeder drei

 

die fu aber

töteten erst ihren schwachen

und hatten gleich zwei gan

zum fettlebe machen

 

die knochen der fu

verwehen im wind

weil neue gan

nie gewachsen sind

 

und kommen wir einst im hugarten an

so speisen wir sparsam

die gästegan

 

 

Ist dir das noch zu weit weg vom Leben?

Wollen wir lieber gedanklich ein paar Bereiche des praktischen „gesellschaftlichen“ Lebens durchspielen? Und komm mir nicht wieder mit der Versorgung im Einzelhandel. Das hängt mir zum Hals raus: Dort der Mangel und dort die vollen Schaufenster. Aber okay, wer die DDR erlebt hat, weiß, dass dort selbst mit Wartezeiten auf einen neuen PKW schwarz gehandelt wurde, der Preis für gebrauchte teilweise weit über dem für Neuwagen lag (weil er eben den Wartezeitbonus enthielt) und dass außerhalb der Hauptstadt der Erwerb vieler relativ „normaler“ Lebensmittel ein Glücksfall war.

Wer derlei Verhältnisse mit einer heute produzierten „Brille“ betrachtet, kann daraus den Schluss ziehen, die „Marktwirtschaft“ sei einer „planwirtschaftlichen“ überlegen. Zumindest kann ich das in diesem Bereich nicht so leicht zu widerlegen wie beispielsweise bei der medizinischer Versorgung, wo das Streben nach „Maximalprofit“, ja „Wirtschaftlichkeit“ überhaupt, dem eigentlichen Versorgungszweck „Gesundheit“ direkt entgegensteht, das Ziel, (höchste) Gewinne zu machen, das Ziel, alle Menschen bestmöglich gesund zu machen, ausschließt – und umgekehrt.

 

Ich habe dich ja schon darauf hingewiesen: Der entfaltete Kommunismus wird eine Gesellschaft aus lauter „Ausnahmen“, Sonderfällen usw. sein. Er wird sich also jeder administrativen Pauschalierung entziehen. Da wird es also sowohl Erscheinungen geben, die wie Relikte, als auch solche, die wie Neuschöpfungen marktähnlicher Regelungen aussehen werden. Das kann aber nicht heißen, dass ein so grundsätzlicher Bereich wie die Versorgung mit den Dingen, die man zum Leben braucht, vorkommunistisch bleiben wird. Wir müssen nur vorher betrachten, WARUM manches zu DDR-Zeiten nicht funktionierte und nicht funktionieren konnte. Das erklärt dann hoffentlich, warum sich das in einer „neuen DDR“ und danach nicht wiederholen wird.

 

Das erste Problem war wohl ein grundsätzliches Missverständnis vom Wirken des Wertgesetzes. In Sonntagsreden wurde viel von dessen „objektiven“ Charakter theoretisiert. Praktisch waren oft dieselben „Theoretiker“ der Meinung, die Marktgesetze durch administrative Maßnahmen außer Kraft setzen zu können, ja sie sogar außer Kraft gesetzt zu HABEN, weil sie – wie falsch – nur im Kapitalismus gelten würden. Nun war das, was in „sozialistischen“ Schaufenstern ausgepreist herumlag, genauso „Ware“ wie das beim bösen Kapitalisten im Land nebenan. Der Preis der einzelnen Ware konnte per Gesetz – eben administrativ – festgesetzt werden, so wie dies politisch wünschenswert schien. Damit war das Wertgesetz, also die tendenziell sich reproduzierende Formel, dass die Summe aller Preise der Summe aller Werte entspricht, aber immer noch da. Und die Werte entstehen eben dadurch, dass in jeder Ware eine gesellschaftlich anerkannte Arbeitszeit „eingefangen“ ist. Ist also ein Preis in diesem Sinne niedriger, müssten in der Gesamtgesellschaft andere Waren in gleichem Umfang mit einem höheren Preis als Wert verkauft werden. Nicht im einzelnen Produkt, aber in einer Volkswirtschaft entscheidet dann die Arbeitsproduktivität über die Summe der Preise. Und da müssen sich einzelne Missverhältnisse – auch gewollte – am Ende wieder ausgleichen. Das ist nicht gelungen. Das konnte nicht gelingen, da das Wertgesetz der Nährboden ist, auf dem Krisen wachsen – prinzipiell auch im Sozialismus, wenn auch dort mit anderen Auswirkungen und Verläufen, und eine planmäßige Anpassung politisch gewollter Preise an das Marktgesetz ist eben ein enormer technischer Aufwand.

 

Wir wollen aber zu einem funktionierenden kommunistischen System kommen. Dafür benötigen wir praktische Voraussetzungen, die wichtiger sind.

Eine habe ich bereits aus anderen Zusammenhängen hergeleitet: Die Entwicklung zum Kommunismus kann erst beginnen (!), wenn keine Systemkonkurrenz mehr besteht. Das liegt nicht daran, dass kapitalistisch besser versorgt werden kann. Es kann einer nachhaltigen Wirtschaft nicht darum gehen, etwas so zu produzieren, dass es gekauft wird, weil es „glitzert“ und ggf. bald schon erneuert wird, es darf doch nur produziert werden, was vorhandene Bedürfnisse befriedigenden Gebrauchswert besitzt bzw. Bedürfnisse, die zu entwickeln wünschenswert ist. (Okay, das Staunen vor schön gestalteten Schaufenstern kann zu einen „Gebrauchswert“ für sich werden.)

Nun basieren Kapitalismus und Sozialismus aber beide auf Mangel. Wir vergessen nämlich meist, dass die extreme Armut eines Teils der Menschheit notwendige Voraussetzung für den relativen „Wohlstand“ derer im Rampenlicht der Konsumzentren ist, sofern wir selbst in diesem Rampenlicht stehen.

 

Der Übergang vom „Sozialismus“ zum Kommunismus hat noch einmal etwas extrem Revolutionäres. Heute kann ich ihn mir auf zwei einander ergänzenden Wegen vorstellen. Es ist noch gar nicht lange her, da wäre ich Marx gefolgt und hätte produzierten Überfluss als die alleinige Voraussetzung angesehen. Wenn eben die „Springquellen“ ausreichend sprudeln, haben wir die bessere Welt. Haben wir aber nicht. Dieser „Weg“ hat nämlich zwei Haken: Zum einen hieße das Vergeudung von Ressourcen. Die junge Sowjetmacht ist daran kläglich gescheitert. Selbstverständlich konnte sie bereits so viel Brot produzieren, dass alle Bürger genug davon gehabt hätten. Doch die Leute „produzierten“ eine sich selbst verwirklichende Prophezeiung: Befangen im Denken der eben nicht toten alten Gesellschaft erwarteten sie das baldige Ende des Experiments, hamsterten … und erreichten so, dass der Bedarf nicht gedeckt werden konnte. (Gut, es gab wesentlich mehr Gründe.) Auch heute griffe die Psyche der Marktgesellschaft ins Geschehen ein. Gäbe es die Autos in Deutschland – wo daran eigentlich ein Überangebot herrscht – umsonst, stellte sich eben jeder einen Reservewagen neben seine angestrebte Nobelkarosse, was letztlich einen Mangel schüfe. Wobei wohl der echte Mangel dann in Parkplätzen bestünde. Es müsste also ein massives Überangebot erreicht werden, damit sich die Verhältnisse wieder normalisierten. Im Fall der Autos entstände dann als neue „Störung“ für die Allgemeinheit, dass zu viele im Umlauf wären, die also z. B. „alles zuparkten“. Daraus entstände ein „Problemlösungsdruck“.Wenn aber Lebensmittel u.ä. Produkte gehortet würden, so reproduzierten sich immer neue Mangelsituationen, von Gütern, die bis dahin noch nicht gehortet worden waren. Allein über die Produktion ist das Problem also nicht zu lösen. Die Erwartung, dass etwas schief geht, nimmt ein Verhalten vorweg, wie wenn es schief ginge, wodurch es dann wirklich schief geht. Wenn man ein Schaufenster in andere Richtung im Westen zum Vergleich hat, muss das auch deshalb schief gehen.

 

Wichtiger als Denkanstoß ist aber ein prinzipieller Vergleich von Mechanismen, die den Kapitalismus dem Sozialismus gegenüber überlegen macht … und umgekehrt.

Ein Grundbegriff Marxschen ökonomischen Denkens ist der des „Doppelcharakters“. Also alle Ware hat zugleich einen abstrakten Wert und einen konkreten Gebrauchswert, ist Ergebnis konkreter Arbeit, die zugleich über (gewertete) Arbeitszeit abstrakte Arbeit ist usw. Für Marx war kaum des Betonens wert, dass jede „Ware“ einen „Gebrauchswert“ haben MUSS – sonst würde sie ja nicht gekauft und somit gesellschaftlich anerkannt.

Prinzipiell ist dies richtig und bis auf die Ebene des Wertgesetzes hinauf kann es so gesehen werden. Aber der Teufel liegt im Detail. Jeder Gebrauchswert ist nämlich konkret und schert sich als solcher einen Dreck um den abstrakten Wert der Ware.

Im Kapitalismus – und mit dem hat sich Marx ja beschäftigt – ist das gesellschaftlich gleichgültig. Man kann entweder zahlen oder nicht. Nur das zählt. Die Elemente der Warenwirtschaft, bei denen dies kompliziert werden kann, werden „ausgelagert“. An sich ist es dabei gleichgültig, ob diese „Auslagerung“ privatwirtschaftlich geregelt wird – also zur „Selbstausbeutung“ eines „selbständigen“ Kleinen führt – oder vergesellschaftet, also durch den Staat finanziert wird. Beim ökonomischen Auftreten des Staates sind nur seine zwei Finanzierungsschienen wichtig: einmal die Beteiligung an allen Einkommen über Steuern, dann aber auch über Kreditaufnahme beim Kapital. Die Kreditaufnahme aber bewirkt letztlich, dass künftige Steuereinnahmen jeweils heutig zum Profit des Finanzkapitals werden.

Die Besonderheit, dass der konkrete Gebrauchswert nur insoweit Anerkennung findet, insoweit er ein abstraktes „allgemeines Äquivalent“ im Wert findet, ist dem Sozialismus aber vom Wesen her fremd. Wenig profitable Zonen sind genauso vergesellschaftet wie die Gewinn bringenden. Man möchte also auch den mit „Gesundheit“ versorgen, der dies in keiner Weise bezahlen kann. Es werden Bedürfnisse an Gebrauchswerten befriedigt, ohne dass dies ein Markt erlaubte, sprich: diese potentiellen Werte werden dem prinzipiell vorhandenen Markt entzogen. Er „hungert“.

Andererseits können Waren, die kein individuelles Bedürfnis befriedigen, aber ein klassenherrschaftliches gesellschaftliches (also zum Beispiel die Rüstungsindustrie), nicht als Profitquelle eingesetzt werden. Der sozialistische Staat als Gemeinschaftseigentum bezahlt im Gegenteil die Rüstung mit dem dann fehlenden Wert der Waren, die ansonsten individuelle Bedürfnisse befriedigt hätten. Der kapitalistische Staat bezahlt den privaten Produzenten mit dem vorweggenommenen Gewinn seiner durch die Waffen erzielten potentiellen Macht einschließlich künftiger Steuern.

Das bedeutet, dass eine sozialistische Wirtschaft im unmittelbaren Vergleich mit einer kapitalistischen eine überlegene Arbeitsproduktivität haben müsste, um mit jener überhaupt gleichzuziehen – obwohl sie ihre Eigentümer-Produzenten nicht zur Erhöhung der Arbeitsintensität zwingen möchte, während dem Kapitalisten die Erhöhung der Arbeitsintensität ans „zumutbare Limit“ normal ist.

 

Wie kann dann eine solche Wirtschaft überhaupt „überleben“?

Erst einmal müsste ich eine „idealistische“ Antwort geben: Die Menschen müssen aufgeklärt werden. Es muss ihnen verständlich gemacht werden, dass andere Werte im Vordergrund stehen – im festen Wissen, dass wer das eine will, vom anderen nicht gleich viel haben kann. Er muss aus eigener Kraft alle Grundlagen dafür schaffen. Also genau das Gegenteil von der Honecker-Strategie, heute schon zu verbrauchen, was „wir“ morgen nicht mehr schaffen können.

Ein sehr schwerer Weg, Ob er in Kuba – unter extremsten Bedingungen – funktioniert, wird die Zukunft zeigen. Zumindest wurde dort nicht versäumt, die Bürger darauf hinzuweisen, dass eine Revolution im Gange ist … für Jahrzehnte.

 

Um sich die längerfristige Antwort vorstellen zu können, muss man neue Möglichkeiten weiterdenken. Da es zu DDR-Zeiten keinen neuen PKW „frei“ zu kaufen gab, war es nicht nur sinnvoll, sondern nahe liegend, dass „man“ einen bestellte. Aus mehreren Gründen war es aber umgekehrt nicht möglich und sinnvoll, dem Umfang der Bestellungen entsprechend die Produktion zu steigern. Also „produzierte“ man verlängerte Wartelisten. Genau dort aber hätte Planung angesetzt. Eine Warteliste ist an sich nichts Schlechtes, solange sie nicht ausufert. Sie bekäme eine ganz neue Rolle, sobald sie den Zugriff auf einen Welt-Reserven-Pool steuerte beziehungsweise überhaupt erst einmal Grundlage für eine „bedarfsgerechte“ Produktion würde. Technisch ist das heute bereits vorstellbar.

 

Stell dir im Internet ein gigantisches virtuelles „Kauf“-Haus vor. Du kannst dir ja prinzipiell deine Lebensumstände so einrichten, dass sie deinen Wunschvorstellungen nahe kommen. Letztlich ist alles nur noch ein Problem der Distribution. Wie kommen Wunschprodukte und Nutzer real zusammen. Zwar gibt es Typen, die nichts wegschmeißen können. Sollte die Gesellschaft an „Kranken“ scheitern? Ich hatte es schon angedeutet: Manche Problemlage „kippt“ an bestimmten Punkten. Individuelle Beförderungsgeräte braucht man nur in bestimmtem Umfang … Sie werden zum Störenden, wenn man übertreibt. Der Viertwagen vorm Haus bringt Ärger mit der Gesellschaft in Form des Nachbarn. Die übervolle Kühltruhe wird einfach lästig, wenn Lebensmittel verderben. Dann musst du die Fehlkalkulation entsorgen. Je unkomplizierter du aber Ersatz aus den gesellschaftlichen Depots entnehmen beziehungsweise in solche zurückzutauschen kannst, umso häufiger machst du das auch. Würde die neue Bestellung angeliefert, würden die Restbestände abgeholt.

Ich kann es nicht oft genug wiederholen: Es wird nicht DIE Methode geben. Aber warum nicht ein Versandsystem und Orte, an denen man optimale Kontakte zwischen Produktion und Verbrauch reguliert? Prinzipiell hieße das, dass man keinen der heute bekannten Vertriebswege ganz einsparte. Es würde innerhalb der vielen nur die Bedeutung des Internets steigen. Tauschbörsen. Aber daneben auch „Kauf“-Häuser, in denen man Kleidungsstücke am Körper testen kann. Eben die Erfassung über ein technisches System (über eines!) schränkt die heute normale Verschwendung von Ressourcen ein – bei Planbarkeit und bei unbeschränktem Zugang aller Weltbürger zum System – auch für die, die heute „Kulis“ sind.

 

Weil dies immer wieder neu auftaucht, ein paar Worte zum Begriff „Planwirtschaft“. Stell mir bloß nicht „Marktwirtschaft“ und „Planwirtschaft“ als Pole entgegen! Das, was mit Blick auf den „Ostblock“ heute „Planwirtschaft“ genannt wird, ist wirklich treffender „Kommando-Wirtschaft“ zu nennen, selbst, wenn dies abwertender klingt, als es eigentlich gemeint ist. Zu Zeiten des „Realsozialismus“ des 20. Jahrhunderts war eine echte Planwirtschaft weltweit noch gar nicht möglich. Die grundsätzlichen Beziehungen regelte auch da „der Markt“ mit seinen ökonomischen Gesetzen. Objektiv, also unabhängig vom einzelnen Wollen. Sich gelegentlich andeutende Elemente von solidarischem Miteinander, die es auch gab, waren letztlich bremsende Kostenfaktoren.

 

In heutigen „Marktwirtschaften“ gibt es dagegen diverse Eingriffe in den Markt mit unterschiedlicher Wirksamkeit. Jeder Konzern versucht sich nicht nur in strategischer und operativer Planung, er versucht diese Pläne selbstverständlich auch nach innen direkt und nach außen indirekt durchzusetzen. Nach innen administrativ und mit Druck und nach außen über Rahmenbedingungen, die Institutionen von der Art eines IWF wirtschaftliche Rahmenbedingungen so gestalten, dass bestimmtes Handeln mehr, anderes weniger lukrativ erscheint, wodurch eine gewünschte Wirtschaftsentwicklung gefördert und teilweise erreicht wird. Dass jede „Werbeindustrie“ auch ein Mittel einer pervertierten „Planwirtschaft“ ist, in dem sie Bedürfnisse produziert, sei hier vernachlässigt. Jeder sieht, dass es weiter Krisen gibt. Jeder hat aber bisher auch gesehen, dass trotz gigantischen Zusammenbruchspotentials der totale Zusammenbruch immer wieder verhindert, die klassische Konjunkturkurve abgeflacht werden konnte. Solcherart Planung entspricht dem heutigen Niveau der Produktionsverhältnisse und es war eine Anpassung an Realitäten, dass frühsozialistische Ökonomen so etwas für ihr System einforderten – also Marktmechanismen bewusster einzusetzen.

 

Das aber, was im letzten Jahrhundert „Planwirtschaft“ genannt wurde, war positive Science Fiction. Das Dumme ist nur, dass es heute als Maßstab für die Bewertung einer wunderbaren Sache herangezogen wird.

 

Echte Planwirtschaft geht von kybernetischen Systemen aus. Technisch waren bis etwa 1990 nur geschlossene Systeme berechenbar. Das heißt, es waren gewaltsam Bedingungen durchzusetzen, um eine festgesetzte Einzelgröße zu gewährleisten. Die frühe sowjetische Raumfahrt bewies, dass dabei sogar in solchen Einzelbereichen Erfolge erzielt werden konnten, die sich ihrem Wesen nach besonders stark einer Planung entzogen: Also in innovationsintensiver Wirtschaft. Die russische Militärtechnik zehrt heute hat noch vom sowjetischen Forschungsniveau. Aber es ist natürlich keine Planung, zu befehlen, wir müssen x Kräfte auf y konzentrieren … und die anderen müssen sich auch anstrengen. Oder Zahlensysteme zu konstruieren nach dem Prinzip „was wäre, wenn …“

Ich sage nicht, dass das nicht sinnvoll gewesen wäre. Ich sage nur, dass es keine Planwirtschaft war und sein konnte. Dazu kommt, dass ein planbares geschlossenes System einfach nicht existierte. Das hätte Autarkie bedeutet. Also alle Rohstoffe und Produkte hätten innerhalb des eigenen Einflussbereichs gewonnen, verarbeitet und verbraucht werden müssen – ohne jeden Einfluss des „Weltmarkts“. Das war besonders absurd für die DDR, die 1945 fest in eine Gesamtwirtschaft mit industriellen Zentren im Westen eingebunden war. Gab es im Ostraum auch Chemie-Verarbeitung, so doch wenig Maschinenbau und vor allem Stahlwerke. Eine moderne Wirtschaft ist globalisiert. Wirtschaftselemente ergänzen sich. Jeder macht das, wozu er die besten Voraussetzungen hat – wodurch er von Anderen abhängig wird. Selbst wenn diese „Anderen“ die sowjetischen Freunde mit ihren Bodenschätzen sind. Planung wird umso absurder, je mehr man von jemandem beziehungsweise etwas abhängig ist, was man nicht planen, nicht beeinflussen kann. Genauer: sie kann dann sogar gezielt gestört werden (und wurde auch gezielt gestört).

 

Ein echtes Planungssystem ist eine Vernetzung von geschlossenen Mikro(plan)systemen. Sie erschöpft sich nicht in selektiver Kennziffererfüllung – die natürlich immer etwas willkürlich ist – sondern strebt die Optimierung des Ganzen an.

Ein eigentlich allgemein anerkannter Bereich, in dem man sich heutzutage echte Planung wünschen müsste, ist die globale Klimaentwicklung. An ihr sieht man auch die Komplexität des Problems: Man ist inzwischen in der Lage, immer genauere Modelle zu entwickeln, die Voraussagen über die Veränderungen ermöglichen, denen wir entgegengehen. Nur zeigen sich dann die Grenzen der Produktionsverhältnisse: Zig Vertreter von zig Teilsystemen (Staaten, Unternehmen, Wissenschaftler usw.) hören einander unterschiedlich interessiert zu, sind im Prinzip einig, „dass etwas getan werden muss“ …, aber sabotieren alles, was die eigene Konkurrenzkraft beeinträchtigen könnte.

 

Planung schließt also ein, dass für alle Beteiligten der gemeinsame Nutzen nicht zum Schaden des Einzelnen wird. In einer Marktwirtschaft – und mag die auch Sozialismus heißen – ist dies aber nicht zu verhindern. Dort könnte „Optimierung“ nur mit einem pauschalen „Schadensausgleich“ verbunden sein. Worauf sollte der bei so komplexen Problemen wie beispielsweise dem Klimawandel aber beruhen, wenn beim „normalen“ / „natürlichen“ Ablauf gerade die Regionen der Welt die größten Schäden tragen müssen, die am wenigsten zur Zerstörung der bisherigen Umweltbedingungen beitrugen, und zugleich die armen Regionen sind, denen es deshalb am schwersten fällt zu reagieren?

 

Okay. Ein uneingeschränkt geschlossenes System zum Planen wird es nie geben. Aber es wäre heute bereits möglich, ein arbeitsfähiges Weltsystem in Betrieb zu nehmen. Das erfasste die wesentlichsten Teileffekte. Mit jedem neuen Durchlauf kann es verbessert werden. Vor allem könnte mit jedem neuen „Durchlauf“ die rein ökonomische Bewertung immer mehr hinter einer ökologischen im engen und weiten Sinn zurücktreten. Anders ausgedrückt: Im Moment stellte sich die Hauptfrage, wie das Lebensniveau der Menschen in den zurückgebliebenen Weltregionen an das der hoch entwickelten herangeführt werden kann, ohne die Lebensbedingungen auf der Erde als Ganzes zu verschlechtern. Dies tritt dann immer mehr zurück hinter die Frage, wie die Lebenswelt Erde insgesamt lebenswerter für alle wird.

Das schließt unter Umständen die Einschränkung von Warenströmen ein, also die Frage, was für die Welt zentralisiert geschaffen werden und was wo einen regional geschlossenen Kreislauf bilden sollte. Diese Frage kann aber erst unvoreingenommen beantwortet werden, wenn nicht mehr gefragt wird, was das den Einzelnen bringt.

Ich kann mir Massen von Begeisterten vorstellen, die rein aus Hobbytreiberei vor Computermonitoren säßen, um Beispielsysteme auszuprobieren. Optimierung bedeutet ja immer, den Gewinn an einer Kennziffer mit dem Schaden bei anderen zu vergleichen.

Noch einmal unterstrichen: Echte Planungssysteme bedürfen des Potentials vernetzter Weltrechentechnik und -kommunikation. Sie sind seit wenigen Jahren technisch real vorstellbar, werden aber durch die gesellschaftlichen Verhältnisse blockiert … eingeschlossen in eine solche „Blockade“ ist auch das Nachdenken darüber. Dass sich Linke dem unterwerfen, sollte uns zu denken geben …

 

Man muss die marxistische Theorie konsequent zu Ende denken. So verwirrt ihre aus der Entstehungszeit bedingte Fixierung auf dem Begriff der „Arbeiterklasse“. Hierbei spielen modern zwei Gesichtspunkte eine eigene Rolle. Zum einen ist diese „Klasse“ eine „Weltklasse“. Veränderungen in einigen hochentwickelten Industriestaaten dürfen nicht den Blick darauf verstellen, dass es weltweit enormes „Nachholepotential“ gibt, wo noch „klassische“ Arbeiterklasse aufblühen muss. Erst dann stellt sich die Frage, inwieweit sich die Tätigkeitsstruktur von nicht zur Kapitalistenklasse Gehörenden ändert, ohne dass diese Menschen ihre Zugehörigkeit zur „Arbeiterklasse“ verlieren. Wir können die Kerngruppen bestimmen, die für die konsequente Änderung der kapitalistischen Eigentums- und Machtverhältnisse am ehesten prädestiniert sind. Das kann bedeuten, dass der Weltfortschritt von Werktätigen in „Schwellenländern“ vorangetrieben werden muss, will man nicht eine Katastrophe vom Ausmaß vergangener Weltkriege als Bedingung eine erfolgreichen (Welt-)Revolution ansehen. In ihr könnten dann die Herrschenden der Welt nicht mehr weitermachen wie bisher und die Beherrschten auf der Welt übernähmen die Ressourcen, die sich bereits entwickelt haben (soweit sie bis dahin nicht wieder zerstört oder unbrauchbar wurden).

 

Im Moment aber entstehen gerade Teilsysteme, die dem auf makabre Weise entgegenstehen: Die Überschwemmungen kommen „woanders“ und gegen die potentiellen Millionen (Milliarden) Menschen auf der Flucht werden Abschottungssysteme entwickelt. Sie müssten schon eine der Völkerwanderung ins Römische Reich vergleichbare Dimension bekommen. Durch Menschen gemachte Tsunamis an Stelle der Hunnen lassen die Entwurzelten einen Krieg der Leiber führen.

Das hieße aber, dass über Jahrhunderte der Welt-Lebensstandard schrumpfte.

Wir müssen uns das vor Augen führen: Heute können wir alles vorhersehen und die Bedingungen für ein anderes Entwicklungsszenario schaffen. Es muss nicht so kommen. Doch nur, weil die Voraussicht von Denkern des gesellschaftlichen Fortschritts etwas zu optimistisch die große Revolution beschworen, übergeben wir unseren Erben ein Chaos. Lieber akzeptieren wir, dass in die Länder, die zu unseren Partnern entwickelt werden könnten, Krieg zur Zerstörung von Potenzen gebracht wird. Und die Potenzen des Internets lassen wir zu Weltspionagenetzen verkommen.

Man bedenke, dass ein Planungssystem „nur“ ständig weiterentwickelt werden müsste, also, einmal aufgebaut, bereits seine Wirkung erzielte, während wir von Not getrieben jeweils nur an die schlimmsten Ecken des chaotischen Systems greifen … und gleich darauf vor dem nächsten Problem des Systems stehen.

 

Aber welcher Bereich ist der erste?

Eigentlich eine einfache Frage, die nur aus deutscher Sicht schwierig scheint: Vor allem Anderen stehen die Elementarbedürfnisse Trinken, Essen, Fortpflanzen, „Wohnen“. Wir sollten immer im Hinterkopf behalten: Der Übergang zum Kommunismus, nein, die Übergänge zum Kommunismus beseitigen als erstes eine unterschiedlich große Masse an Arbeitszeitverschwendung. Das ist das größte Problem für die hoch entwickelten Staaten. Nein, wieder falsch: Auch hier verteilt sich das Problem ungleich: Besonders Deutschland, also das deutsche Kapital als „Exportweltmeister“ versteht die „Restwelt“ praktisch als Absatzzone der eigenen Produkte.

Nehmen wir dies als Vorteil: Um einen inneren Produktkreislauf auf vorhandenem Niveau aufrechtzuerhalten, besteht hier das größte Potential an sofort verkürzbarer Arbeitszeit. In der Ausdrucksweise der Marxisten hieße das, bei uns wird heute am stärksten ausgebeutet, da der deutsche Durchschnittsarbeiter die wenigste Zeit tatsächlich arbeiten müsste, um seinen relativ (im Vergleich zu den Arbeitern in unterentwickelten Staaten) hohen Lebensstandard zu erhalten. Im Sinne internationaler „Solidarität“ sollte die Arbeitszeitverkürzung nicht übertrieben werden, damit besonders effektive Lösungen schnell in die Welt exportiert werden könnten.

 

Ich sprach von Übergängen. Wir müssen ja berücksichtigen, dass in der Zeit, in der die Welt noch nicht überwiegend bis vollständig sozialistisch ist, die technisch fortgeschrittensten Staaten „den Ton angeben“. Dies könnte zum Beispiel eine „Allianz“ Deutschlands, Chinas mit den neuen Revolutionen sein. Dabei sollten „wir“ uns allerdings bereits daran gewöhnen, dass „Niedriglohnländer“ keine „Konkurrenz“ darstellen und kommunistisch gedacht die Auslagerung von Produktion in alle Welt keine Bedrohung ist. Es ist nur schwer zu begreifen, weil so viele Faktoren sich gegenseitig beeinflussen. Mittelfristig wäre es sinnvoll, in wesentlichem Umfang entweder Fachkräfte ins Ausland zu schicken oder (für „uns“ effektiver) Massen – und das meine ich wirklich so – an zukünftigen Fachkräften für ihre Tätigkeiten bei uns auszubilden. Selbst wenn sich unsere Lösungen nicht unbedingt 1 : 1 zum Beispiel auf tropische Bedingungen übertragen lassen.

Allerdings brauchen wir im weitesten Sinne „Verkehrsverhältnisse“ als durch Dienstleistungen und Information erweiterte Produktionsverhältnisse, die ein Denken im Sinne „Aller“ fördern. Wir müssen erreichen, dass es durch die anzugehenden Aufgaben nirgendwo Menschen schlechter, sondern schrittweise allen besser geht. Wir machen uns aber überhaupt keine Gedanken darüber, wie „Massenversorgung“ mit „Würde“ verbunden werden kann. In einer Startrunde ist es beispielsweise sinnvoll, „Massen-Futter-Werke“ vor Ort zur Hungerbeseitigung zu errichten, die die einheimischen Landwirtschaften ergänzen. Woher kommt wo wie viel Wasser. In welcher Qualität?

Damit die Menschen gesundes Wasser trinken können, ohne in neue Abhängigkeiten zu geraten.

Teilweise können sie kooperativ versorgt werden. Zum Beispiel, indem „neue Städte“ gebaut werden. Blockieren wir unser Arbeitskräftepotential eben teilweise für die Errichtung von Wohnhäusern an Stelle von militärischem Export. Die dann dort einziehen, müssen etwas Sinnvolles zu tun bekommen. Nur ein Teil von ihnen würde in Massenfutterwerken benötigt. Ohne die herrschte aber Hunger. Dabei müsste aber trotzdem die traditionelle (Land-)Wirtschaft erhalten bleiben. Die Dimensionen dabei müssen geplant werden. Es müsste der Arbeitsaufwand für „Südfrüchte“ und Vergleichbares in den Industrieländern preislich höher bewertet werden. Ich denke da an den Kommunismus als Endergebnis, in dem jede Tätigkeit gleich bewertet wird.

 

Noch einmal zurück: Man kann davon ausgehen, dass im Kommunismus jeder „Bürger“ (mindestens) einen „Computer mit Internetanschluss“ (wie immer das dann heißen mag) haben wird. Da der „Versandhandel“ kein eigenständiges Geschäft sein wird, gibt es keinen Grund, warum sich nicht jeder Bürger in eine Art „Angebotsportal“ einloggen sollte. Dort kann er seine Auswahl treffen an Gütern, die er für sich allein verbrauchen und solche, die er zeitlich beschränkt nutzen möchte. Er kann dort auch auswählen, ob er diese Güter nach Hause geschickt bekommen möchte oder an eine Sammelstelle (einen „Supermarkt“), an der er sie abholen müsste. Ja, da dies alles ein durchgehend vernetztes System sein kann, kann er auch zwischen sofort lieferbaren und noch zu produzierenden Gütern wählen. Diese Vorbestellungen sind dann künftige Produktionsgrundlage. Selbst Entwurfsvorschläge sind denkbar.

 

Natürlich muss es Unterschiede geben zwischen „landwirtschaftlichen Produkten“ mit kurzen Verfallsdaten und Textilien oder Haushaltstechnik im weitesten Sinn. Das Beschriebene bezieht sich logisch auf Güter ohne kurze Verfallsfristen. Technisch aber wäre so etwas heute bereits machbar, stößt aber stets an die Schranke, dass jede Kette ihre eigene Produktreihe verkaufen muss. Ein technisches Konzept für eine optimale Gesamtlogistik zu erarbeiten erfordert natürlich erst einmal eine nicht unerhebliche Vorarbeit. Sie bringt aber letztlich gegenüber dem „Marktsystem“ Gewinne. Schließlich wäre es ein Vorzug, zu Hause vorauszuwählen, was dann „im Laden“ anprobiert wird.

 

Sicher bedarf es „politischen Modedesigner-Geschicks“, Benutztes als „chic“ zu kreieren. Aber man bedenke: Wer heute das Teuerste und Modernste als Besitz vorführt, demonstriert zuerst einmal, dass er es sich leisten kann. Dieses Symbol für „Ich bin ein Leitwolf“ fällt weg. Prinzipiell kann sich ja so gut wie jeder alles „leisten“. Dadurch gewinnt ein verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen einen neuen Stellenwert. Man „zeigt“ sich eben als einer der Positiven, wenn man die Arbeit anderer schätzt. Du musst ja nicht gleich als Clochard herumlaufen. Aber ein Verschwender zu sein, bringt öffentliche Minuspunkte.

 

Überhaupt löst logisch eine zweckorientierte Logistik den bisherigen „Handel“ ab – einschließlich Rücklauf. Selbst bei Lebensmitteln. Hier gibt es Konzepte für haltbar gemachte Produkte – und weitere Bemühungen darum, dass diese noch mehr werden. Wenn dann technisch schnelle Lösungen dazukommen, wie „Frisches“, sofern es nicht „frisch“ verbraucht werden kann, sofort in haltbare Formen umgearbeitet wird, wird das Ganze langsam rund. Es gibt ja keine „Tafel“-Kundschaft und Preissenkungsmöglichkeiten mehr. Testprogramme werden bereits im „Sozialismus“ laufen. Dort muss bereits der Überschuss genauer kalkuliert werden, der dann beispielsweise ökologisches Viehfutter wird.

 

Bei all dem kann man eventuell die enorme Differenz zum erreichbaren Niveau im vergangenen Realsozialismus ermessen. Um dort überhaupt Bestände zu erfassen, hätten schon Unmengen an Lochkarten hergestellt werden müssen. Unmittelbar Interessierte gab es kaum. Der Verzicht auf echten privaten Markt wirkte fast tödlich für ein optimale Versorgung.

 

Was aber hat ein Kleingärtner vom kommunistischen „Markt“? Erst einmal wächst der Sonderfall „Selbstversorgung“ mit Spezialitäten (wobei „Selbstversorgung“ eben auch die frischen Brombeeren für die besten Freunde einschließt). Dazu kommt das „Flair“ von Basaren. Man „handelt“ Produkte, indem man sich lobend über sie unterhält und darüber wiederum mit anderen Menschen ins Gespräch kommt. Weil es Spaß macht. Man beachte: Das macht nur einer begrenzten Zahl von Leuten Spaß, aber auf die kommt es an. Der Austausch von Freuden. „Hast du noch mehr davon?“ Andererseits kann aber auch über das Internet bestellt werden, wer von wem seinen Apfelbaum abgeerntet bekommen möchte. Und wieder ist das Ergebnis eine angenehme Bekanntschaft (anderenfalls würde man ja den Kontakt zum anderen sofort abbrechen). Ein lockeres Gespräch erfüllt unter Umständen die Funktion einer „Währung“, ein persönliches Anlächeln, Kontakt eben. Eines ist ja ausgeschlossen: Betrug. Niemand ist in der Lage, einem Anderen eine minderwertige „Ware“ gegen ein „allgemeines Äquivalent“ auszutauschen. Man kann nur das aktuelle Lächeln bekommen, das man haben will. Wie lange der Übergang dauern wird, ist aus heutiger Sicht nicht einschätzbar. Wenn wir von der Unmöglichkeit ausgehen, ignorieren wir aber alle die, die heute bereits gegen den allgemeinen Warenmarkttrend Menschen etwas aus Freude am Erfreuen anbieten. Um wie viel breiter muss dieser Trend werden, wenn nur so belohnt werden kann …

 

Darf ich zusammenfassen?

Ein grundsätzlich höheres Niveau der Versorgung der Erdbewohner ihren Bedürfnissen entsprechend setzt ein qualitativ hochwertiges Planungssystem voraus. Die Zeit hierfür ist heute bereits überreif, weil wir Menschen fleißig dabei sind, alle irdischen Ressourcen zu verbrauchen. Die technische Seite, ein vernetztes System von hochkapazitiver Rechentechnik ist seit Ende des letzten Jahrhunderts gegeben, wir haben nur noch die rechtliche Seite zu klären, also dass unterschiedliche Eigentümerinteresse einer gemeinschaftlichen Planung nicht mehr entgegenstehen.

Auf zur Beförderung …

Diesmal

 

 

Hinter der Tür

wartet der Weg

über die Straße und

ich sehe ihn voraus,

meinen Sterbflug

durch die Luft

nach dem Aufprall

und was ich nun

nie zu Ende führen werde.

 

Ich öffne die Tür.

Auf dem Weg

über die Straße

lauert endlich

die Entschuldigung,

nichts zu Ende

zu bringen.

Nehmen wir uns etwas Anderes vor, sagen wir, des Deutschen liebstes Kind, das Auto.

Ich möchte hier nicht meine SF-Fantasie ausufern lassen. Niemand kann im Einzelnen voraussagen, wie das Verkehrssystem der kommunistischen Zukunft aussehen wird. Sicher werden über die künftigen „Straßen“ keine heutigen Personenkraftwagen fahren. Es gibt aber keinen Grund, unseren Nachfahren nicht zuzubilligen, das die etwas „Auto“ nennen könnten, also etwas, was individuell ist und selbst fährt (oder fliegt). Hier läge dann wahrscheinlich der erste Unterschied: Diese „Autos“ wären wahrscheinlich wirklich welche: Sie führen also selbst.

 

Zwangsweise keine Möglichkeit zu haben, persönlich das „Steuer in die Hand zu nehmen“ oder „Gas zu geben“ widerspräche dem kommunistischen Prinzip, aber ich denke, im Normalfall gibt man dann das Ziel an und der „Rest“ würde von einem „Fahrroboter“ erledigt, der mit Systemen zur Fahrstrecken-Optimierung genauso ausgestattet sein wird wie mit welchen zur Unfall-Vermeidung. Dies entspräche dem Kernziel der Gesellschaft, das Wohlbefinden aller seiner Mitglieder zu erhalten. Über eventuell notwendige Schutzmaßnahmen gegen groben (jugendlichen?) Unfug lasse ich mich hier nicht aus. Auch nicht, ob die „Straßen“ eventuell irgendwann in der Luft liegen könnten. Beispielsweise.

 

Die Planung solcher Systeme und ihre Einführung ist „marktwirtschaftlich“ eigentlich nicht zu bewältigen – auch heute nicht. Auf jeden Fall führte sie dann zu langfristigen Schäden für die Menschheit. Die Entscheidung, wo welche „Anbindung“ geschaffen wird, ist mit so großen Startinvestitionen verbunden, dass diese durch die Gesellschaft getragen werden müssen (heute über Steuern) und verschiedenste Gruppen verführen, auf solche Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Das hängt auch damit zusammen, dass Modellrechnungen, die die gesamtgesellschaftlich günstigste Variante ermitteln sollen, schwer überschaubar sind. Man kann als Beispiel eben nicht nur vergleichen, dass ein fahrendes Elektroauto weniger Abgase ausstößt als ein fahrender Diesel. Man müsste die Vorstufen, also die Aufwendungen und Schädigungen, bevor Strom aus der „Zapfsäule“ kommt, einbeziehen. Kaum eine dieser Einzeleinflüsse interessiert sich für das Gemeinwohl.

 

Bleiben wir beim „Auto“-Verkehr. Heute unterscheiden wir streng zwischen „Individual-Verkehr“ und öffentlichem. Bei dieser Unterscheidung wäre im Sinne der menschlichen Gemeinschaft der öffentliche Verkehr vorzuziehen. Es wäre günstiger für „die Umwelt“ im engsten und weiteren Sinn, wenn in Berlin die S- und U-Bahnen in kürzeren Takten und unentgeltlich führen. Man könnte sich entschieden angenehmer durch die Innenstadt bewegen – übrigens auch die, die im Moment in ihren Wagen steigen. Aber wohlgemerkt: Das wären Maßnahmen des Sozialismus, die relativ schnell erste Entlastungen brächten.

 

Kommunistisch wäre dies noch nicht. Schon allein der Versuch, Lösungsansätze, die in Berlin, München, Hamburg usw. funktionierten, auf die „restlichen“ Städte zu übertragen, raubte ihnen ihre Vorzüge. Eine Pauschalantwort ist immer mangelhaft. Und es wäre eben auch nicht kommunistisch, die Besitzer geliebter fahrbarer Untersätze „zu ihrem Glück in der Gemeinschaft zu zwingen“.

Die Gesamtentwicklung enthält aber glücklicherweise Elemente, die uns erlauben, positiv zu spekulieren. Es ist durchaus vorstellbar, dass die Weiterentwicklung der Kommunikationstechnik einen Großteil des Berufsverkehrs und viele Dienstreise unnötig macht, dass Konferenzschaltungen an Videophonen das Zusammentreffen der Personen in einem Raum fast vollständig simulieren. Auch eine sinnvollere Standort-Logistik veränderte den Umfang der Warentransporte. Also ähnlich wie bei der menschenfreundlichen Gestaltung der Arbeitswelt beginnen die Überlegungen zum Verkehr der Zukunft damit, den notwendigen Gesamtaufwand zu vermindern.

 

Einschneidender wirkte sich unter kommunistischen Vorzeichen aber die Aufhebung des Unterschieds zwischen individuellem und öffentlichem Verkehr aus. Im Moment wird der Individualverkehr gepusht, weil die Firmen der Autoindustrie Umsatz machen wollen und müssen – und sei es dadurch, dass möglichst schnell die eine Baureihe durch die nächste ersetzt wird.

 

Nun stell dir ein relativ perfektioniertes Verkehrsleitsystem vor, in dem die „Autos“ von Automaten gefahren werden. Das Ergebnis wären halböffentliche Taxen. Sie ständen ihren „Besitzern“ zur Verfügung, und zwar nicht nur einem sondern jedem im Wechsel mit anderen. Warum soll man nicht vor Verlassen der Wohnung den Wunsch, nach xy zu kommen, „eingeben“ und draußen taucht ein Automat als „Chauffeur“ auf? Das braucht doch Freaks nicht daran zu hindern, ihren speziellen Lieblingswagen zu hüten und nur den zu nutzen. Aber für die Masse der Bürger ist auch heute das Auto ein zweckdienlicher Nutzgegenstand. Denen wäre lieber, sie könnten ein „Taxi“ nehmen und hätten zum Beispiel nie Probleme mit Werkstätten oder technischer Überprüfung. Das Verkehrsleitsystem schlösse ein, dass die „Taxistände“ bedarfsnah lägen – also so wie bei heutigen Taxen an Bahnhöfen morgens in Wohnnähe usw. Solche parkraumfreundlichen „Taxen“ könnten sogar allmählich eingeführt werden.

 

Wenn im optimierten System der Einsatz von S- oder U-Bahnen günstiger bleibt, wäre eine Kombination möglich oder den Beförderungsbedürftigen wird diese öffentlichere Beförderung vorgeschlagen. Warum müssen in Ballungsräumen überhaupt Kleintransporte fahren? Es muss nur immer darauf geachtet werden, dass jede Verabsolutierung ohne Ausnahmen in Einzelfällen „ungerecht“ und demzufolge nicht „kommunistisch“ wäre.

 

Sich einen eigenen PKW anzuschaffen, um einmal in Urlaub zu fahren, ist eigentlich absurd. Wer sollte etwas dagegen haben, eine große Reise nur anzumelden und auch hier steht der „Chauffeur“ pünktlich vor der Tür?

 

Das sind alles Systemlösungen, bei denen der Aufwand, sie funktionierend zu betreiben, bereits heute vertretbar wäre – der Aufwand, sie aufzubauen, jedoch nicht. (Und natürlich ist das Ziel des Ganzen, die Menge der Verkehrsmaschinen insgesamt zu reduzieren, „wirtschaftsfeindlich“.)

Nun stelle ich aber immer wieder neu die naive Frage: Wie viele hoch komplizierte Raketensysteme werden heute gebaut, die technisch veraltet umgehend durch neuere ersetzt werden? Wie viel unwiederbringliches menschliches Potential verschlingen die nutzlos? Ein einzelner Flugzeugträger zählt nach Milliarden. Ein hier angerissenes Verkehrssystem optimierte ganz nebenbei die Kraftstoffversorgung. Im Gegensatz zu Flugzeugträgern und Vergleichbarem sinken gesellschaftliche Aufwendungen, sobald das (zugegebenermaßen aufwändige) Verkehrssystem arbeitet.

 

Und der „Fortschritt“ verschärft doch weltweit die Probleme nur weiter. Wann sehen die Autofahrer ein, dass ihr Leben ohne Parkprobleme einfacher wäre? Falsche Frage! Richtige Frage: Wann wäre das Leben von „Autofahrern“ einfacher?

All das hier Angedeutete bedarf keiner totalen technischen Revolution. Es muss nicht erst das „Beamen“ oder Ähnliches erfunden werden. Prinzipiell sind selbst für die Automaten als Fahrer technische Lösungen vorstellbar; sie bedürften nur eines langen Ausreifens. Aber mit dem muss eben begonnen werden – und er bedeutete eine ganz andersartige Automobilindustrie. Heute wäre so etwas besonders in Deutschland nicht erwünscht. Er bedeutete nämlich eine stark reduzierte Zahl zu produzierender Autos insgesamt.

Der Verkehr in seine Vielfalt ist eines der Probleme, die durch gemeinschaftliches Denken wesentlich optimiert werden könnte. Das schließt sowohl ein, insgesamt Ressourcen einzusparen als auch es jedem Einzelnen angenehmer zu machen, an einem Wunschzeitpunkt zu einem Wunschort zu kommen … und wieder weltweit gedacht. So könnten wir denken, wenn wir nicht durch Privatbesitz beschränkt dächten.

 

 

 

 

 

 

Bedürfnisbefriedigungsanstalt Kommunismus

 

Nach der Geldzeit

 

1

Ich stell mir vor, worauf man dann, gäb es kein Geld, verzichten kann.

Da hätten erstmal, klar, die Banken, die Aktienhorter abzudanken.

Wir müssten keine Steuern klären, nicht Börsenfuzzis miternähren.

2

Kein Grenzer würde übrig bleiben. Es wär egal, was wir wo treiben.

Kein Polizist hätt´seine Not mit denen ohne täglich Brot.

Nur kleine Reste würden alt bei Schlichtung ohne Staatsgewalt.

3

Kein Phrasenfreund im Parlament verdirbt der Tage Happyend.

Kein Betteln, Kriechen, „Hartz“-Almosen zernagt´ den „Wert“ von „Arbeitslosen“.

Kein Wochenwerk gehasster Stunden wär „unternehmerisch“ verschwunden.

4

Ob Chrysler, Kia, BMW – sie tun der Erde nicht mehr weh.

Als Frage auch im Autofalle bleibt nur, was gut wär für uns alle.

Wär das Profitinteresse weg, ersparte das viel Umweltdreck.

5

Was tausend Kriege schon vernichtet, wird zwar nie wieder neu errichtet.

Doch wärn sie weg die vielen Waffen, die Tote, Krüppel, Trümmer schaffen,

weil niemand, der sie fabrizierte, noch auf dem Erdball existierte.

6

Tat früher sehr viel Arbeit not, um abzusichern täglich Brot,

bleibt nicht stupides Buckeln, Klotzen, je mehr vor Technik wir nur strotzen.

Wie wenig Arbeit könnte reichen, die Welt an Reichtum anzugleichen.

Das Erdengut, wir werdens teilen, gemeinsam kreativ verweilen,

einander nicht mehr fertigmachen, worüber fremde Konten lachen.

7

Glaubt ihr, dann gäb es nichts zu tun, ein jeder würde geldfrei ruhn?

Man ränge auf dem Erdenrund, dass, wer da lebt, auch wär gesund.

Dafür dann lohnten sich auch Mühen – wer wollt´nicht vor Ideen sprühen!

8

Wär keiner arm und keiner reich, wär überall ein jeder gleich.

Man malte, schriebe, musizierte, man spielte, lernte, phantasierte,

gemeinsam mal und mal alleine, man hülfe Nachbarn auf die Beine …

Welch leben voller Poesie – dahin kommt heut´ nicht Fantasie!

9

Ich stell mir vor, was alles dann, gäb es kein Geld, sich ändern kann.

Doch bin ich dafür leider zu allein. Das muss ein Werk von vielen sein.

Wie viel könnt mensch wohl noch erreichen, zerstörte er nicht Seinesgleichen.

 

 

 

Die Frage, wie „realistisch“ eine Formel „Jedem nach seinen Bedürfnissen“ ist, ist damit noch nicht beantwortet, richtig. Du ahnst aber, dass ich an die Sache herangehe wie der Indianer, der sagt, Mensch kann kein Stück von Mutter Erde besitzen, und der trotzdem, nein, gerade deshalb schonend mit all dem umgegangen ist, was diese Mutter Erde ihm gewährte.

Dass ich die Frage aufwerfen muss – auch linke Kritik zwingt mich dazu – liegt eben an unserem Denken, das selbst bei Linken von aktuellen Verhältnissen, also unserem Verständnis ausgeht.

Dass das kommunistische Prinzip einmal möglich sein wird, setzt Bedingungen voraus, die zuvor zu schaffen sind – solche, die uns teilweise sogar seltsam vorkommen, und solche, die heute einige Menschen bereits angedacht haben.

 

Wieder müssen wir beim Grundproblem beginnen, was „Bedürfnisse“ sind und wie sie entstehen. Dabei müssen wir grundsätzlich zwischen elementare Bedürfnissen und solchen „gesellschaftlicher Natur“ unterscheiden.

Elementare Bedürfnisse sind von der Natur vorgegebene Lebensvoraussetzungen. Wenn der Körper Energie braucht, dann „produziert“ er Hunger, wenn Flüssigkeit erforderlich ist, Durst; „irgendetwas“ muss gegen das Frieren gemacht werden, u.a. die Spermienproduktion animiert schöne Gefühle, die die Fortpflanzung der Menschheit zur Folge haben … ohne dass ein einziger Sexualpartner auf der ganzen Welt dabei an die „Fortpflanzung der Menschheit“ denken muss.

 

Alle anderen Bedürfnisse sind „gesellschaftliche“ – selbst solche, die sich auf die Qualität der Befriedigung der elementaren beziehen. Dem Hunger ist es egal, ob er durch Fleisch eines toten Rehs, Kartoffeln, Reis … oder Kaviar befriedigt wird. Es gibt dabei natürlich Übergänge, also für eine „Rundumentwicklung“ wäre es das Beste, sich abwechslungsreich zu ernähren und auf bestimmte Inhaltsstoffe regelmäßig zu achten. Das Niveau der Befriedigung solcher elementaren Bedürfnisse muss für den Kommunismus weltweit auf relativ hohem Niveau gesichert sein. Es darf im weitesten Sinne niemand „hungern und frieren“ müssen – und zwar bedingungslos jeder Mensch. Es gibt seriöse Untersuchungen, die dies bereits heute technisch für machbar halten. Wenn ein gebildeter Europäer von „Bedürfnissen“ spricht, denkt er aber meist nicht an die elementaren. Er geht bereits davon aus, dass die befriedigt sind, weil er es im Gegensatz zu Bewohnern der „dritten Welt“ nicht anders kennt.

 

Schwieriger ist es mit den gesellschaftlich beeinflussten Bedürfnissen. Dort wirken Mechanismen, die wir uns heute schwer wegdenken können, um den Kommunismus zu verstehen, aber zumindest teilweise wegdenken müssen. Den wichtigsten dabei nenne ich „Neid“. Ich würde es für den heute entscheidendsten Antrieb nach dem Elementaren ansehen, dass viele Menschen etwas deshalb besitzen möchten, weil sie wissen, dass Anderer das schon haben. Dieser „Neid“ lässt sich in Marxscher Weise noch weiter auseinandernehmen:

Zuerst muss ein begehrbaren Gut vorhanden sein. Das Begehren nach kernlosen Apfelsinen hielt sich in Grenzen, solange alle wussten, dass es keine gab. (Die störenden Kerne regten „nur“ die Fantasie an, wie schön es wäre, wenn es kernlose Früchte gäbe).

Zum Wesen klassenorientierter Marktwirtschaften gehört das bewusste Wecken des Besitz-Begehrens. Der, der ein beliebiges Gut zur Profit bringenden Ware machen will und muss, will unabhängig von allem Anderen (und sei es eine Gefährdung der Gesundheit der Käufer), dass genau sein Gut Anerkennung als Ware findet, also dass er es verkaufen kann. Deshalb drängt er es potentiellen Kunden auf verschiedene Weise auf. Durch die gesellschaftlichen Verhältnisse unterliegt jeder Mensch (in jeder Gesellschaft) einem andauernden Anpassungsdruck. (Besonders drastisch ist dieser Druck natürlich dort, wo man besonders eng einer Normen bildenden Gruppen angehört, wenn die anderen zum Beispiel wissen, wenn du eben das gerade angesagte Handy NICHT hast.)

Nun wächst Neid zuerst einmal aus dem Wissen um tatsächliche Ungleichheit. Die erste Folge der Ausbeutungsverhältnisse im Feudalismus war keine Revolutionsbewegung, sondern der allgemeine Wunsch, auch zu DENEN zu gehören. Wunderschön wird dies durch die überkommenden Märchen abgebildet: Das Ideal heißt da Prinzessin, Prinz, (guter) König. Aber erscheint es nicht einleuchtend, dass die Zahl derer, die es für erstrebenswert halten, eine Prinzessin zu sein, allmählich nachlässt, sofern a) es keine Prinzessinnen gibt, b) keine Hochglanzpostillen höfische Welten als erstrebenswert unter die Massen streuen, c) keine wesentlichen Gruppen ein unerfülltes Sehnen nach einem unerfüllten „besseren“ Leben real haben müssen und d) es alternative Ideale gibt?

 

Oder nimm die Mode: Sie ist ja von „Markt-Bedürfnissen“ bestimmt: Damit möglichst viel verkauft wird, muss man dem Kleidungsstück ansehen, aus welchem Jahr es stammt, damit möglichst viele schnell das jeweils Neueste kaufen, um nicht als „unmodern“ abgestempelt zu werden. Wenn eben in einem Jahr „der Minirock“ aufkam, dann war auch das Mädchen mit Elefantenbeinen gedrängt, ihn anzuziehen. Sie blamierte sich aber im nächsten Jahr doppelt – weil sie ihre Elefantenbeine zeigte UND weil sie nicht mitbekommen hatte, dass das ja total out war. Ich behaupte nicht, das dies im Kommunismus vollständig verschwinden wird. Es wird aber zurückgedrängt durch die mehr oder weniger dezente Betonung der speziellen Individualität der Einzelnen. Die Zahl derer, die selbst kreieren, wovon sie meinen, dass etwas zu ihnen passt, wird drastisch zunehmen. Die eigenen Ideen, solch eigene Kreationen auch umzusetzen, ebenfalls. Sie sich planbar zu beschaffen ermöglicht das Medium Internet genauso wie die Schaffung einer eigenen „Modegemeinde“ – die dann eine eigene Produktions- und Vertriebskette organisiert. Das kostet ja nichts außer Ideen und etwas Zeit … und ist eine Frage des Selbstbewusstseins – für die sich Kleidenden, wenn sie eine echte „Stumphusen“ tragen, und für die Stumphusen, dass sie eben „die Stumphusen“ ist. Neu ist nur, dass die auch vorhandene Massenproduktion aussehen darf wie die Stumphusenkollektion … aber nicht muss …

 

Nun muss man natürlich immer zwei Seiten sehen:

Auf der einen Seite die manipulierten „Bedürfnisse“, die „der Markt“ erst schafft, fördert, verstärkt, die in dem Moment zu schrumpfen beginnen, in dem es keinen Markt mehr gibt. Man darf also auch keine DDR-Verhältnisse als Maßstab heranziehen, wo natürlich direkt und indirekt diese Marktblicke nach Westen bestimmend blieben und der (die) „etwas Besseres“ war, der (die) das hatte, was andere haben wollten.

Auf der anderen Seite werden wir natürlich auch im Kommunismus Bedürfnisse vorsätzlich wecken – nur eben andere. Das setzt bereits im frühen Kindesalter an. Da es in der Absicht der Gesellschaft liegt, ihre Mitglieder zu allseitig entfalteten Persönlichkeiten zu entwickeln, wird auch der frühkindlichen Ausprägung musischer, mathematischer, sportlicher, wissenschaftlicher, handwerklicher und immer wieder andersartiger künstlerischer Empfindsamkeit eine ganz andere praktische Wertschätzung entgegengebracht, als wir das bisher je erlebt haben (obwohl die DDR-Verhältnisse Keime in diese Richtung enthielten). Also nicht in jedem Menschen im Kommunismus wird ein Supertalent entdeckt werden – worin auch immer. Aber es werden anteilig viel mehr Kräfte aufgewandt, um Talente zu wecken und entfalten, vor allem jedoch wird in der Breite die Aufnahmebereitschaft für verschiedenartige „Sinnes-Reize“ erhöht werden. Die Genussfähigkeit kann gezielt verstärkt werden.

Hier ist sicher am leichtesten zu begreifen, dass das kein abschließend harmonischer Prozess ist. Das tatsächliche Niveau jedes Einzelnen wird unterschiedlich weit hinter den Möglichkeiten zurückbleiben und jeder muss sich mit seinen Mängeln auseinandersetzen. Das wird jeder auf eigene Weise tun. Im Trend aber werden die Möglichkeiten jedes Einzelnen aber immer mehr erkannt und „ausgereizt“ …

 

Um sich vorstellen zu können, dass und vielleicht wie so etwas geht, ein ganz praktisches Beispiel: Wenn du ein Musikstück hörst, unterliegst du unterbewussten „Mechanismen“. Dein Gehör ist nicht allein, aber auch Gewohnheiten unterworfen. Wenn du auf eine Musikrichtung fixiert bist, wirst du eher „schön“ finden, was dem Gewohnten ähnelt. Dies prägten zu großen Teilen Entwicklungszeiten, an die wir uns nicht mehr erinnern können. Oft sind wir aber auch bereit, unterbewusst ein Musikstück eher als „schön“ zu empfinden, wenn es uns als „Hit“ vorgestellt wird oder wenn Freunde es stark finden usw. Mit einer verengten Weltsicht verengt sich auch die Aufnahmefähigkeit für Schönes. Es geht dabei sowohl um das aktive Produzieren von „Schönem“ als auch einfach das Genießen dessen, was andere gemacht haben. Das schließt ein, Harmonien in vordergründigen Disharmonien zu entdecken, Auseinandersetzungen als kreativ annehmen zu können. Das erklärt zum Beispiel mit, warum immer wieder neu, warum Elterngenerationen den Musikrichtungen ihrer Kinder so skeptisch gegenüberstehen, sie häufig nicht einmal als Musik akzeptieren. Wenn du dann nachfragst, ist denen das mit deren Eltern genauso gegangen, und eigentlich müsste ihnen einleuchten, wenn der nächste Stil für die spätere Generation … und immer weiter so fort …

 

Vielleicht kann man sich ein winziges Startbild machen, wenn man das System der Sportförderung in der DDR auf alle Bereiche der Persönlichkeitsentfaltung ausdehnte. Also eine Wechselwirkung von „Breitensport“ und „Leistungssport“. Dass dabei nicht jeder „Sport“ mögen wird, ist Element seiner besonderen Persönlichkeit. Um eine solche Entscheidung aber treffen zu können, muss er natürlich in Berührung mit dem „Sport“ gekommen sein.

Oder anders: Bach nicht zu „mögen“, weil man nur Bohlen kennt, ist genauso doof wie umgekehrt. Letztlich ist auch Punk zuerst Abgrenzung gegen etwas, was einem suspekt ist.

 

Die Abgrenzungen kommen im Kommunismus fast von allein … aber mit der erworbenen Fähigkeit, das der eigenen Persönlichkeit am ehesten Entsprechende aus einer breiten Vielfalt auszuwählen. Zumindest was Musik angeht, wäre dies heute technisch bereits gut umsetzbar, stößt aber gerade hier auf marktbedingte Schranken.

Es ist einfach etwas Anderes, nach dem Erwerb der nächsten Sache zu „streben“ und, kaum, dass man sie erworben hat, nach der nächsten, als „sich rundum zu entfalten“.

 

Nicht alle Menschen werden irgendwo super sein – genau das würde ja dem Grundsatz der Vielseitigkeit widersprechen -, aber man kann es „Synergie-Effekt“ nennen, was jene „allseitig entwickelten Persönlichkeiten“ für die Gesellschaft erbringen werden: Leonardo da Vinci hat die Qualität der Leistungen auf einem Gebiet auch aus der Vielseitigkeit der verwirklichten Interessen auf anderen Gebieten gewonnen, Goethe war kein „Genie“ der Farbenlehre … aber seinen Leistungen als Dichter hat die Beschäftigung mit Farben sicher nicht geschadet usw.

Die Zeit der Universalgenies ist zwar vorbei. Die Zeit der vielseitigen Menschen aber bricht erst mit der kommunistischen Gesellschaft an – und diese Menschen werden „modern“ sein. Ihretwegen wird es wenig bedeutsam sein, ob alle mitmachen – es reicht, wenn, mit einem schrecklichen heutigen Wort bezeichnet, die „Leistungsträger“ in den Superkreativen ihre Vorbilder sehen. Anerkannte Vorbilder aber besitzen Sogwirkung. Insofern kommen Schul-Coaches (um nicht „Lehrer“ zu sagen) viel größere Bedeutung zu. Sie sind eine von mehreren Gruppen, die darauf achten müssen, dass sich Jugendgruppen keine falschen Idole wählen.

 

Wir sind heute zu wenig in der Lage, „Neben-Fähigkeiten“ zu nutzen und schätzen. Selbst ein „Partylöwe“ ist eben mehr als ein Nichtsnutz. Praktisch ist er doch jemand, der für Augenblicke die Laune seiner Mitmenschen zu verbessern vermag. Vielleicht ist das genau die Laune, die ihnen bisher (leicht übertrieben) für die nächste Erfindung gefehlt hat?!

Wir haben es mit einer total anderen Welt zu tun: Wenn wir das Wirken der dann bereits funktionierenden Roboter berücksichtigen, so bleibt an Tätigkeiten, die wir heute im weitesten Sinne als Arbeit bezeichneten, weniger als acht Stunden übrig … pro Woche. Sofern es sich dabei um Arbeiten handelt, die nicht von „zu Hause“ aus erledigt werden können, die also die körperliche Anwesenheit des „Arbeitenden“ erfordern, lohnt sich ein Arbeitsweg aber erst bei einer ausreichend langen Arbeitszeit.

 

Es gibt mehrere Lösungen:

Für einen Teil der Menschheit wird die „klassische“ Arbeit zu einem Luxus, um den sie sich bemüht, weil sie darin den Weg zu ihrer Selbstentfaltung sieht. Dazu gehören die wachsenden Anteile von Umlernzeiten, in denen die, die keine Fachidioten sein möchten, ihre Fähigkeiten in den unterschiedlichsten Bereichen erweitern.

Vereinfachend sage ich „für einen anderen Teil der Menschheit“ (obwohl dies oft dieselben Menschen sein werden) beginnt die freie Suche nach erfüllender Tätigkeit in Künsten im weitesten Sinne. Die Übergänge zwischen Beschäftigungen, die wir heute in „Hobby“ und „Kunst“ unterscheiden würden, werden fließender. Da jeder sich dazu bekennen kann, was er so treibt, finden sich auch weltweit gleich Gesinnte zusammen. Letztlich erfüllen sie füreinander, aber eben auch für andere die „Funktion“, Freude zu bereiten. In verschiedenartigsten Umfelden begegnen sich Menschen und kommunizieren.

 

Insofern verselbständigt sich auch die Kommunikation als solche. Sich frei mit anderen Menschen auszutauschen ist wieder normaler Bestandteil des Lebens – weil es keinen gesellschaftlichen Beschränkungen unterliegt. Die Normalität ist nur insoweit eine besondere, da keine Kommunikation im Gegensatz zu den vorkapitalistischen „Gemeinschaften“ durch die Natur erzwungen ist: Der Urmensch brauchte seine Gruppe zum Überleben. Die Gruppenmitglieder hingen aneinander und mussten daraus das Beste machen. Der Bauer im Feudalismus war an seine Scholle „gefesselt“ und musste ein Verhältnis zu seinen Nachbarn schaffen. Der Mensch im Kommunismus kann zu jedem Mitmenschen bewusst seinen Weg suchen … oder es bleiben lassen: sich in eine Internet-Gemeinde einfinden, jemanden ansprechen, jemanden besuchen, jemanden auf Veranstaltungen treffen … oder eben bei einer Arbeit, die beide von vornherein interessant finden – sonst hätten sie sie ja nicht gewählt. Er kann der Masse seiner Mitmenschen aber eben auch bewusst aus dem Weg gehen. Er wird sich aber tendenziell schwerlich selbst aus aller Gesellschaft isolieren, weil dies die Lebensfreude mindert …

 

Andererseits hatte begleitende Kommunikation einen eigenen Wohlfühleffekt, bevor sich die kapitalistisch reine entfremdete Arbeit durchsetzte. Viele Menschen hatten eben ihr eigenes Vergnügen dabei, Handarbeiten zu verrichten und dabei sich mit den Nachbarn zu unterhalten. Der Ertrag war nicht akkordhoch, aber die Stressschäden der Beteiligten waren deutlich geringer, würde ich einmal behaupten. Solche Situationen werden im Kommunismus wieder normaler sein …

 

Und eines dürfen wir nicht vergessen: Jedem Menschen steht frei, Dinge zu tun, die wir heute „direkte Demokratie leben“ nennen würden. Die Zahl der Foren wird sehr groß sein, in denen Fragen des „gesellschaftlichen Zusammenlebens“ diskutiert und letztlich entschieden werden, Projekte, die „Investitionen kosten“, Entscheidungen, die von Bedeutung nicht nur für Wenige sind. Im Prinzip kann jeder ein solches Forum gründen oder sich einem anschließen. Es wird nur der organisatorischen Sicherheit wegen Schlichterräte und Sprecher geben. Weltweit, regional und fachbereichsbezogen.

 

Einen Bereich habe ich noch nicht angesprochen: die Fortpflanzung. Noch mehr als in den anderen Lebensbereichen überlagern sich Gemeinschaftliches und zutiefst Persönliches. Als gesellschaftliche Frage muss gemeinschaftlich geklärt werden, wie Wirrköpfen der heutigen Art „Deutschland schafft sich ab“ der sachliche Boden entzogen wird. Die neue Frage hieße in etwa „Was ist Menschheit für die nächsten Jahrhunderte?“ Das könnte das größte „Forum“ überhaupt sein. Der makabre Zyklus der Vergangenheit muss verschwinden: Bisher war Bevölkerungswachstum in Erwartung kommender „Katastrophen“ (und seien sie als „Krieg“ menschengemacht) ein Ziel, um die Bevölkerung überleben zu lassen. Die Bevölkerungszahl wuchs mit den verbesserten Überlebensbedingungen. Die Entscheidung für oder gegen Kinder wird auch heute noch durch Existenzängste beeinflusst. Die Pille bedeutet erst einmal die technische Möglichkeit, bewusst zu planen und entscheiden. Wie wenig „frei“ bisher trotzdem entschieden werden kann, belegen heute „Planungen“ in China und Indien. Entweder erzwingt administrativer Druck einer planenden Führungsgruppe die für die Entwicklung künftiger „Harmonie“ als notwendig angesehene Ein-Kind-Ehe oder materielle Traditionen, Existenzangst bewirkt Massenabtreibungen von Mädchen.

Doch auch für den Kommunismus ist die Frage legitim, wie viele Menschen „vernünftigerweise“ auf der Erde leben sollten, also wie viele Milliarden für die Umwelt Erde eine Katastrophe wären – selbst, wenn (!) die Versorgung solcher Massen gesichert wäre.

 

Die Stagnation des europäischen Bevölkerungswachstums sollte nicht zu voreiligen Schlüssen verleiten. Ich klammere einmal utopische Fortpflanzungstechnologien aus. Kinder sind im Kommunismus sowieso nur noch im Dreieck von Liebe, Verantwortung und „Luxus“ zu sehen. Nichts wird von Natur aus so eindeutig Individualität ausdrücken wie eigene Kinder. (Individualität ist auch die Fähigkeit und Bereitschaft zu dauernder Verantwortung für Andere.)

Wenn wir unterstellen, dass die kommunistische Gemeinschaft nicht mehr an heute eingeleiteten ökologischen Katastrophen zu leiden haben wird (zum Beispiel massenweisen genetischen Schädigungen durch radioaktive und andere Umweltbelastungen), also dass der Untergang der kapitalistischen Verhältnisse „weich“ gelingt, wird sicher eine weitere „Senioren-Generation“ entstanden sein, also die Ururgroßeltern. Während eine bewusste Manipulation der Kinderzahl in beide Richtungen vorstellbar ist – also Kampagnen „Schafft euch mehr oder schafft euch weniger Kinder an“ – kann die kommunistische Gesellschaft beim Umgang mit älteren Menschen nur in eine Richtung denken: weg mit Krankheiten und Verfall. Da ist auch Erfolg wahrscheinlich: Die lebenden Menschen werden älter und sind länger zu umfassender Aktivität fähig. Bei gleichbleibender Kinderzahl bedeutete dies ein deutliches Wachstum der Weltbevölkerung.

 

Dies macht unter anderem den Weg freier zu größerer Vielfalt der Lebensentwürfe, also auch zu solchen, in denen „egoistischerweise“ keine Kinder vorkommen, „man“ sich dann in angenehmem Umfang „nur“ um biologisch fremde Kinder kümmert.

Spaß haben, nur um für den Moment Spaß gehabt zu haben, lässt die Betroffenen verkümmern so wie auch Workoholics deformierte Persönlichkeiten sind. Je mehr du bereits als Kind gelernt hast, womit du dich alles beschäftigen könntest (ohne damit gequält worden zu sein), umso mehr wirst du es in deinem langen Leben auch wirklich ausprobieren wollen. Als eines von vielem gehört die „Kommunikation“ mit Kindern dazu. Wie gesagt: unabhängig von biologischen Beziehungen werden Kinder eine Vielzahl von Partnerschaften erleben, die mit „Großeltern“ und guten Tanten und Onkeln vergleichbar sind.

 

Die Entfaltung des Bedürfnisreichtums der heranwachsenden Menschen bekommt einen total neuen Stellenwert, sobald er nicht, zumindest im „normalen“ Einzelfall, existenzielle Probleme heraufbeschwört. Bei allen Problemen, die Kinder auch bedeuten, ist eines plötzlich weg: Die Frage, wie soll ich sie / müssen die mich versorgen. Sie steht allein im großen Rahmen „Menschheit“, also überspitzt: Wenn jede Familie 10 Kinder bekäme, bliebe dann genug Sauerstoff zum Atmen? Die Kinder sind trotzdem einer der wenigen verbleibenden Zwänge. Wer auch immer die Bezugspersonen sein mögen, es müssen welche da sein. Das können biologische Eltern genauso gut sein wie Wahleltern, eine Mehrpartnergemeinschaft und anderes. Nur relativ stabil müssen diese Beziehungen sein. Eine größere Zahl von voneinander unabhängigen Bezugspersonen, die die Kinder als normal vertrauenswürdig empfinden, wäre sogar eine Vorbeugemaßnahme gegen Kindesmissbrauch.

 

Ich beiße mich hier mit dem konventionellen Familienbild, das zum Beispiel auch ein Friedrich Engels vertrat. Vielleicht wird es im Kommunismus auch etwas geben, das den Namen „Familie“ tragen kann. Aber selbst dabei ist eine Mann-Frau-Beziehung mit dazu gehörigen Kindern eine unter vielen Formen.

Inwieweit „Wohn- und Lebensgemeinschaften“ eine große Rolle spielen werden, ist von unserem Horizont aus schwer zu bewerten. Wahrscheinlich in einer neuen Zweckgemeinschaft von Individuen zumindest eine größere als heute.

Der Mietkostendruck ist genauso weggefallen wie wirtschaftliche Abhängigkeiten verschiedenster Art innerhalb konventioneller Ehen. Warum sollten kommunistisch lebende Menschen nicht als Totalindividualisten leben, vor allem aber wohnen? Also jeder Einzelne hat einerseits einen kleinen Bereich allein für sich, der sich andererseits leicht verbinden lässt mit unterschiedlich ausgerichteten „Gemeinschaftsräumen“ unterschiedlicher Sympathie- und Zweckgemeinschaften? Das wäre eine Komplexlösung für große Wohnobjekte.

Letztlich muss man ja alles neu denken: Wie viele Einfamilienhäuser mit großen Gärten es gibt, regelt heutzutage „der Markt“. Nun wäre es eine grausige Zukunftsvision, wenn das von Marx beschworene Verschwinden des Unterschieds von Stadt und Land so aussähe, dass die bewohnbaren Teile der Erde von einer einförmigen ewigen Stadt inmitten von „Futtermittelwerken“ bestünde. Und diese Stadt bestünde wiederum aus lauter Einfamilienhäusern. Jedem sein kleines Glück. Es wäre schon heute ernüchternd, auszurechnen, wie viel „Lebensraum“ jedem einzelnen heutigen Menschen so zustünde.

 

Die Wohnverhältnisse spiegeln aber nur die Lebensverhältnisse wider. Die aber können die kommunistischen Menschen bewusst gestalten. Sie haben ja jenen Büro- und Arbeitsstress mehr, nach dem das Abtauchen in Schrebergartenidylle als das einzig Wünschenswerte erscheint. Man kann auch mehr ausprobieren. Warum keine Gemeinschaft einer Wohnblocketage? Es ist ja vieles leichter, wenn es nur noch darum geht, wer welchen geliehenen Gegenstand vergessen hat zurückzugeben, aber nicht mehr etwas gestohlen werden kann. Man kann also den Nachbarn eher trauen. Es bedarf nur der Anstöße zusammenzukommen. „Facebook“ ähnliche Netzwerke ohne Hintergedanken und mit der Aussicht auf mehr. Aber eben ohne Druck, sich aus einem anderen Grund für eine Variante zu entscheiden als seine individuelle zu finden. Umzüge werden nur noch ein Problem, weil sie organisatorisch Mühe bereiten können. Aber man muss nicht unbedingt mit allem möglichen Hausrat umziehen – man nimmt nur mit, was einem persönlich besonders wichtig ist, die Grundausstattung steht in der neuen Wohnung bereit.

 

Auch hier gibt es eine klare Trennung: Jeder hat überall das, was zweckmäßig ist. Er machte sich in der großen Gemeinschaft „unmöglich“, wenn er nicht sorgsam damit umginge.

Wir kreisen immer wieder um bestimmte Grundpfeiler des Zusammenlebens. Da die Menge der verselbständigten Sanktionen klein ist, verbindet sich das riesige Maß an individueller Freiheit mit gesellschaftlicher Offenheit. Es ist (wieder) selbstverständlich, dass man weiß, was bei den Anderen los ist. Nur so kann ja Verhalten missbilligt werden, das das Gemeinschaftsleben schädigt. Weil man viel miteinander zu tun hat, wird für die Mehrheit zur harten Strafe, wenn man mit jemandem nichts zu tun haben will …

 

Aber du hast ja am meisten Probleme mit dem Gedanken, dass jemandem Arbeit überhaupt ein Bedürfnis sein kann. Dabei könntest du dich gründlich umsehen und dir fielen bestimmt Leute ein, die auch ohne den ganzen Kommunismus-Kram wirklich Arbeiten gehen, weil sie das, was sie da machen, wirklich gern machen.

Ich spitze das sogar noch zu: Es gibt auch in der Gegenwart zwar wenige, aber doch einige Firmen, die sich eine Arbeitsorganisation leisten, bei der man den Eindruck hat, die hätten schon den Kommunismus erreicht. Im Wesentlichen kommen und gehen die Mitarbeiter dort wie sie wollen.

 

Das Ganze nennt sich Holacracy. Das ist der Name für eine in bestimmten „kapitalistischen“ Unternehmen tatsächlich umgesetzte „kommunistische Organisation“ der Arbeitsabläufe. Um mich nicht in gewissen anderen Spinnereien zu verheddern, empfehle ich dir allerdings, das Folgende mit virtueller Schutzkleidung zu betrachten, so wie jemand ein Institut besuchte, dessen Forschungen zum Bioterrorismus geeignet wären. Viele der dabei verwendeten Begriffe und Überlegungen sind ebenfalls nur mit virtuellen Kneifzangen anzufassen. Wir befinden uns schließlich auf einem Feld, das von vornherein etwas unter eigentlich unmöglichen Bedingungen untersucht – genau wie ein biotechnologisches / gentechnisches Privatinstitut immer einen Minenlauf vollführt: Es muss unter dem Zwang, Gewinn (richtig: „Profit“) zu erwirtschaften, sein eigenes Handeln als menschlich präsentieren und die möglichen positiven Menschheitseffekte verabsolutieren, obwohl diese gerade nicht Kern seines Tuns ist. Das heißt nicht von vornherein, dass zum Beispiel Genforschung an sich etwas Negatives wäre. Nur der Zwang, ihre Teilergebnisse (ohne ihre Wirkungen im Gesamtsystem Natur analysiert zu haben) in „klingende Münze“ zu verwandeln, ist eine dauerhafte Quelle potentiell verbrecherischen Verhaltens.

Insofern ist es auch schwierig, aus dem, was es in der Realität an „Holacracy“ gibt, das für uns wirklich Brauchbare herauszufiltern.

Es geht um Organisation von Arbeit. Nicht hierarchisch organisierte Abläufe, sondern „Getting Things Done Methode“, also einfach Formen der Selbstfindung von Strukturen, die nur darauf ausgerichtet ist, dass zum Schluss das Beabsichtigte herauskommt. Beispielsweise ohne Anwesenheitskontrollen.

Wenig verwunderlich finde ich, dass die ersten praktischen Erfahrungen aus einer Software-Firma stammen. Ähnliche Tendenzen gibt es überall dort, wo die geistige Verantwortung des einzelnen „Mit-Arbeiters“ für das Gesamtprodukt besonders groß ist.

 

Mit der Verwunderung begeisterter Kinder suchen Betrachter bestimmter Insellösungen dem Beobachteten wissenschaftliche Namen zu geben. Gibt es so etwas wie eine „kollektive Intelligenz“, mitunter auch „Schwarmintelligenz“ genannt? Unerklärlicherweise funktioniert es, dass sich dabei Teams / Kollektive zielobjektbezogen selbst „Leitungsebenen“ wählen. Also etwas schräg ausgedrückt: Die Mitarbeiter bestimmen, wer wann in welchem Umfang über sie zu bestimmen hat.

In so „anarchisch organisierten“ Firmen bestehen meist auch nur minimalste Anforderungen an einzuhaltende Arbeitszeiten, Anwesenheiten usw. Das Merkwürdige: Es bricht nirgendwo „Anarchie“ aus. Zwar kommen und gehen die Kollegen, „wie es ihnen gefällt“, aber sie arbeiten dabei nicht weniger sondern bewusst mehr. Die Betrachter stehen vor einem Rätsel: Ohne Kontrolle, Stechuhren oder Ähnliches, ohne, dass man irgendeine Form bemerkte, in der sich die Kollegen gegenseitig kontrollierten … verhalten sich alle, als kontrollierten sie sich mit einem unsichtbaren Mechanismus eben doch. Dies war dann der Ansatz, solche biologischen Vergleiche wie „Schwärme“ heranzuziehen, bei denen sich „irgendwie“ die Einzelwesen sehr effektiv in ihrem Verhalten am Kollektiv, der Masse, dem Schwarm orientierten. Da müsse eine besondere „Intelligenz“ wirken, meinten die in ihrer Denkwelt Befangenen und wunderten sich noch über etwas Anderes: Der tierische „Schwarm“ ersetzte individuelle Intelligenz, bei Menschen fiel dies „Organisationsprinzip“ (?!) besonders bei intelligenzintensiven Tätigkeiten auf.

 

Ohne dies soziologisch oder auf welche Weise auch immer auszudeuten, können wir durchaus einige Schlussfolgerungen für künftige Gemeinschaften ziehen. Dabei müssen wir uns allerdings vor Verallgemeinerungen hüten, wie man sie mitunter bei occupy-Aktivisten antrifft. Die vorliegende Klassensituation – und wir müssen bei jeder Betrachtung berücksichtigen, was gerade da ist – produziert vorsätzlich in dem hier gedachten Sinn „dumme“ Menschen. Das ist kein Werturteil, sondern nur Ausdruck dafür, dass den meisten Menschen nicht wirklich all die Denkstrukturen vermittelt werden, um für ein Ganzes mitzudenken. Wer die Gesellschaft als Ganzes nicht begreift, kann zumindest bezogen auf diese „Gesellschaft als Ganzes“ in keine Richtung steuern. Jener seltsame „Schwarmeffekt“, nämlich dass eine Gruppe wesentlich bessere Ergebnis erbringt, als dies der Summe der einzelnen Mitglieder möglich zu sein scheint, setzt immer eine „elementare Gemeinsamkeit“ voraus. Also wenn jeder das Gesamtziel „weiߓ organisiert sich die Masse so, dass die Aussicht auf Erreichen des Ziels am größten ist – in gewisser Hinsicht tatsächlich „spontan“. Und es gibt immer dann Reibungsprobleme, sobald echte individuelle Opfer nötig sind. Da schickt dann doch ein General einen Teil seiner Soldaten bewusst in den Tod in der Hoffnung auf den Gesamtsieg und es gibt nun einmal kein „Märtyrer-Gen“.

 

Aber zur Perspektive.

Schon im Sozialismus ist die „Notwendigkeit“ weggefallen, dass „der einfache Mann“ die Funktionsweise der Gesellschaft nicht versteht, weil er sie dann radikal ändern wollte. Er soll sich fürs Ganze verantwortlich fühlen, soll die Solidarität mit ihm individuell fremden Menschen als nützlich begreifen. Also wäre die Voraussetzung des Kommunismus ein permanent wachsendes positives Verständnis gesellschaftlicher Verhältnisse. Gleichzeitig fallen jene Elemente des Zusammenlebens weg, die uns unmittelbar korrumpieren könnten.

Unter solchen Vorzeichen, versuchte ich schon anzudeuten, verändert sich auch der technische Charakter der Arbeiten. Tätigkeiten mit vorsätzlicher Verantwortung wie bei den Holacracy-Beispielen nehmen zu, solche, bei denen abgestumpfte Massen die Kommandos Macht besitzender Vorarbeiter ausführen, verschwinden allmählich. So wie Fließbänder, denen Arbeiter getaktete Handreichungen machen müssen, durch vollautomatisierte Abläufe ersetzt sein werden.

So wie solche vereinzelte Organisations-“Wunder“ unter den heutigen Bedingungen der durch die Warenwirtschaft geprägten Menschen Insellösungen bleiben werden, so beweisen sie gerade in ihrer Existenz im ungeeigneten Umfeld, dass sie bei geeignetem zur „Normalität“ werden könnten. Sie werden aber auch dann nicht die einzige Form des Zusammenarbeitens sein.

 

Eine insgesamt reiche Gesellschaft kann sich eine allgemein größere Vielfalt von Bedürfnissen erlauben. Das schließt „Sonderbedürfnisse“ nicht aus. Entscheidend wird aber sein, in einem extrem langfristigen Prozess eine Bedürfnisstruktur auszubilden, die wirklich den Ausdruck eine „allseitig entwickelten Persönlichkeit“ rechtfertigt.

Warum das Bild der fleißigen Ameisen nichts mit Kommunismus zu tun hat

 

 

Dialektik

 

Mache

was man dir sagt

anders.

So

beweise,

du hast verstanden.

Nein, du darfst eben Kommunismus eben gerade nicht als Masse gleich geschalteter Arbeitswütiger vorstellen. Am besten noch unter Kontrolle eines Überwachungsprogramms, dass für Fleiß Glückshormone freigibt.

 

Sagen wir einmal, um etwas zu veranschaulichen, gebraucht mancher künstlerische Bilder (Metaphern) aus dem Tierreich. Natürlich stimmen die so nie. Wer als „Ochse“ bezeichnet wird, ist im Regelfall zeugungsfähig und Mensch geblieben. Allerdings werden den Tieren bestimmte markante Eigenschaften zugeschrieben, die dann das menschliche Verhalten zuspitzen.

Das ist nicht nur bei den Ameisen problematisch. Sie als Sinnbild für Fleiß zu benutzen, ist mindestens gewagt. Nicht dass sie „faul“ wären, aber „Fleiߓ setzte einen bewussten Vorsatz voraus. Den kann man der einzelnen Ameise beim besten Willen nicht zuschreiben – auf jeden Fall nicht mehr als beliebigen anderen Tieren, die das jeweils Nötige tun, um ihre Art zu erhalten.

Wenn man es aber das „Unermüdliche“ hervorhebt, mit dem sich die einzelne Ameise in den „Dienst“ ihres Volkes fügen, mit der sie an ihrem Platz im Sinne ihrer Gemeinschaft wirkt, dann wird es zu einem verleumdenden Bild, sobald man es auf künftige kommunistische Verhältnisse anwendet.

 

Das einzelne Tier weiß ja überhaupt nicht, was es tut. Es ist auf Arbeiter, Soldat usw. „programmiert“ und arbeitet dieses ihm zugeteilte Programm ab. Es ist eben nur ein natürliches und kein Computerprogramm. Der einzelne Mensch im Kommunismus weiß sehr wohl um die Funktionsweise der Gesamtgesellschaft und seine Rolle darin. Er kann sie relativ frei wählen und nach seinen aktuellen persönlichen Bedürfnissen auch wechseln.

 

Arbeitseifer und unermüdliches Schaffen sind dabei nur zwei Arten unter vielen, sich einzubringen, sicher wird es die geben, aber sie werden nicht die vorherrschenden sein. Genauer: Nur bei denen, denen gerade „Arbeit“ besonders viel Spaß macht, denen sie große Erfüllung bedeutet. Wozu sonst baute man immer bessere „Roboter“, die selbst „Roboter“ fertigen, die alles Stupide zu minimieren helfen?

 

Trotzdem werden wohl auch Menschen teilweise diesen Maschinen bewusst Arbeit wegnehmen. Nicht, weil es zum Überleben der Menschheit bedeutsam wäre, sondern weil bestimmte Arbeiten, wenn man ihren Umfang selbst bestimmen kann, einfach Vergnügen bereiten und es die Qualität verbessert – im Sinne, dass größere Vielfalt immer besser ist und „Handgemachtes“ seinen eigenen Reiz hat beziehungsweise „besser schmeckt“.

 

Keine Ameise käme auf solche Ideen! Wer also Kommunismus als Ameisenhaufen illustriert, stutzt die dann Lebenden auf relativ stumpfe Workaholics zusammen. Er billigt ihnen nicht zu, dass sie nach einem Ballettbesuch einfach nur ihre Lust ausleben könnten mit einem / einer, der / die das auch gerade will … und dazu in den Hauptrechner eingeben, dass sie am Folgetag am Arbeitsplatz vertreten werden möchten. Allerdings werden sie später kurz ihnen Speicher abrufen, ob sich Ersatz gefunden hat, und wenn nicht, die vorgesehene Aufgabe dann doch angehen. Weil sie nämlich um die Bedeutsamkeit ihrer Arbeit wissen. Aber ich glaube, meistens wird sich eine Vertretung finden. Du könntest umgekehrt ja in die selbe Verlegenheit kommen. Andererseits sind die, die das überstrapazieren, schnell entlarvt.

 

So ein klein wenig wird jedem bewusst sein, dass da irgendwer dafür arbeitet, dass ihm „der Strom aus der Steckdose kommt“. Etwas muss „man“ zurückgeben. Das wird nur im Vergleich zu heute per Saldo weniger sein … weil die Grenzen zu „Privatem“ viel fließender sein werden, wenn man neben den eigenen auch die Nachbarskinder betreut. „Privates“ aber dürfte Ameisen unbekannt sein …

 

Um es einmal so zu sagen: Der durchschnittliche Mensch im Kommunismus ist „natürlich fleißig“. Er wird aber nicht mehr arbeiten als nötig und dass ist seiner technischen Möglichkeiten wegen weniger als wir uns heute aufbürden müssen – nur dass er das, was er machen wird, bewusster macht.

Sanktionsgemeinschaft Kommunismus

 

Gemeinsame Rast

 

Setz dich zu mir!

Nimm den

Rucksack

von den Schultern!

So schwer drückt

die angenagte Vergangenheit,

die du hineingestopft.

 

Meine aus dem Frost

schwimmt schon im Suppentopf.

Schnell dazu, was

lange braucht,

bis es weich wird.

Gemeinsam löffeln wir

alles Eingebrockte aus.

 

Beim Kauen dann

kommt Appetit auf

morgen.

 

 

 

Es wird wohl in dieser Zukunft nicht viele Untaten geben, mit denen du dir die moralische Ächtung deiner Mitmenschen als schwerste gesellschaftliche Strafe „verdienen“ kannst. „Verschwendung von gemeinschaftlich Geschaffenem“ gehört wohl dazu. Dabei gibt es natürlich welche, die besonders ins Auge fällt. Wenn jemand versuchte, ein eigenes „Schloss“ mit Park (bildhaft gesprochen) allein zu nutzen (oder Ähnliches) würde dies sofort durch Andere bemerkt, der Zusatzreserve-Privatwagen auch. Schwieriger wird die „gesellschaftliche Kontrolle“ erst bei kleinen Dingen. Hier muss ja gleichfalls eine allgemeine Ausgewogenheit entstehen … und kein allgemeines Denunziantentum. Nicht dass der eine dem anderen seine private Sammlung verübelt. Aber beispielsweise, wenn jemand so viel Milch oder Obst privat „hortet“, dass ein Teil davon ungenutzt, weil inzwischen verdorben, weggeworfen würde, geht das den Nachbarn auch etwas an. Dazu kommt, dass niemand wirtschaftlich genötigt ist, abgetragene oder ausgesonderte Sachen anzuziehen. Es gibt ja Menschen, die ihre Sachen „abtragen“, aber das ist doch nicht der Regelfall.

 

Ich halte das für ein scheinbares Problem, da der Haupttrend die Hervorhebung der Individualität ist. Im Wesentlichen wird es also normal sein, dass die meisten Sachen tragen, die zu ihnen (ihrer Meinung nach) besonders gut passen und nicht bestimmter Trendmerkmale wegen. Das heißt ja nicht, dass es keine Mode mehr gäbe – aber da die Zahl der Mode-“Schöpfer“ größer sein wird, nimmt die Zahl derer, die ihnen folgen, genauso ab wie die Zeit zunimmt, in der „man“ einem Einzeltrend folgt. (Allerdings muss man zwischen Originellem, Originalität und Originalem unterscheiden.)

Die Ess- beziehungsweise. Speisekammergewohnheiten werden bewusster aus individueller Selbstdisziplin erwachsen. Hier sollte man nicht vergessen, wie gesellschaftliche Gegebenheiten Gewohnheiten beeinflussen: Ein Teil des „Hortens“ heute beruht ja auf der Annahme, ein Sonderangebot / „Schnäppchen“ erwischt zu haben (erwischen zu müssen) oder etwas billiger zu bekommen, wenn man mehr davon nimmt usw. Dies fällt weg. Die Kombination eines unbeschränkten „Internets“ mit rechnergestützter Planung von Produktion und Verteilung gleicht im Normalfall jeden Mangel relativ kurzfristig aus. Wenn die Systeme entsprechend abgestimmt sind, können auch Kleinproduzenten mit Spezialinteressengruppen weltweit zusammenkommen. Man kann also davon ausgehen, zu bekommen, was man braucht und wann man es braucht – ohne suchen zu müssen, wo man es eventuell günstiger bekommt.

Dass die „Markenartikel“ einen neuen Nutzer finden, ist technisch einfacher geworden. Jeder ist gewohnt, sich im Internet zu informieren, wo es was in seinem Sinn gibt.

 

Das scheint keinen Zusammenhang mit „Gewalt“ zu haben, soll aber veranschaulichen, dass es keine Lösung durch „Gewalt“ gibt. „Bekämpft“ man nicht die Wurzel des Problems, sondern nur das Symptom, also beispielsweise den „Diebstahl“, reproduziert es sich immer wieder – entzieht man ihm den „logischen“ (sozialen) Boden, treten die Symptome immer seltener auf. Die entscheidende kommunistische „Gewalt“ ist eben die öffentlich gelebte Gewohnheit.

 

In minimalem Umfang aber bleibt „Kriminalität“ (womit ich nicht ausschließen will, dass auch der Begriff selbst neu gefasst wird). Alles hat schließlich seine Grenzen: Obwohl jeder seinen Rembrandt o.ä. an die Wand hängen kann, wäre das natürlich immer nur eine – wenn auch gut gemachte – Kopie. Den echten Rembrandt gibt es logischerweise jeweils nur einmal. Zumindest auf dem Gebiet solcher Künste wie der Malerei wird dies nur eine Lösung zulassen: Bestimmte Originale dürfen nur öffentlich verwalteter (und zugänglicher) Weltbesitz sein. Dies wird ergänzt durch die moralische Ächtung derer, die solch „Weltkulturerbe“ nicht der Welt gönnen … und das wiederum wird möglich, wenn die Besitzer zu ihrem Besitz nicht durch die Verfügung über größere „allgemeine Äquivalente“ kommen können. Für den Beweis des persönlichen „Kunstverstandes“ reicht auch eine Kopie.

 

Wie viel Neues dort hinzukommen wird, wird ständig Diskussionen auslösen. Da die Zahl der Künstler (hier tatsächlich im heutigen engen Verständnis von Künsten gedacht) sprunghaft steigen wird, wird eher die Entwicklung einzelner Fan-Gruppen im Mittelpunkt stehen – und nicht die Bemühungen einzelner Ateliers, über den Verkauf von Kunstwerken effektvoll vermarkteter Künstler Geld zu verdienen.

Zu Lebzeiten wird es normal sein, „wertlose“ Originale als Geschenk von Freunden zu besitzen, die natürlich für den Beschenkten besonderen emotionalen Wert besitzen. Eine besondere Nach-Würdigung kann es sein, durch die Empfehlung der Freundeskreise in öffentlichen Museen zu landen. Solche Freundeskreise sind in gewisser Hinsicht zu Lebzeiten praktizierte private Dauerausstellungen.

 

An sich kann dies zum Muster für viele Vorgänge im praktischen Leben dienen. Eigentlich bei allem, wo es zu einem Original Kopien oder Nachahmungen geben kann. (Wo ist das denn nicht der Fall?) Hierbei wird es für Fälle des „Verbrauchs“ eben „gesellschaftliche Einrichtungen“ geben und eine „Politik“, die solchen Verbrauch im Sinne von Belohnungen regelt. Du erinnerst dich an das Beispiel mit den Malediven? Also nicht irgendwelche käuflichen Berufspolitiker sondern die Gemeinschaft der interessierten Weltnetz-Nutzer, deren Entscheidungsfindung dann das sein wird, was wir heute Politik nennen werden. Analog kann selbst bei seltenen natürlichen Speisen verfahren werden. Immer wieder gibt es ganz pragmatische „Politik“ zu gestalten: Wer hat was verdient? Warum wird was gemacht – und was nicht?

 

Jeder hat die Zeit, sich als „öffentlicher Mandatsträger“ an seinen „Computer“ zu setzen, sich über seine Interessengebiete Informationen einzuholen und „seine Stimme abzugeben“. Diese Entscheidungen sind prinzipiell jeweils neu entstehendes „Recht“. Das ändert nichts daran, dass es „Repräsentationsorgane“ für alle grundsätzlichen und wesentlichen Dinge des öffentlichen Lebens geben wird. Nur haben die nicht mehr zu entscheiden als sie als Mensch sowieso würden. Nur schieben die leichter Fragen an vordere Positionen der allgemein zugängigen Entscheidungsliste und werben für bestimmte Schlichtungsregelungen. Prinzipiell kann ja jeder „Miterdenbürger“ Fragen zur gemeinschaftlichen Entscheidung einreichen. Die öffentliche Resonanz bewirkt dann ihre Lösungsintensität. Wenn natürlich unerwartet Gäste von einer Orion-Intelligenz auf der Erde erschienen, müssten irgendwelche konkreten „Volksvertreter“ die Erde repräsentieren. Ansonsten werden sie zu diversen Veranstaltungen eingeladen und haben einen gewissen öffentlichen Einfluss allein dadurch, dass sie häufiger in „offiziellen“ Medien zu sehen, hören und lesen sind.

 

Umgekehrt ist es eine unausgesprochene „Sanktion“ nicht dazuzugehören. Jeder Mensch kann frei über seinen Anteil an der Gestaltung aller relevanten Fragen der ihn interessierenden Gemeinschaften entscheiden. Er muss sich nicht ins Netz einloggen. Er muss keine Kunst machen. Er muss keine Kunst sammeln. Er muss – mit kleinen, bereits angesprochenen Ausnahmen – nicht arbeiten. So wie er mit niemandem auf irgendeine Art „kommunizieren“ muss.

Aber bei jedem wurde in jungen Jahren der Grundstein geschaffen, dass er es kann. Und aus dem Kreis derer, die können, erwächst ein Kreis derer, die es wollen … und derer, die es tatsächlich tun. Sie sind die, die in erster Linie einander das Gefühl vermitteln, gebraucht zu werden. Warum soll jemand so masochistisch sein, sich selbst zu vermitteln, niemand brauche ihn?

 

Der nötige „Überfluss“ in jeder Beziehung ist beachtlich. Ständig reproduzieren sich neue Widersprüche – in erster Linie, weil keines Menschen Selbstbild mit seinem Selbst-Sein identisch ist. Auch wegen der ständigen Entwicklung der Persönlichkeiten. Also muss es immer wieder neu dazu kommen, dass „man“ merkt, am aktuellen Platz nicht „optimal“ zu sein. Die Partner in den verschiedenen Gruppen sind dabei fast immer hilfreich.

Natürlich nur „fast“ oder im Wesentlichen. Denn nur vom Grundsatz her ist kein materieller Grund mehr vorhanden, einem anderen einen Misserfolg zu wünschen. Solcherlei Gründe sind heute noch das vorherrschende praktische Lebensprinzip auf allen Ebenen. Da das weggefallen ist, verändern sich auch über das „Arbeitsklima“ hinausgehend ALLE Beziehungen der Menschen – ob sie wollen oder nicht. Das ändert natürlich nichts daran, dass es zu „Rollenkonflikten“ kommt – und sei es, dass diese „Rolle“ die Liebe eines ganz konkreten einzelnen Menschen wäre, die man haben möchte, aber nicht bekommt. Wenn die juristischen / ökonomischen „Chefs“ weg sind, sind die „Machtspiele“ um Anerkennung nicht verschwunden – allerdings finden charakterliche Schwächen viel weniger praktische „Anerkennung“, weshalb „man“ eher mit positivem Verhalten punkten muss. Niemand kann mehr dem Chef mit Geld „in den Arsch kriechen“. Das gilt ähnlich für Gewalt. Ihre Rolle schrumpft im Zwischenmenschlichen, je weniger Konfliktlösungspotential ihr praktisch in den verschiedenen erlebbaren Bereichen zugebilligt wird. Natürlich kann man keine gerade Linie ziehen zwischen Kriegen in aller Welt und der Bereitschaft konkreter einzelner Menschen, zu „Lösung“ ihrer Probleme Gewalt einzusetzen. Aber jedes „gelungene“ Beispiel, jeder erlebte Fall, dass „der Stärkere“ (im engeren wie weiteren Sinne) sich durchsetzte (und nicht „der Bessere“), weckt und verstärkt das animalische Bedürfnis, der Stärkere zu sein.

 

Ein Sonderfall des Lebens unter kommunistischen Verhältnissen ist deshalb alles, was mit dem Begriff „Gewalt“ verbunden ist – aber es ist eben nicht restlos verschwunden. Widersprüche und Unzufriedenheiten sind ja nicht per se etwas Negatives. Erst wenn „man“ etwas als störend empfindet, geht man die Lösung des Problems an. Das schließt ein, dass man im Weg und im Ziel irrt. Sofern du diesen Begriff auf Kriege beschränkst, also auf Kriegshandlungen, Staatsterrorismus in engem oder weitem Sinn und Handlungen einzelner Menschen, die daraus direkt abzuleiten sind (zum Beispiel sadistische Folterexzesse), so gibt es sie natürlich nicht mehr. Das allein sollte ehrlichen Christen und Buddhisten als Argument für eine solche Gesellschaft schon ausreichen.

Ich glaube auch an eine extreme Minimierung bei indirekten Gewalthandlungen. Die sind natürlich schwerer abzugrenzen. Aber ich halte einen sozial Hoffnungslosen für tendenziell eher gewaltbereit als jemanden, der um genug Möglichkeiten weiß sich auszuleben. Da es im Kommunismus aber keine soziale Ausgrenzung in großem Maßstab gibt (und überwiegend überall jeder „Migrant“ ist), existiert kein Nährboden für daraus erwachsene individuelle Gewalt – also ist eine Institution überflüssig, die solche Gewalt den Normen einer Staatsmacht unterwirft.

 

Der Anfang der ganzen Kette liegt darin, dass es keinen Besitz als hierarchisch konstituierende Größe mehr gibt. Verstehst du: Niemand ist mehr, weil er mehr hat. Keine Gruppe besitzt „Produktionsmittel“ (Mittel überhaupt), mit der sie eine andere ökonomisch dazu zwingen könnte, für sie zu arbeiten. Es kann sogar jeder die Dinge / „Güter“, über die er unmittelbar verfügen will, von der Gemeinschaft anfordern, sie technisch bestellen und – von den beschränkt vorhandenen „Originalen“ einmal abgesehen – auch erhalten. Jeder kann sich also materiell so als Persönlichkeit entfalten, wie er dies für angemessen erachtet, sofern er andere Persönlichkeiten damit nicht beschränkt.

 

Die Wahrscheinlichkeit von Diebstählen ist also gering – demzufolge also auch die Notwendigkeit, Menschen mit deren Verfolgung zu betrauen. Selbst ganz individuelle Verbrechen haben einen wesentlich kleineren Nährboden. Es verändert langfristig die Persönlichkeit, wenn das gesellschaftliche Phänomen, dass andere etwas besitzen, was man gern hätte und nicht haben kann, einfach nicht mehr existiert. Und es verändert die Beziehung zwischen Menschen langfristig einschneidend, wenn es keine materiellen Abhängigkeiten mehr gibt. Der seinen Partner Prügelnde kann eben heute grinsend sagen, „Geh doch!“, weil er genau weiß, dass der (die) so Angesprochene dann mit leeren Händen dasteht. Diese Sicherheit der Macht löst sich in Nichts auf, wenn der (die) so Angesprochene um den Neuanfang in gleichwertiger neuer Situation weiß … ohne prügelnden Partner. Und wer von einer Arbeit nach Hause kommt, die ihn mindestens nervlich total ausgelaugt hat, hat es schwerer, sich angemessen Partner und Kindern gegenüber zu verhalten als jemand, der durchschnittlich befriedigt in die private Tageszeit übergeht.

Also in gesellschaftlicher Hinsicht ein Paradies – und zwar insbesondere für die heute sozial Benachteiligten. Aber eben nur in gesellschaftlicher Sicht …

 

Ich hoffe, dass ich glaubhaft machen konnte, dass die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen den weltweiten Umfang an „Verbrechen“ extrem reduzieren werden. Ich halte es für vorstellbar, dass die verbliebenen „Verbrechen“ sogar so wenige werden, dass sie vernachlässigt werden könnten. Brutal ausgedrückt: Wer sich unter solchen Bedingungen daheim verprügeln lässt, ist „selber schuld“, wenn er es nicht beendet.

 

Eine solche Grundeinstellung wäre aber nicht kommunistisch. Zum kommunistischen Menschenbild gehört die Sorge um das nachbarschaftliche Wohlergehen. Vergessen wir nicht, dass es sehr wohl weitere reale Abhängigkeiten Schwächerer geben wird. Ich denke da zum einen an die Kinder, zum anderen an im weitesten Sinne „Kranke“ beziehungsweise „Behinderte“. (Selbst die fortschreitenden medizinischen Erfolge lassen immer wieder neue Lücken offen, die die Einzelnen nicht schließen können.)

Zu den „Kranken“ rechnen natürlich auch die, die nicht direkt „Opfer“ sind, sondern zum Beispiel Sexualstraftäter. Nicht jedes traumatisierende Ereignis lässt sich trotz bestem Wollen durch „die Gesellschaft“ verhindern, nicht jede genetische Disposition als gefährlich entschlüsseln und korrigieren. Um also beim Beispiel der Sexualstraftäter zu bleiben: Es ist der Gemeinschaft nicht zuzumuten, sie zu ignorieren und den Einzelnen nicht, sie verfolgen zu müssen. In dieser Betrachtung nenne ich auch einen Mörder aus Eifersucht „Sexualstraftäter“.

Es ist also die Weiterexistenz einer hoch spezialisierten „Polizei“ logisch.

 

Die Verknüpfung der „öffentlichen Gewalt“ mit dem Privatleben der Einzelnen mag dabei für heutige Vorstellungen schwer nachvollziehbar sein.

Grundbaustein ist eine vom Prinzip wesentlich kleinere juristische „Privatsphäre“ – die ich unter den veränderten Bedingungen nach (!) dem Sozialismus ausdrücklich für wünschenswert halte. Das kann man nur verstehen, wenn man berücksichtigt, dass es im Wesentlichen kein privates Detail gibt, dessen Öffentlichkeit dem Betroffenen schaden kann. (Ansonsten wären es keine privaten Details mehr.) Oder umgekehrt: Die Jagd nach persönlichen Details bringt im Prinzip niemandem gesellschaftlichen (ökonomischen) Vorteil. Der Kampf um persönliche Sympathien einmal ausgeklammert.

Es ist also „normal“, dass „man“ weiß, was in den Nachbarschaften (wohnlich, arbeitsmäßig, persönlich) „so los ist“. Sinnvoll ist die Existenz von frühzeitig „moderierenden“ Vertrauensleuten vor Ort. Das hat nichts mehr mit einer „Staatssicherheit“ zu tun, weil es nicht um ein politisches Problem geht. Sie sind sozusagen die niederste „Instanz“ der Nachbarschaftsbetreuung, was nicht heißen muss, aber kann, dass „Vertrauensmann“ ein „Beruf“ ist. Es kann auch ein Wahlamt sein.

 

Für technisch einwandfreie Spurenauswertung bei trotzdem nicht verhinderten Verbrechen setzt dann allerdings eine Berufspolizei ein. Ihr kommt dann auch ein Gewaltausübungsrecht zu. Es kann also auch im entfalteten Kommunismus sein, dass ein Verbrecher verhaftet wird – u.U. in Formen, die an heutige Kriminalfilme erinnern.

Danach aber wird wieder alles anders.

Richtiger: Ansätze dessen, was dann kommen kann, könntest du dir, wenn du in der DDR gelebt hättest, etwas leichter vorstellen. Dort war das System von gesellschaftlichen Gerichten, der Einheit von Berufsrichtern, Laienschöffen usw. schon praktisch in der Entwicklung. Allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass dieses System in der DDR als gesellschaftliches Problem betrachtet werden musste, im Kommunismus aber ein „individualistisches“ ist. Also irgendwo festgeschriebene „Strafen“ können nur Notbehelf in unlösbar erscheinenden Fällen sein. Normalerweise werden auch individuelle Lösungen der jeweiligen Probleme gesucht und gefunden werden. „Sexuelle Störungen“ sind erst einmal etwas Medizinisches. Und Vorrang hat die Wiederherstellung der geschädigten Opfer.

 

Doch eigentlich müsste ich damit beginnen, dass der Begriff neu gefasst wird. Denn das „Wesen“ der „kriminellen“ Handlung besteht ja nicht mehr im Verstoß gegen formal festgeschriebene Rechtstatbestände. Ein – bleiben wir bei dem Beispiel – Sexualstraftäter handelt in erster Linie krank. Er bereitet Anderen bewusst (?!) Leiden – und zwar welche, die nicht einmal in für ihn selbst akzeptablem Verhältnis zum vorübergehenden Gewinn positiver (?) Gefühle stehen. Er braucht also Hilfe zur Selbstbeherrschung.

 

Klar. Die Gesellschaft muss sich den Luxus leisten, solche Verbrechen möglichst umfassend aufzuklären. Dies wird bereits dadurch leichter, dass es nicht mehr um die Feststellung eines juristischen Sachverhalts geht. Ein Teil der Vorbehalte von Vergewaltigungsopfern, also die Abgrenzungsfragen, denen zufolge die Täter (und ihre juristischen Vertreter) es für die Opfer zu einem „Spießrutenlauf“ werden lassen, den Vorgang öffentlich zu machen, fallen weg.

Es muss unter Ausschluss der Straffrage „normal“ sein, dass über angemessenen menschlichen Umgang miteinander geredet wird – und zwar relativ öffentlich. Was danach kommt, wäre die Behandlung von Opfer und Täter. Dabei werden Strafen im engeren Sinne generell die Ausnahme sein. Das heißt nicht, dass es keine unterschiedlich restriktiv geführten „Bewährungslager“ geben wird. Sonst würde ja gegen das Prinzip der Vielfältigkeit verstoßen. Aber wichtiger als die Einlieferung in eine Schule für Kriminalitätsausübung (als welche heutige „Gefängnisse“ verstanden werden können) ist die Therapie gegen Wiederholung, die bei den Ursachen ansetzt. Wobei … noch wichtiger ist natürlich die Therapie der Opfer. Das gesellschaftliche Hauptprinzip muss logischerweise sein, Traumatisierungen jeder (!) Art zu beseitigen.

 

Die schwerste Strafe unter kommunistischen Bedingungen sind Einschränkungen der Kontaktmöglichkeiten. Im Gegensatz zum Normalfall, wo jeder frei entscheiden kann, in welchem Umfang jemand wo dazugehören möchte, erfolgen je nach Einzelfall Beschränkungen. Man könnte es wie subtile Weiterentwicklungen der „elektronischen Fußfessel“ auffassen, die mit dem zeitlich begrenzten Verbot beginnen könnte, bestimmte Internetseiten aufzurufen. Dem „Bestraften“ werden aber weit gehende Wiedergutmachungsrechte eingeräumt.

 

Um es einmal so zu sagen: Die kommunistische Gesellschaft muss sich zwei Arten von „Moderatoren“ leisten: solche, die öffentlich wirken und solche, zu denen man vertrauensvoll gehen kann, wenn man „Eifersucht“ o.ä. empfindet.

Natürlich braucht die Gesellschaft ihre materielle Basis. Also das, was materiell verbraucht wird, muss zuvor produziert sein. Aber diese Frage stellt sich anders, wenn die tatsächliche menschliche Hand weitgehend durch Technik ersetzt wurde. „Produktion um der Produktion willen“ bliebe in vorkommunistischem Denken hängen. Kommunistisch wird die Sache erst, wenn es wirklich um die Entfaltung der einzelnen Persönlichkeiten mit ihren Bedürfniswelten geht. Dort steht an erster Stelle natürlich die Gesundheit. Was das bedeutet wird im Kommunismus besonders weit gefasst.

Wann sich jeder am wohlsten fühlen, das ist natürlich eine ganz individuelle Angelegenheit, es wird bereits in frühem Kindesalter geprägt: Fühlt sich jemand in Gemeinschaften wohl, lernt er beflügelnde Gemeinschaften kennen, findet er Felder von Genuss und Bestätigung oder bleibt er bei der heutigen Meinung, mit Kämpfen gegen Andere, vielleicht sogar potentiell Schwächeren, sich selbst erhöhen zu können. Nach entsprechender Bestätigung und damit Festigung einer bevorzugten Strategie wird er sich weiter so verhalten und gesehen werden.

Das System der Motivationshilfen für gemeinschaftskonformes Verhalten wird extrem individuell ausgerichtet sein. Sicher ist allerdings, dass es solche (auch negativen) Motivationshilfen geben muss. Das Hauptziel der Gesamtgesellschaft ist ja die maximale Ausprägung jeder einzelnen Individualität. Die führt aber zur Kollision mit den berechtigten Interessen anderer Individuen.

 

Welche Bereiche machen denn kommunistisches Leben für den Einzelmenschen aus?

 

 

 

das maß

 

weil wir uns

unterscheiden

sind wir gleich

alle unsere werte

zusammengezählt

ergeben bei jedem

den wert

ein mensch

heutige rechner

umgolden

etappensieger

der geschichte

 

sie werden
im zeitmeer

versinken

wir lernen darin

schwimmen

 

 

 

Über das Große lässt sich leicht philosophieren. Kommunismus ist die Gesellschaft ohne Staatsgewalt, die Gemeinschaft der Gleichen, die nach ihren Möglichkeiten für das Wohlbefinden der Allgemeinheit beitragen und dafür nach ihren entwickelten Bedürfnissen sich am Reichtum aller beteiligen. So zum Beispiel. Wenn es darum geht, die „Gleichheit“ zu verstehen als Anerkennung der totalen persönlichen Unterschiedlichkeit, die so weit geht, dass man sich im Sinne eines sozialen Höher oder Niedriger überhaupt nicht vergleichen kann, wird es schon schwieriger. Aber was muss dann praktisch funktionieren? Arbeit wird anders und wichtig sein, aber nicht nur:

 

Eine schrumpfende Bedeutung, wenn auch eine, die nie auf Null sinkt, wird wohl die Arbeit in der materiellen Produktion haben. Tendenziell sinkt die erforderliche Gesamtarbeitszeit und weiter erforderliche Tätigkeiten werden fortwährend neu von der Technik (Robotern) übernommen.

 

Relativ geringfügig zunehmen werden spielerische Kreativarbeiten, also solche, die entweder den Produktionsprozess weiter optimieren, aber mehr noch solche, die nach Lösungen suchen, wie welche menschlichen Bedürfnisse besser befriedigt werden können.

 

Arbeitsaufgaben im „Dienstleistungsbereich“ bleiben wohl erhalten. Soweit die mit öffentlicher Gewalt verbunden sind, wurden sie hier gesondert aufgegriffen.

 

Der Bereich mit dem größten Umfang an „Arbeit“ wird der der Fürsorge und Kommunikation sein. Dort ist aber auch der Übergang zum „Privatleben“ besonders fließend. So ist zwar die Kinder- und Jugendbetreuung noch mit einem relativ großen Anteil an starr strukturierten Schulelementen durchsetzt. Also in der „Schule“ wird es sicher viele Situationen geben, die an heutige „Schule“ erinnern. Allerdings steht „Unterrichts“-Elementen ein größerer Teil „Persönlichkeitscoaching“ zur Seite. Ein Konzept allseitig entwickelter Persönlichkeiten ist mit Schulklassen, die von einem Fachunterricht zum nächsten strömen, nicht zu bewältigen. Da müssen „Eltern“ und Coach sich fast lückenlos in der Begleitung und Anleitung der Heranreifenden gegenseitig ergänzen und ablösen. Selbst unterstellt, die Schülerzahl weltweit wäre kleiner als heute, muss die Zahl derer, die hier Anteile einbringen, deutlich zunehmen. Zum fließenden Übergang zwischen „professionellem“ und „eher privatem“ Coachen werden auch mehr Formen der Eltern-, Großeltern- und Gruppenleiter-Anleitung gehören.

 

Vielleicht nicht ganz so verschwommen wird der Bereich medizinischer Versorgung und Betreuung sein. Klar: An erster Stelle stehen da professionelle Tätigkeiten. Sie sind uneingeschränkt darauf gerichtet, jeder Persönlichkeit die „Gesundheit“ zur Selbstentfaltung zu erhalten. Krankheiten sind auch als technischer Vorgang anzugehen. Ein gebrochener Arm ist nicht mit Zureden aus der Welt zu schaffen, bestimmte Viren im Wesentlichen auch nicht. Sie wirken als Schadprogramme im Körper, derer dieser innerhalb der verfügbaren Lebenszeit nicht aus eigener Kraft Herr werden kann. Dafür werden Krankenhäuser und ambulante Betreuungszentren sogar noch ausgebaut werden müssen, wo die körperliche Anwesenheit von Fachpersonal Erfolgsbedingung ist. Vom Grundbild werden also Ärzte und Pfleger(innen) sich am wenigsten von den heutigen unterscheiden – nur ihre technischen Möglichkeiten extrem verbessert sein. Flankiert wird diese technische Seite durch eine, für die es heute keinen ausreichend genauen Namen gibt. Am nächsten käme sie vielleicht dem Bild der Gemeindeschwester beziehungsweise ambulanter Betreuung. Hauptunterschied zu Bekanntem ist der verfügbare Zeitfonds. Der fließende Übergang zum „privaten Schwätzchen“ muss eingeplant sein. Diese Sozialbetreuer haben sozusagen die Verantwortung für das allgemeine Wohlbefinden eines angemessenen Kreises von bedingt Bedürftigen – was also heißt, dass es nicht nur „Berufstätige“ sein werden, sondern auch „Hobby-Partnerschaften“ / Patenschaften u.ä. Solche fließenden Übergänge sind ja alle deshalb kein Problem, weil niemand eine (scheinbar) private Fürsorgeleistung zu Lasten eines bezahlten Jobs erbringt, sondern alle formal gleichwertig sind.

 

Ein besonders großer Anteil an jedermanns Lebenszeit entfällt auf Kunst im weitesten Sinne. Dabei ist nebensächlich, ob es um das aktive Künstler-Sein oder um Kunstgenuss geht. Wie immer sind die Übergänge fließend. Zum Verständnis des Problems erinnere ich an den Begriff des „Kunsthandwerks“. Es dürfte kaum Menschen geben, die nicht etwas tun werden, was zwar nicht existenzbegründend ist, aber ihnen und gleich Gesinnten Freude bereitet.

 

Wesentlich stärker als heute wird das Gesamtleben aller Menschen von einer Vielzahl unterschiedlicher Kommunikationsformen durchdrungen sein. Anzunehmen ist, dass sich „Videophonie“ zur Hauptform entwickelt, also Gespräche, ggf. auch Konferenzen, bei denen sich die Beteiligten nur nicht berühren und beriechen, sich aber ansonsten relativ umfassend emotional und sachlich austauschen. Wie bei dem meisten Anderen wird es schwer abzugrenzen sein, ob man sich nur privat trifft oder dort, wo dies körperlich nötig bleibt, an einem eigenständigen Arbeitsplatz auch über Privates unterhält. Viele moderne Arbeitsaufgaben sind heute schon technisch von „zu Hause“ aus lösbar. Die Hauptgegenargumente der Geheimhaltung und begrenzten Kontrollierbarkeit entfallen im Kommunismus.

 

Eine Sonderform der Kommunikation wird sicher die professionelle Moderation sein, die Störungen zwischenmenschlicher Beziehungen abbaut.

 

Besonders herauszuheben sind die „zwischenmenschlichen Beziehungen“. Sie unterscheiden sich von den heutigen sicher in erster Linie durch ihre größere Vielfalt. „Man“ wird sich wohl über keine Form des Zusammenlebens wundern, über nackte Fremde auf dem Flur, Kinder, die nicht wissen, wessen Spermien ihre Existenz begründeten, Gruppen, die sich auflösen so wie sie sich bildeten und umgekehrt … aber eben auch nicht über Menschen, die ihre Absicht, dauerhaft zusammen zu leben über eine Zeremonie aus vergangenen Zeiten dokumentieren möchten und ihr ganzes langes Leben miteinander verbringen. Wahrscheinlich bewirken besiegte Krankheiten nur eine unverkrampfteren Umgang mit Sexualität.

 

Ein eigener Bereich ist die „Versorgung“, also das, was heute Handel heißt. Er wird nach eigenen, mit nichts Heutigem vergleichbaren Regeln funktionieren.

 

Ebenfalls ein eigener Bereich ist der Transport, das Reisen. Zu beiden habe ich ja extra was geschrieben. Wichtig hierbei ist, dass die neuen Kommunikationsformen ein Ausufern des Reiseumfangs blockieren können. Es wird sinnvoll sein, den Aufenthalt in „exotischen“ Regionen technisch perfekt zu simulieren.

 

Völlig Anderes als heute enthält der Ausdruck „Politik“. Es dürfte jedem selbstverständlich erscheinen, bei öffentlichen Angelegenheiten, die ihn direkt oder indirekt betreffen – einschließlich der Planung des Weltarbeitsvermögens – mitreden zu dürfen und auch mitzureden. So wie du irgendwann im Laufe des Tages dein Mailfach abrufst, wird der „kommunistische Mensch“ dies auch tun – nur dass dort eben alltäglich auch Projekte vorgestellt werden mit Links zur Vertiefung, die Entscheidungen vorbereiten, was dem einen eben mehr Freude bereitet als dem anderen. „Formaljuristisch“ sitzen die Menschen des Kommunismuszeitalters also am Computer zum gemeinsamen Klären aller Fragen von öffentlicher Bedeutung wie unsere Urahnen bei der Stammesversammlung. Nur, dass sie sich häufiger „ausloggen“, weil die Gesamtzahl der zu klärenden Fragen einfach ihren Zeitfond übersteigt und sie nach Interessen / Bedürfnissen auswählen müssen … und können … und dass sie das nicht tatsächlich im Augenblick machen müssen.

 

Mit allen diesen Komplexen ist der Bereich der Selbstverwirklichung verzahnt. Jeder Mensch kann fundiert hinterfragen, was und wer ihm wichtig ist im Leben und wem er wichtig ist. Das entscheidet über das Funktionieren des Systems …

Thesenansätze

 

Nach uns nicht die Sintflut

 

sollte einmal

endlich in frieden
die einsicht grünen
was uns menschen

wirklich nutzt
wird niemand mehr
tauschwertig
als zu leicht befunden

jeder keim bringt

jemandem
die richtige frucht

nutze dich
wird man sagen
dreh dich

im licht
rundum erblühe und
ernte dich

arbeit ist
kunst wie

kunst
arbeit

fehlender besserer worte wegen und

weil dies ungeborene kind

nach einem namen schreit

nennen manche diese zeit

kommunismus

Die ganze Entwicklung des Kapitalismus war und ist zugleich eine Entwicklung von Produktivkraft-Potenzen, die heute längst aus den Systemen der Klassengesellschaften hinausweisen.

 

Kein bisheriger Revolutionsansatz hat eine Gesellschaft geschaffen, die zu Recht Sozialismus oder gar Kommunismus genannt werden konnte und kann.

 

Vorrangiger Grund für das Steckenbleiben der bekannten „Übergangsgesellschaften“ war, dass ein tatsächlicher Sozialismus sich erst entfalten kann, wenn er die Verhältnisse auf der ganzen Erde bestimmt. Andererseits waren die Produktivkräfte im Allgemeinen und in den Ländern, die den Sozialismus anstrebten, erst recht, noch nicht für die neue Gesellschaft reif.

 

Etwa seit der Jahrtausendwende sind die Produktivkräfte in den entwickelten Staaten und den mit ihnen am engsten verflochtenen Volkswirtschaften ausreichend für einen realen Übergang zum Sozialismus, innerhalb dessen kommunistische Verhältnisse vorbereitet werden könnten, ausgereift.

 

Die maßgeblichen Voraussetzungen für eine grundsätzlich neue Gesellschaftsgestaltung sind auf der einen Seite, dass die Menschen ihre Umwelt so umfassend verändern können, dass sie privatwirtschaftlich organisiert handelnd sich selbst als Teil der natürlichen Umwelt mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit vernichten werden, und auf der anderen Seite, dass sie über die materiellen Mittel verfügt, die wesentlichsten Lebenssysteme bewusst geplant zu steuern.

 

Die Entfesselung des ersten Weltkriegs war eine große Chance, (etwas vorfristig) Verhältnisse zu schaffen, die nachfolgend einen evolutionären Prozess bis hin zum entwickelten Kommunismus ermöglicht hätten.

 

Dass diese Chance nicht genutzt worden ist, weil die Revolutionen in Ländern mit hoher Qualität der Produktivkräfte – besonders in Deutschland – scheiterten, war eine Menschheitskatastrophe.

 

Durch jene technischen Mittel, die dem Begriff „Informationsgesellschaft“ einen Sinn geben (Rolle von Programmen, Vernetzungen usw.), könnte eine gemeinwirtschaftlich organisierte Wirtschaft erstmals ihre Vorzüge gegenüber privatwirtschaftlich organisierten entfalten.

 

In den Händen privatwirtschaftlich Denkender und Handelnder werden dieselben technischen Mittel zur Bedrohung, ja „Entwertung“ für die meisten Menschen auf der Erde.

 

Der Übergang zur neuen Gesellschaftsordnung setzt die Reife mehrerer „regionaler“ Faktoren voraus, kann evolutionäre Phasen haben, vollzieht sich aber wahrscheinlich als Überwindung existenzieller Katastrophen.

 

Im Wesentlichen lassen sich die Verzerrungen der Verhältnisse in den bisher bekannten Übergangsgesellschaften direkt oder indirekt auf ihre Ausgangssituation zurückführen.

 

Im Sinne der Menschheitsentwicklung waren die Übergangsgesellschaften trotz ihrer Verzerrungen eine gewaltiger Fortschritt. Die durch die erfolgte Konterrevolution rückgängig gemachte gewaltsame Errichtung notwendiger Fundamente einer gesellschaftlich fortschrittsfähigen Gesellschaft müssen neu „gegossen“ werden.

 

Eine fortschrittsfähige Gesellschaft ist nur möglich, wenn zumindest zwei Grundaufgaben gelöst sind:

  1. Ein breites Spektrum von Eigentumsformen ohne jenes Privateigentum an Produktionsmitteln, mit dem fremde Arbeitsvermögen angeeignet wird. Innerhalb dieser Vielfalt nimmt gesamtgesellschaftliches Eigentum die entscheidenden Positionen in den Volkswirtschaften ein.

  2. Die progressiven Klassen und Schichten üben die politische Macht so aus, dass die wirtschaftliche Restmacht der ausbeutungsfixierten Gruppen vorübergehend außerökonomisch überkompensiert wird. („Diktatur des Proletariats“)

 

Zur Konkretisierung der marxistischen Lehre von den ökonomischen Gesellschaftsformationen ist zwischen den „Kapitalismus“ und den „Sozialismus / Kommunismus“ eine Phase der „Übergangsgesellschaften“ „einzuschieben“. Im Sinne von Karl Marx wäre dies eine auf lang gestreckte Weltrevolution, praktisch das Nebeneinander von staatlich organisiertem Kapitalismus und Staaten mit unterschiedlich stark ausgeprägten Grundlagen für den Aufbau des Sozialismus.

 

Diese Übergangsgesellschaften sind hauptsächlich dadurch gekennzeichnet, dass

  • die notwendigen Voraussetzungen für die Lösung der Aufgaben des Sozialismus im jeweiligen Land geschaffen bzw. verteidigt werden müssen,

  • noch die Marktgesetze gegenüber Ansätzen zur planmäßigen Gestaltung der Bedürfnisbefriedigung der Mehrzahl der Menschen dominieren,

  • alle sozialistischen Ansätze permanent gestört werden durch den nicht nur staatlich organisierten Kapitalismus, egal wie erfolgreich dies im Einzelnen abläuft

  • die Formen des Klassenkampfes auf nationaler und internationaler Ebene ständig wechseln,

  • es noch unmöglich ist, das Hauptwesensmerkmal des Sozialismus, also das allmähliche Absterben des „Staates“zugunsten der Selbstorganisation nicht mehr antagonistischer Gruppen, praktisch zu entfalten.

 

In „Übergangsgesellschaften“ existieren also auf einem Teil der Erde die Grundlagen der neuen Gesellschaft (allem voran das gesellschaftliche Eigentum an den wesentlichen Produktionsmitteln), es ist aber nur in extrem engem Rahmen möglich, die daraus erwachsenden gesellschaftlichen Vorteile zur Geltung zu bringen. Der „Klassenkampf“ im Weltmaßstab ist noch nicht entschieden.

 

Ein besonders wichtiges Element – aber nicht das einzige – dabei ist, dass sozialistische Produktionsverhältnisse nicht mit einer Rüstungsindustrie und mit potentiellen Kriegen verbundenen Aufwendungen vereinbar sind, diese aber trotzdem unvermeidlich sind..

 

Es liegt also im Interesse von Sozialisten und Kommunisten, das Andauern der Übergangsgesellschaften kurz zu halten und nicht ihr vorzeitiges Ende zu suggerieren (sie gar „entwickelte sozialistische Gesellschaft“ zu nennen). Besonders Letzteres fördert objektiv – also unabhängig von den Absichten der Handelnden – die „Konterrevolution“.

 

Überlegungen zu Formen der Befreiung aus dem Kapitalismus in die Übergangsgesellschaften müssen immer der konkreten Situation entsprechen. Eine Überhöhung der Gewalt der Massen ist ebenso kontraproduktiv wie eine Verabsolutierung eines parlamentarischen Weges auf der Basis der Gesetze. Letztere wurden ja gemacht, um die bestehende alte Gesellschaftsordnung zu erhalten. Es ist allerdings davon auszugehen, dass individuelle Gewalt ein bevorzugtes Mittel zur Diskreditierung revolutionärer Ideen bleibt, in der Hauptzahl der Fälle also den Vorwand liefert, Unterdrückungsgewalt offener zu praktizieren, und potentiell schwankende Massen vom Mithandeln abhält.

 

Die erste Phase der kommunistischen Gesellschaftsformation, also der Sozialismus, ist eine über eine unbestimmte Zahl von Generationen andauernde „Kulturrevolution“.

 

Im Prinzip geht es darum, die vielfältigen Relikte verinnerlichter Egoismusstrategien im menschlichen Denken und Handeln allmählich abzubauen.

 

Zwar sind die objektiven Voraussetzungen für die Ausbeutung fremder Arbeitskraft juristisch beseitigt, die Denkstrukturen, in individuellerer Form von der Leistung Anderer leben zu wollen, sind aber noch erhalten geblieben und werden, teilweise sogar unbeabsichtigt, weiter von Generation zu Generation „übergeben“.

 

Es müssen sich erst Strukturen bewähren, die ein gesamtgesellschaftliches Eigentümerbewusstsein und das entsprechende Verhalten fördern. Hilfreich ist hierbei sicher, vielfältige Formen von Eigentümergemeinschaften zu fördern.

 

Wesentlich für den Erfolg dieser gesellschaftlichen Entwicklung ist die sich beständig wiederholende Bestätigung der Möglichkeiten, Individualität innerhalb großer Gemeinschaften entfalten zu können.

 

Als technisches Instrument zur Verknüpfung von Gemeinschaftsinteressen ist das „Internet“ von Ausschlag gebender Bedeutung. Es ist die notwendige Voraussetzung eines realen, dauerhaften Kommunismus im Weltmaßstab.

 

Der entfaltete Kommunismus ist die individualistischste Gesellschaft, die sich menschliche Intelligenz denken kann.

 

Im e.K. sind sowohl indirekte wirtschaftliche Unterordnungszwänge weggefallen als auch starr institutionalisierte Einschränkungen individueller Freiheiten („Staatsapparate“).

 

Der e. K. ist die Gesellschaft mit der höchsten Vielfalt an Formen, durch die konkrete Beziehungen zwischen Menschen(gruppen) geregelt sein können … richtiger: sich einer „Regelung“ im heutigen Sinn entziehen.

 

Das Verschwinden hierarchischer Strukturen bewirkt allerdings das Verschwinden bestimmter Formen. Wo es keine „Staaten“ gibt, gibt es logisch keine „Staatsapparate“, also keine Armeen, Zollorgane, Beamte usw.

 

An die Stelle anderer Institutionen treten soziale Instrumente, die zumindest Anklänge an heute Vertrautes aufweisen, ohne tatsächlich vergleichbar zu sein (Polizei).

 

Alle Beziehungen zwischen den Menschen werden auf der direkten Ebene der zu befriedigenden Bedürfnisse gestaltet (und nicht indirekt über ein Äquivalent Geld).

 

Die Vielfalt der zu befriedigenden Bedürfnisse bewirkt die Vielfalt der Formen, über die sie befriedigt werden.

 

Voraussetzung für „nachhaltigen“ Kommunismus, also eine gemeinschaftliche Gesellschaftsgestaltung, die nicht wieder in Klassengesellschaften zurückfällt, ist ein sehr hohes Niveau der Produktivkräfte.

 

Im Wesentlichen gibt es zwei Merkmale, an denen das notwendige Niveau bestimmt werden kann:

  1. Alle Erkenntnisse des Menschheitsfortschritt sind weltweit uneingeschränkt nutzbar. (Ist technisch erreicht. Die Umsetzung der Möglichkeiten werden durch die Eigentumsverhältnisse verhindert.)

  2. Der Umfang der vergegenständlichten Arbeit übersteigt den der aktivierbaren lebendigen Arbeit so weit, dass die elementaren Bedürfnisse aller Erdenbürger im Wesentlichen durch sie befriedigt werden könnten.

 

Ein immer wieder zu wiederholender Schritt in eine grundsätzlich neue Gesellschaft ist die Beseitigung der materiellen Verhältnisse, die zwangsweise Egoismus reproduzieren.

 

Das, was Marxisten „Privateigentum an den Produktionsmitteln“ nennen, bewirkt auf der einen Seite, dass die Besitzer sich fremde Arbeit günstigst, also für die anderen ungünstigst aneignen können. Auf der anderen Seite bewirkt es aber auch, dass sie sich in einer bestimmten Weise verhalten müssen, wollen sie ihre gesellschaftliche Stellung bewahren oder ausbauen. Das färbt auch auf die Verhaltensweisen der Nichtbesitzer ab, da tendenziell die am geschicktesten skrupellos egoistisch Handelnden als erfolgreich im allgemeinen Konkurrenzkampf um die besten Positionen in einer Weltmangelwirtschaft gelten.

 

Vergleichbar wichtig ist eine weltweite (strukturell) neue Verteilung der Ressource Arbeitsvermögen.

 

Alle Arbeiten / Tätigkeiten müssen überprüft werden, ob sie zur Befriedigung echter Bedürfnisse sinnvoll sind. Alle Arbeiten, die keinen eigenen Nutzen erbringen außer dass sie das Funktionieren der Privatwirtschaft absichern, werden bis nahe Null abgebaut. Als besonders einschneidende Vergeudung von Naturressourcen, menschlichen Potenzen und Menschlichkeit verschwindet der Hauptteil aller Gewaltinstitutionen (Rüstung u.ä.). Dazu gehören aber auch alle Wirtschaftselemente zur Eigentumsscheidung und -manipulation, also Finanz- und Versicherungswirtschaft, Steuer- und Rechnungswesen, Lizenzwesen u.v.a.m. In der Konsequenz dürfte mehr als die Hälfte der „bei uns“ „bezahlten“, also als „gesellschaftlich notwendig anerkannten“ Arbeiten weggefallen sein.

 

Der dritte Schritt ist eine relative Angleichung der Lebensverhältnisse aller Menschen auf der ganzen Erde.

 

Diese Angleichung trägt bereits ein deutliches kommunistisches Merkmal: Es herrschen nicht weltweit dieselben Bedingungen, sprich: es werden nicht überall dieselben Konsumwelten nachgeholt, die in imperialistischen Metropolen geschaffen wurden, sondern es werden weltweit dieselben relativen (!) Wohlfühl-Lagen geschaffen und Möglichkeiten, sich uneingeschränkt in „Weltverhältnisse“ zu integrieren. Für das Funktionieren der Welt ist in manchen Regionen einfach „nur“ wichtig, dass alle Betroffenen sauberes Wasser, vernünftige Speisen, Kleidung und Wohnung haben, dies letztlich aus eigener Arbeit erwachsen kann und alle Bildungs- und Entwicklungswege genutzt werden können.

 

Der „vierte“ Schritt ist der Aufbau eines tatsächlich vernünftigen weltweiten Planungs-, Versorgungs- und Kommunikationssystems.

 

Es ist ein am Gemeinwohl orientiertes, hoch entwickeltes und sich beständig weiter entwickelndes „Internet“. Es spiegelt das in der realen Lebenswelt vorgegebene Ineinandergreifen verschiedener Ebenen wider. Geplant werden kann und muss innerhalb verschiedener abgrenzbarer Systeme und zwischen diesen. Dabei ist wichtig, dass möglichst viel regional beziehungsweise auf unteren Ebenen entschieden wird. In höherer Ebene werden die Schnittstellen bestimmt. Im praktischen Leben ist dies hierarchisch wesentlich leichter. Vorstellbar in der Art einer einzigen universalen Partnerschaftsvermittlung. Nicht verschiedene neben- und gegeneinander, sondern ein Auf-, Ab- und Seitwärts-Surfen nach verschiedenen interessierenden Gesichtspunkten. Wichtig dabei ist, dass jeder Teilnehmer in jeder Ebene handeln kann, also auch bei der Wirtschaftsplanung auf allen Ebenen Änderungsvorschläge einbringen und anteilig durchsetzen kann.

 

Der „fünfte“ Schritt ist die absolute Individualisierung.

 

So wie jeder Beteiligte auf allen Ebenen seine Besonderheiten ins Ganze einbringen können muss, so gehört es zur allgemeinen Freiheit, sich als Persönlichkeit zu entfalten. Diese „Individualisierung“ schließt ein, dass es keine allgemeingültigen Normen gibt – natürlich mit Ausnahme derer, dass die Ausübung der Freiheit des einen nicht zur Einschränkung der Entfaltung Anderer führen darf. Insofern gibt es es als Sonderfall zwischen Gewaltlosigkeiten letzte Gewaltinstanzen.

 

Der sechste Schritt, der wie die vorangegangenen schon mit Beginn der Übergangsgesellschaften ansetzen muss, aber erst im entfalteten Kommunismus systematisch erfolgreich sein kann, ist ein umfassendes Bildungssystem für Genuss, Gesundheit, Kommunikation und Kunst.

 

Jeder Einzelne muss befähigt werden, aktiv und passiv zu genießen und Andere genießen zu lassen. In diesem Zuge nehmen die durchschnittlichen Auffassungen, was „menschliche Bedürfnisse“ sind, eine neue Qualität an. Dies schließt die Fähigkeit ein, Arbeit, vor allem kreative, als Genuss zu empfinden.

 

Siebtens: Schlüsselbegriff der kommunistischen Gesellschaften ist Kunst im weitesten Sinne.

 

Im Rahmen der Integration in ein individualisiertes Planungssystem findet jeder Beteiligte verschiedene Tätigkeiten, bei denen er sich selbst und durch ihr Ergebnis Anderen Vergnügen und Genuss bereitet. Dies erwächst auch aus dem erprobten Wissen der Handelnden, wo besondere Qualitäten für ihn liegen, aber auch in der relativ freien Entscheidung, wann er welche Tätigkeit ausübt, und aus dem Wissen, dass die Ausübung „gesellschaftlicher Arbeiten“ ein angenehmes Feld zwischenmenschlicher Kommunikation ist.

Wortwirrwarr

 

Meinungsfreiheit

 

Eine Meinung haben alle Menschen zu allen Sachverhalten, von denen sie etwas gehört, gelesen oder gesehen haben. Sie ist die erste, oberflächliche geistige Widerspiegelung der Umwelt durch jedes Einzelwesen. Tiere widerspiegeln ihre Umwelt auch. Dabei können, oft dürfen sie nicht besonders „tiefsinnig“ werden. Es ist zweckmäßig, eine Art Ur-Meinung zu haben. Dabei gibt es sinnvolle Erstinstinkte und Überlagerungen durch Erfahrungen. Ein sinnvoller Erstinstinkt ist, alles, was man nicht kennt, als feindlich anzusehen, das Rascheln im Unterholz, wenn man es nicht sofort deuten kann, als Aufforderung zur Flucht oder zur Gegenoffensive, damit nicht das Unbekannte den Überraschungseffekt ausnutzt. Auch die Erfahrung ist sehr oberflächlich. Aus äußeren Ähnlichkeiten wird auf allgemeine Ähnlichkeit geschlossen. Auch dies muss sehr schnell gehen. Ein einziger Irrtum kann tödlich sein. Eingeschlafenes Misstrauen ist der gefährlichste „Irrtum“.

Dieses Urtierische kommt im menschlichen abstrakten Denken am ehesten als „Meinung“ zum Vorschein. Es ist ein sinnvolles Hilfsmittel, nicht über alles neu nachdenken zu müssen. Wen einmal eine Blondine betrogen hat, dessen Unterbewusstsein „weiߓ, dass Blondinen betrügen. Wäre das menschliche Denken insgesamt nicht vielschichtiger, würde der Betroffene dann die Nähe aller Blondinen meiden.

Eine Meinung ist also eine widersprüchliche Sache: Auf der einen Seite sorgt sie dafür, dass wir überhaupt auf alles reagieren können, was uns begegnet, weil es uns hilft, etwas schnell gut oder böse zu finden, andererseits ist jede Meinung nah verwandt mit dem Vorurteil, weil wir schon „wissen“, bevor wir wissen, und allzu kompliziertes Durchdenken nicht mehr nötig erscheint – je komplexer eine Sache wird, umso nötiger wäre es jedoch, sich über das Einerseits und Andererseits zu informieren und es dann erst zu beurteilen.

Wer sich anmaßt, anderen eine Meinung zu „bilden“, der versorgt sie gezielt mit Teilwahrheiten, dass sie nicht mehr näher nachdenken – befangen im Irrglauben, schon „alles“ zu wissen.

Gegen „Meinungsfreiheit“ zu sein bedeutete, den Menschen zu verbieten, ihr Gehirn in der Art zu benutzen, in der es funktioniert.

Wer allerdings möchte, dass sich die Menschen weiter entwickeln, sollte sich bemühen, fundiertes Wissen an die Stelle oberflächlicher Meinungen zu setzen. Dazu gehört auch, die Unsinnigkeit bestimmter Meinungen aufzuzeigen – möglichst nicht dadurch, dass man sagt, man habe selbst die richtige Meinung oder sie ist es, weil die schon … gehabt hat. Eine Meinung wird ja nicht dadurch wahrer, dass die Mehrzahl der Menschen sie vertritt. Die Erde hat sich auch zu Zeiten um die Sonne gedreht, als mehr Menschen als heute anderer Meinung waren.

Aber trotzdem greift jede Meinung irgendetwas „Richtiges“ auf. Dies gilt es zu durchdenken.

Das ist zumindest meine … „Meinung“ …

 

Stalinismus – Leninismus – Marxismus

 

Man kann alles in sein Gegenteil verkehren – allein schon dadurch, dass man Zeitbezug und sachliche Ebene verwirrt.

Im entfalteten Kommunismus würde jeder Mensch anarchistische Forderungen nach Abbau aller „Macht“ als seltsam, weil längst verwirklicht auffassen – warum sollte man etwas Vorhandenes fordern? Im reifen Sozialismus sind dieselben anarchistischen Forderungen progressiv, treiben die Gesellschaft vorwärts. In einer Übergangsgesellschaft oder im Kapitalismus sind dieselben (!!!) Forderungen entweder reaktionär, insoweit sie auf die bewusste Selbstentwaffnung der progressiven Kreise hinauslaufen, oder naiv, da die Kapitalistenklasse als solche aggressiv ist und der einzelne zur Gewaltlosigkeit bekehrte Kapitalist nur aus seiner herrschenden Klasse ausgestoßen würde. Es kommt also nicht darauf an, eine Sache (zum Beispiel hier den Anarchismus) „an sich“ zu bewerten, sondern sie in die Zusammenhänge einzubetten, durch die sie sich in eine bestimmte Richtung auswirkt.

Insofern ist immer eine gesunde Skepsis im Umgang mit Ismen angebracht, besonders solchen, die sich auf den Namen einer einzelnen Person beziehen. Sie sind von vornherein ein Stück unwahr: Jeder Mensch macht Fehler, hat Schwächen, begreift einige der Bedingungen, unter denen sich seine persönliche Sicht entwickelte, nur einseitig oder falsch – so wie jeder Mensch manches richtig sieht und in manchen Situationen richtig handelt. Ismen maßen sich also immer an, eine Person auf die Teile reduzieren zu dürfen, die denen, die diese Ismen als Begriff prägten, gerade ins System passen. Und so kann man unter dem Deckmantel der Berufung auf eine „Größe“ das Wesen von dessen Lehre u.U. in sein Gegenteil verkehren. So wie häufig Zitate, aus ihrem Zusammenhang gerissen, nicht das aussagen, was sie meinten.

 

Ich halte eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen „Stalinismus“ für unbedingt erforderlich für eine letztlich in tatsächlichen Kommunismus führende Gesellschaft. Allerdings ist der Begriff extrem belastet. In seiner Hauptbedeutung ist er ein ideologischer Kampfbegriff übelster Antikommunisten. Mit mehr oder weniger psychologischer Raffinesse wurde er geprägt, um einen Pawlowschen Reflex auszubilden: „Stalinismus“ ist „Kommunismus“ und zwar „Kommunismus“ so, wie er in der Wirklichkeit „kommunistischer“ Machtausübung aussieht. Mit anderen Worten: Die Begriffsprägung „Stalinismus“ ist in diesem Sinn ein Versuch, dem Nachdenken über „Kommunismus“ vorzubeugen, eine Art Schutzimpfung für Denkfaule, deren Unterbewusstsein auf „Kommunismus“ sofort „Stalinismus“ aktiviert und sich dabei eine Art „Sowjetfaschismus“ vorstellt.

Nun ist dialektisches Denken an sich etwas Unbequemes: Immer soll man unterscheiden zwischen Wesen und Erscheinung, aber auch noch zwischen Erscheinungen, die das Wesen außen sichtbar machen, und solchen, die das Wesentliche „ergänzen“, von ihm abweichen, ihm sogar widersprechen – zumindest auf einer bestimmten Ebene.

Bisher habe ich mich stärker auf die wesentliche Seite konzentriert. Also dass unter dem Druck der durchlebten Interventionen für das Sowjetreich eine besonders militante Verteidigungsform nahe lag, die auch „Auswüchse“ billigend in Kauf nehmen MUSSTE.

 

Für Kommunisten unter sich sollte stärker die andere Seite eine Rolle spielen. Also das nicht Notwendige, das nicht Wesentliche. Ein solches Herangehen ist insofern wichtig, weil diese Elemente von „Stalinismus“ bei einem künftigen Weg zum Kommunismus vermieden werden können und müssen. Wie aber sollten wir das unterscheiden, wenn wir alle geistige Kraft für die Verteidigung vergangener Notwendigkeiten verausgeben?

Gemeint sind zwei böse Seiten einer Medaille: Auf der einen Seite steht das persönliche Machtstreben auch jener Menschen, die sich „Kommunist“ nennen. Eben weil auch Kommunisten „nur“ Menschen sind, sind sie nicht vor dem unterbewussten Gedanken gefeit, das, was sie denken, für das Richtige zu halten, das, was sie für „Kommunismus“ halten, mit dem Kommunismus gleichzusetzen… und demzufolge alle von ihren persönlichen abweichenden Positionen für „feindliche“ zu halten. Als Mensch können sie also ihr persönliches Machtstreben mit der Durchsetzung der neuen Gesellschaft verwechseln und die Beseitigung eines persönlichen Kontrahenten mit Klassenkampf, bei dem sie selbst selbstverständlich immer auf der richtigen Seite stehen. Sie können damit gelegentlich sogar Recht haben …

Im entfalteten Kommunismus wird diese Übereinstimmung von persönlichem Streben und gesellschaftlicher Notwendigkeit tendenziell immer wahrscheinlicher – im Ausgang aus dem entfalteten Kapitalismus ist es in erster Linie aus den bestehenden Verhältnissen erwachsener Egozentrismus.

 

Hier stößt „Stalinismus“ auf den Kampfbegriff „Leninismus“. Die diesen Begriff verwenden, verengen den Namensgeber meist in fürchterlichster Weise. Während der reale W.I. Lenin das gesamte System des „Marxismus“ auf die Verhältnisse des 20. Jahrhundert zu aktualisieren und in praktische Einzelschritte zu zerlegen versuchte, wird der Begriff häufig auf eine Entwicklungsphase Lenins verengt: Seine unter brutalster zaristischer Verfolgung entwickelten Überlegungen zu einer erfolgreichen „Partei neuen Typs“. Wer undialektisch an diese Überlegungen herangeht, vernachlässigt die Notwendigkeit, bei schlimmster Verfolgung zu sofort umsetzbaren Beschlüssen kommen zu müssen. Im Prinzip enthält „Was tun?“ alle Gedanken zur „Basisdemokratie“ – allerdings unter harten Kampfbedingungen. Es ist einfach unfair, den Willensaufbau von unten nach oben in der Partei der Beschlussdurchsetzung von oben nach unten entgegenzustellen und Letzteres Leninismus zu nennen.

Aber es gibt eben Vereinfachungen: Der oberste „Entscheider“ entdeckt als charakterlich ungefestigter Mensch den Rausch der Macht … und kann ihn missbrauchen. Wasser predigen, Wein trinken …

 

Nun kommt die andere Seite der Medaille: Zum praktizierten „Stalinismus“ gehören natürlich auch alle bin ins Groteske getriebenen Auswüchse von Personenkult, den die Untergebenen treiben. Wenn Kindergruppen in ihrer Zusammenkunft im Präsidium einen Platz für den Genossen Stalin frei hielten, war dies einfach lächerlich. Insgesamt ist es aber das System des sich Andienens, das erst die gigantische Macht einzelner „Führerpersonen“ ermöglicht. Es gehört neben der Machtgier Einzelner eben die Akzeptanz der Anderen dazu. Und dies ließ sich leider nicht auf die Person des Josef Stalin beschränken, sondern zumindest begünstigte es die Erschleichung von Machtpositionen durch inzwischen als Feinde einer gemeinschaftlichen Gesellschaft entlarvte Täter vom Typ Gorbatschows oder Jelzins.

 

Das Problem „Stalinismus“ deckt allerdings ein grundlegendes geschichtliches Phänomen auf. Ich nenne es hier einmal „Konservatismus des Faktischen“.

Eine grundlegende natürliche Eigenart des Lebens ist seine Fähigkeit zur Anpassung an gegebene (und sich ändernde) Verhältnisse. Dabei nimmt der Grad der Bewusstheit der Anpassung mit dem Grad der Bewusstheit der Lebensform zu. Aber das Prinzip bleibt. Sozusagen auf eine aus dem Tierreich herausragende Intelligenz aufbauend analysiert „der Mensch“ die ihn umgebenden Verhältnisse und entwickelt Strategien, sich ihnen entsprechend zu verhalten. Das ist der urtümliche Kodex des Verhaltens. Sich bewusst revolutionär zu verhalten, also eine die eigene Person als Horizont übersteigende Erkenntnis von Notwendigkeiten als Handlungsgrundlage zu entwickeln, bedeutet einen zumindest partiellen Bruch mit diesem Prinzip, der normalerweise nicht von eine Mehrheit erwartet werden kann. Es ist eine Art Selbsterhaltungstrieb, sich im „Kapitalismus“ „unsolidarisch“ zu verhalten, weshalb das Verschwinden des egoistischen Grundschemas erst nach dem Ende der „Übergangsgesellschaften“ möglich wird.

 

Der natürliche Mechanismus stärkt also die jeweils bestehenden Machtverhältnisse – das trifft eben auch einen Machtapparat, bei dem einige Personen an der Macht für sich den „Aufbau des Sozialismus“ als Ziel in Anspruch nehmen. Da der Sozialismus aber nicht das Werk weniger Personen sein kann – die können nur leichter seine Fundamentsteine wie Gemeineigentum juristisch setzen – wirkt der „Konservatismus des Faktischen“ hier doppelzüngig: Zum einen hilft er bei der Festigung der Machtposition der bestimmenden Personen, zum anderen reproduziert er bereits unter der Oberfläche des „Aufbaus des Sozialismus“ privatkapitalistische Konkurrenzdenkstrukturen.

Und was mindestens genauso wichtig ist: Ein solcher „Mechanismus“ ist „antikommunistisch“. Er ist eine „natürliche“ Strategie zur Anpassung an Macht. In gewisser Hinsicht „denkt“ da „der Mensch“ wie ein Tier und richtet sich in der einen wie der anderen Machtstruktur ein. Im Kommunismus gibt es aber im herkömmlichen Sinn keine Machtstrukturen. Kommunismus existiert gerade nur durch die kreativen Ideen Einzelner – wahrhaft kreative, also solche, die das System mit „Eigennutz“ im übertragenen Sinne vorwärtsbringen.

Es kann sein, dass ich das mit der Brille eines Heutigen völlig falsch sehe. Wir sind gewohnt, „Eigennutz“ als etwas Egoistisches, GEGEN „die Anderen“ Gerichtetes zu verstehen. Wer sagt uns denn, dass nicht dieselbe Selbsterhaltungsstrategie einmal eine „Anpassung“ an „herrschende“ kommunistische Verhältnisse sein wird? Dass der „Egoismus“ „des Menschen“ sich in den Drang wandelt, positiv aufzufallen? Dass die ständige Wiederholung und Festigung solcher Verhaltensweisen nicht zu ihrer Verinnerlichung führen kann? Dies setzte aber logisch voraus, dass sich bereits kommunistische Verhältnisse durchgesetzt hätten. Und es bedeutet, dass immer neu Anreize gefunden werden müssen, über das vorhandene Niveau des Kommunismus hinausweisende Aktivitäten zu stimulieren.

Ich meine damit nicht die Doppelzüngigen aus DDR-Zeiten. Die Gesamtverhältnisse förderten damals real noch eine Strategie, laut „Hurra Sozialismus“ zu rufen und leise in die eigene Tasche zu scheffeln. Außerdem waren mit den Parteisekretären sogar noch neue Machtstrukturen, graue Eminenzen, installiert worden.

In solch einem Sinn gibt es aber im e. K. keine „Mächtigen“ mehr. Es gibt höchstens Sachentscheider, Kapitäne vor Ort, okay … Aber größere Bedeutung gewinnen kommunistische „Facebook-Gruppen“, also solche, wo das Austreten aus dem „sozialen Netzwerk“ ähnlich unkompliziert funktioniert wie das Eintreten, ein identifiziertes „Ekel“ also sehr schnell allein dasteht. Kann denn jemand, der – und das über Generationen – „seinen Egoismus“ peinlichst verbergen muss, Egoist bleiben … wenn er sich mit „Schwein-Sein“ schadet?

Wie immer man über „Stalinismus“ im Einzelnen denken mag – die Erscheinungen, die man mit dem Ausdruck verknüpfen kann, sind dem Kommunismus aus seinem tiefsten materiellen Wesen heraus fremd. Selbst da, wo „Kapitäne“ wirken, fördern offene soziale Netzwerke die Achtung wegen charakterlicher Stärken. Der Zwang, sich einem William Bligh2 zu unterwerfen, ist gering. Er könnte aus technischen Gründen höchstens bei interstellarer Raumfahrt auftreten, weil das Kollektiv über einen längeren Zeitraum im Kleinen funktionieren muss.

 

Warum bin ich dagegen, den Begriff „Diktatur des Proletariats“ zu gebrauchen?

 

Begriffe sind immer Teile eines Begriffssystems. Sie erhalten ihren Sinn aus dem Zusammenhang mit anderen. Eine Sprache, die keinen Ausdruck „Krieg“ kennt, weil es für das diese Sprache sprechende Volk keine Kriege gibt, hat auch keinen Begriff „Frieden“, obwohl Frieden allgegenwärtig ist.

Für Menschen, die sich mit Gedanken auseinandersetzen, die über den Denkhorizont der jeweils herrschenden gesellschaftlichen Ordnung hinausreichen, gibt es ein zusätzliches Problem: Die Begriffswelt einer Zeit wird durch die in dieser Zeit Herrschenden geprägt. Ihre Begriffe sind dabei nicht nur, aber zuerst einmal Mittel, um die eigenen Machtverhältnisse positiv zu tönen. So sind sie medial allgegenwärtig. Es ist also logisch, dass zur Emanzipation der die bisherigen Machtverhältnisse in Frage stellenden Kräfte auch gehört, die tatsächlichen Verhältnisse ungeschminkt darstellende Begriffe zu prägen. Aus diesen Begriffen erwächst zum neuen Verständnis der Welt ein ganzes geschlossenes Begriffssystem. Das Problem dieser Begriffe: Sie sind mit den herrschenden nicht kompatibel. Selbst wenn es vertraute Wörter wären, so doch anders bewertete.

Es ist eine bedeutsame Leistung von Karl Marx, das Gerüst von klar definierten Begriffen für eine neue Weltanschauung gebaut zu haben. Einer dieser Begriffe ist eben die „Diktatur des Proletariats“, die die Arbeiterklasse als ersten Schritt zum künftigen Sozialismus/Kommunismus errichten müsse. Diese Aufgabe zu leugnen hieße Selbstaufgabe.

Nun hat aber dieser Begriff innerhalb des Begriffssystems des Marxismus eine logische Voraussetzung: Das Wesen des Kapitalismus besteht in der Diktatur des Kapitals (der Kapitalistenklasse). Wohlgemerkt das Wesen! Marx ging es dabei nicht um Erscheinungen. Natürlich hätte er den Hitlerfaschismus als formale Diktatur verstanden. Er schloss in seinen Begriff aber ein, dass auch das, was der Form nach „parlamentarische Demokratie“ heißt, dem Wesen nach nur die Diktatur des Kapitals verhüllt. In dem Sinne, dass, egal, was in den Schwatzbuden erzählt wird, das Kapital herrscht. Es bedient sich dabei diverser Hüllen, eines Apparats aus Gewalt, Beamtentum, verselbständigtem Geist der herrschenden Klasse usw.

Nur in Entgegenstellung zur „Diktatur des Kapitals“ gewinnt die „Diktatur des Proletariats“ ihre Berechtigung. Es war nie gemeint, dass einzelne Personen oder Parteien neue Alleinherrscher werden sollten. Es ging immer darum, dass nach der formalen „Regierungsübernahme“ von Vertretern der „Arbeiterklasse“ ein wirtschaftspolitisches Netzwerk besteht, das die vorigen Machtverhältnisse reproduziert – und zwar immer wieder – wenn es nicht mit außerökonomischen Mitteln, also mit der politischen Macht daran gehindert wird. Ich nenne dies Überkompensation der Macht. Es müssen zum Beispiel besonders geförderte Wege eröffnet werden, damit der „Arbeiter“ in Führungspositionen in der Wirtschaft, in der Bildung, in den meinungsbildenden Medien usw. gelangt – ansonsten reproduzieren sich die „alten Seilschaften“.

Nun haben wir also das Problem, dass nur der „Diktatur des Proletariats“ richtig versteht, der um die „Diktatur des Kapitals“ weiß. Die Masse ist aber die manipulierenden Ausdrücke der Machtmedien gewöhnt. Dort steht eine begrifflich positiv belegte „Demokratie“, in der jeder alles sagen kann, was die Machtverhältnisse nicht real verändert, und jeder alle vier Jahre seine Vertretung an verschiedene vom Kapital gesteuerte Parteien abtreten kann und muss, dem Begriff „Diktatur“ einer Einzelperson oder einer kleinen Gruppe gegenüber. Da noch dazu die Definition der „Arbeiterklasse“ / des „Proletariats“ schwierig, auf jeden Fall kein Allgemeingut ist, ist es leicht selbstmörderisch, sich selbst mit dem Umhang eines im Massenbewusstsein eindeutig negativ belegten Begriffs bedecken zu wollen. Noch dazu, da das, was Marx „Diktatur des Proletariats“ nannte, wissenschaftlich betrachtet, bereits eine Höchstform der Demokratie wäre, wenn sie marxistisch umgesetzt würde: Sie bezöge die größten Teile der Menschheit real in die Gestaltung ihrer Angelegenheiten ein … Das müsste „man“ gleich mit verstehen so wie die Dialektik, Gewalt zur Durchsetzung von Gewaltlosigkeit zu brauchen.

 

 

geldlos

Gäb es kein Geld,

so lautet ganz konkret die Frage,

ging dann noch wer

zur Arbeit alle Tage.

 

Ich meine ja

obwohl

die Gründe sind verschieden

so wie du und ich

und von Mal zu Mal

gelegentlich.

 

Der erste Grund

scheint schon allein,

einfach so

unter Menschen zu sein.

 

Und für wen ist es denn

nicht ein echter Gewinn,

erkannte er klar,

was er macht,

das hat Sinn.

 

Und es müssen die Arbeiten

andere werden,

zum Freuen mit Freunden

für alle auf Erden.

 

Und nicht so viel,

bis sie quälen als Last,

und nicht überwacht

und nicht voller Hast.

 

Und wer sie vollbringt,

der kann sich gut leiden,

und wird dann die Faulen

nicht wie heute

beneiden.

 

Was bringt mir das heute?

Wahrscheinlich kein Geld.

Doch schön träumt sich´s trotzdem

von ner besseren Welt.Habele?

 

 

 

 

 

Wie ich trotz und wegen der DDR zu meinem ganz individuellen Kommunismus fand

 Sagen wird man über unsre Tage

 

 

sagen wird man über unsre tage

den einen wettbewerb

den hatten sie verloren

groß war ihr mund

die kehle ohne frage

jedoch dem mahnen wehrten sie die ohren

 

sie kauten schwer und lange noch an diesem erbe

doch erst durch ihren neuen anbeginn

so ist nun mal das menschliche gewerbe

bekamen Marx und Einstein endlich sinn

 

 

„Kommunismus“ … ganz individuell? Am Ende sogar „individualistisch“?

Ja, genau das ist meine Ansicht, dass er so sein wird. Es sollte hier eigentlich nichts abgehandelt werden, was nur Philosophieprofessoren verstehen können, sondern um das Denken echter „Normalos“ gehen. Hat wohl nicht ganz geklappt. Sollten sich bei mir irgendwo „Wissenschaften“ eingeschlichen haben, so verzeih mir das Fremdgehen. Ich bin nur ein „Künstler“ – eine Bezeichnung, die nicht geschützt ist, sodass sich jeder Mensch damit schmücken kann – also auch ich. Als solcher gebe ich zu: Ich bin Individualist. Hielte ich „Kommunismus“ für eine verordnete Gleichmacherei im Sinne einer Kollektivierung, wäre er keine für mich wünschenswerte Zukunftsvorstellung. Für Massenparaden vorbei an einem Großen Vorsitzenden bin ich nicht gemacht. Ich habe meine eigene Sicht darauf, was „vernünftig“ ist. Die muss man nicht teilen. Aber schon als penetrant aufdringlicher Schüler konnte ich es mir nicht verkneifen, dazwischenzurufen und den Finger vor lauter Fragen oben zu behalten. Warum sollte ich es dann heute unterlassen, provokatorische Fragen in den Raum zu stellen? Vielleicht hilft es der Fantasie Anderer auf die Sprünge … Sagen wir einem … oder zwei Anderen … oder … Na, wenn du nicht zufrieden bist mit meinen Schlüssen, dann schau auf ein paar meiner Lebensabschnitte. Vielleicht verstehst du dann besser, warum ich denke, wie ich denke. Du musst dir deine Meinung sowieso aus deinem Leben bilden …

 

Keine Ahnung, wie ich geworden wäre, wäre meine Familie nicht im Frühjahr vor Abschluss der ersten Klasse in die Stadt gezogen. Zuvor war ich als Außenseiter regelmäßig verprügelt worden. Das wichtigste Gefühl meinen potentiellen künftigen Mitschülern gegenüber war am Anfang deshalb nackte Angst. Um keinen Preis wollte ich aber wieder so isoliert bleiben wie zuvor.

Die Rolle des Chefs war vergeben, die des Klassenkaspers frei, und wenigstens in den folgenden drei Jahren füllte ich sie fantasievoll aus. Den Unterricht zu stören fiel mir nicht schwer und die dümmsten Kinderwitze verwandelten sich in meinem Mund in lange Geschichten. Die Rolle hatte mehrere „Vorteile“: Man schenkte mir Aufmerksamkeit und beim großen Mitschülermobbing konnte ich zusehen. Das Hauptopfer war über viele Monate ein Mädchen, das durch ihren Geruch und ihre staksigen Bewegungen auffiel und das Hinundherschubsen dadurch vergnüglicher machte, dass sie so herrlich Angst zeigte und „Was hab ich euch getan?“ oder „Lasst mich doch in Ruhe!“ jaulte. Dem Zugriff der Lehrer entzog sich der Terror dadurch, dass „Erdnuss“ erst nach Unterrichtsschluss und draußen vor dem Schulgebäude gequält wurde. Der Hofausgang lag neben der Haupttür, sodass sie nicht ungesehen die Schule verlassen konnte – und immer waren welche vor ihr da, um die sich dann die anderen Wartenden sammelten.

Zuerst war es so etwas wie ein Triumph, als das Mädchen aus der Schule genommen wurde und in einer „Hilfsschule“ bis zu Klasse 6 kam. Dann aber … Im Unterbewusstsein einiger Mitschüler wuchs wohl ein Gefühl, wir könnten das Leben eines Menschen zerstört haben, der uns wirklich nichts getan hatte. Und in meinem erwachte das dauernd schlechte Gewissen, dass ich lachend dabeigestanden hatte.

Mit dem Verschwinden des „Standardopfers“, an dem sich meine Mitschüler ihren Schulfrust abreagiert hatten, begann die Suche nach neuen. Wir waren eine Klasse mit Jungen-Überschuss und die körperlich Stärkeren begannen nun die Jagd auf Schwächere. Damit geriet auch ich wieder ins Visier. Allerdings hatte sich die Situation innerhalb der Klasse verändert. Es waren nicht nur gelegentlich ein paar Kinder in meiner Nähe, um meine Blödeleien zu hören, sondern ich hatte einen Kreis von kindlichen Partnerschaften: Einen Freund, der an mir hing wie Watson an Holmes, und noch ein paar Andere, durch die ich mich als Bandenchef fühlte. Ausnahmslos umgaben mich aber nur körperlich Schwache. Die gegenseitige Hilfe bestand unter anderem darin, dass ich bei den Hausaufgaben half und dafür meine Kunst-Werke für den Zeichenunterricht vorbereitet bekam, sodass Vieren in Zeichnen nun selten wurde. Meine logische Lektion: Andere konnten etwas, was ich nicht konnte, und umgekehrt. Wenn dies auch offiziell nicht erwünscht war, eigentlich sogar als Betrug bewertet wurde, so stand doch fest, dass die gegenseitige Nutzung unserer Stärken für alle Beteiligten Vorteile brachte. Es machte mir dabei wenig aus, dass ich mehr einbrachte, als ich herausholen konnte.

 

Das Problem der Prügel, des Mobbings der Schwachen, war damit aber noch nicht gelöst. Es fanden nämlich immer ausreichend körperlich Überlegene zusammen, um Schwächere zu quälen. In die Gruppe der „Schwächeren“ gehörte sogar ein Junge von hohem Körpergewicht, dem es aber an Schnelligkeit und Beweglichkeit mangelte. Was am meisten auffiel: Die da prügelten, waren „leistungsschwache“ Schüler, die sich auf solche Weise ihr „Sieg-Erlebnis“ aus der Schule holten, die Betroffenen jedoch versuchten – letztlich meist erfolglos – sich im Bewusstsein der bevorstehenden Niederlage der körperlichen Auseinandersetzung zu entziehen … sie liefen also davon. Eigentlich ging dies so bis Klasse 7. Und dann passierte etwas, was ich im Nachhinein vielleicht überbewertet und fehlinterpretiert habe. Aber es ist eben genau so passiert:

In einer großen Hofpause war es mir gelungen, alle, die eigentlich auf „meine“ Seite gehörten, zu sammeln. Es kam zur Schlacht. Diesmal blieben wir nicht nur (wie sonst auch) zahlenmäßig überlegen, sondern wir kämpften auch geschlossen. Und wir beendeten diese Hofpause als Sieger. Womit ich nicht gerechnet hatte, trat ein: Von kleinen „Kabbeleien“ (wie das meine Mutter genannt hätte) abgesehen, trat ein dauerhafter Friede ein. Nicht, dass wir nun alle Freunde geworden wären, aber das permanente Massenmobbing war zu Ende.

Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass wir einfach insgesamt reifer geworden waren und diese „Schlacht“ nur „Anlass“ der Veränderung war, aber auf jeden Fall erlebte ich hier die Siegpotenz von Underdogs, sobald sie als solidarische Gemeinschaft kämpfen. Ein Anhänger körperlicher Gewalt bin ich damit nicht geworden. Allerdings hatte ich eine Situationen erlebt, bei der sie notwendiges Mittel gewesen war, um Gewaltverhältnisse zu beenden.

 

Ab Klasse 7 wollte man unser Bewusstsein durch Staatsbürgerkunde- und Geschichtsunterricht „bilden“. Rückblickend muss ich allerdings sagen, dass die ethischen Normen, die nun Namen bekamen, längst geprägt waren, indem sie uns vorgelebt oder eben nicht vorgelebt wurden. „Gut“ oder „Böse“ ist greifbarer als als „Sozialismus“ und „Kapitalismus“.

Vielleicht hätte ich unter anderen Umständen sogar ein freundlicheres Verhältnis zur „Nationalen Volksarmee“ der DDR entwickelt, aber die Verhältnisse waren eben nicht so. Beispielsweise war meine Sportbegeisterung nie so groß, dass mich Körperertüchtigung gelockt hätte, und als emotional egozentrischer Anarchist war mir jeglicher unterordnender Gehorsam zutiefst zuwider. (In einem krankhaften Anfall von Übermachtssadismus spielte ich einmal meinem engsten Freund gegenüber einen SS-Mann: Ich zwang den schwarz Gelockten durch brutale Gewalt dazu „Ich bin eine dumme Judensau!“ auszurufen, um freizukommen … und ich könnte nicht sagen, vor wem ich mich nachher mehr ekelte: vor ihm, der sich derart demütigen ließ, oder vor mir, dass ich zu so etwas fähig gewesen war …) Rund wurde meine Grundhaltung zum Thema Armee aber eigentlich erst dadurch, dass es in der Klasse bei den Auseinandersetzungen mit der Staatsbürgerkundelehrerin einen einzigen Schüler gab, der die Antworten suchte, von denen er annahm, dass die Lehrerin sie hören wollte. Dieser Speichellecker mit mäßigem geistigen Niveau strebte an, Offizier zu werden. Ich konnte ihn mir einfach zu gut in preußischen Stiefeln vorstellen. Das schon vorher ausgeprägte Bild, Körperkraft zeigten die, denen es an Geisteskraft mangelte, wurde untermauert – nur eben auf höherer Ebene.

Aber die Stabü-Lehrerin hatte auf ihre Weise bei mir dann doch etwas bewegt. Im Nachhinein tut sie mir eigentlich leid. Es war mir ein teuflisches Vergnügen, den ungeliebten „Rotlicht“-Unterricht zu sprengen. Hier konnte ich die ganze spitzfindige Raffinesse boshafter Sprachanalyse an die Front werfen. Ich hatte die meisten Schulbücher schon vor Beginn der Unterrichtsjahres überflogen. Im Staatsbürgerkunde-Lehrbuch fiel mir dabei etwas auf: Außer bunten Bildchen gab es Kästchen mit Zitaten der „Klassiker“ des Marxismus-Leninismus, die ich sozusagen als die Verkündigung Moses ansah (so waren sie wohl auch gemeint), während der eigentliche Text das profane Bla-Bla war. Das Gute daran: Es ließen sich in dem profanen Zeug Widersprüche zu Gottes, Pardon: Marxens, Kernsätzen in den Kästchen entdecken. Also sprengte ich Stunden mit der Absicht zu beweisen, dass das, was wir als wunderbare Wirklichkeit unserer größten DDR aller Zeiten erklärt bekommen sollten, gar nicht das war, was der große Marx sich als sozialistische Gesellschaft vorgestellt hatte. Widerspruch als Denksport.

Die intelligenten Mitschüler verfolgten die Diskussionen mit Vergnügen und unterstützten mich nach bestem Wissen. Die weniger intelligenten freuten sich, dass die Stunden nicht als langweilige Lernstunden versandeten. Nur jener Möchtegern-Offizier mühte sich um Unterstützung der Lehrerin. Die war von uns Jungen begeistert. Weil wir so offen Interesse zeigten, ließ sie ihre Stundenvorbereitung in der Tasche und versuchte, unser Denken zu lenken. Argumente wurden nicht niedergeschlagen und „Erklärungen“ vermittelt, wie wir etwas sehen sollten, sondern sie versuchte, uns die Widersprüchlichkeit von Vorgängen begreiflich zu machen. Nicht einfache Antworten, sondern Bewegung und unter der Oberfläche des offen Sichtbaren gebe es erkennbare Zusammenhänge, um deren Aufdeckung man sich bemühen muss – das nenne man im Sinne von Marx zu handeln und das könne sogar Spaß machen.

Sie verführte mich damit zu einem Trugschluss: Voreiligerweise dachte ich, so sei politische Bildung. Im Geschichtsunterricht wurde ich eines Besseren belehrt. Der Geschichtslehrer frönte der großen Liebe zu seinen optisch faszinierenden Tafelbildern. Mit feiner Schrift verteilte er über die ausgeklappte Tafel (mitunter einschließlich Rückseite) Kästchen, zwischen denen er Pfeile fliegen ließ. Vorher – nachher, Ursache – (Anlass) – Wirkung … Extrem schematisch, obwohl nicht einmal undialektisch. Von der Ursache ein dicker Pfeil zur Wirkung und darunter dann der dünne Pfeil dafür, dass das, was eigentlich Folge war, auf die ursprüngliche Ursache zurückwirkte und dass es eben Haupt- und „Neben“-Gründe derselben Sache gebe.

In diesem Fach wurde erstmals laut das Wort „Kommunismus“ ausgesprochen. Über den Begriff wusste ich wenig. Eigentlich nur, dass das eine „klassenlose Gesellschaft“ wäre, in der es „keinen Staat“ gäbe. Mit Klassen konnte ich wenig anfangen, eigentlich nur mit Schulklassen, Staat aber, da gehörten also mindestens all die Gewaltinstrumente dazu. Die hat jeder, um sich selbst zu verteidigen. Ließe also eine Seite ihren „Staat“ verschwinden, wäre der Weg der anderen Seite frei, die eigene Macht zu erweitern. Also könnte es einen „Kommunismus“ auf der Welt auf jeden Fall nicht geben, solange es zugleich das Anti-System Kapitalismus gäbe … Mit dieser Schlussfolgerung begann ich; zur logischen Herleitung kam ich nicht mehr. Mir wurde sofort das Wort entzogen und mich traf ein Schwall von Flüchen. Die übelste Bezeichnung, mit der ich versehen wurde – mit der ich aber nichts anzufangen wusste, außer dass es des Tonfalls wegen etwas Grauenvolles sein musste – war „Trotzkist“. Wahrscheinlich noch etwas Schlimmeres als Faschist und ich hatte gerade die schlimmstmögliche Feindpropaganda in den Raum geworfen.

Alles nur wegen einer primitiven logischen Ableitung, hinter der ich, wenn auch umfassender begründet, auch heute noch stehe. Wenn ich dem entsetzten Doggen-Lehrer noch an den Kopf geworfen hätte, dass also der entfaltete „Kommunismus“ keine Politik der friedlichen Koexistenz kennen könne – weil dies ja eine Beziehung zwischen Staaten sei, die es per Definition nicht mehr gäbe – wäre entweder er mit dem Notarzt oder ich durch Ledermantelmänner aus dem Klassenraum geführt worden. Natürlich habe ich mir bei diesem Lehrer weitere Schlussfolgerungen verkniffen.

 

Meine Sicht der deutsch-deutschen Fragen stammte nicht aus Schulunterrichtsquellen. Schwerin war glücklicherweise kein „Tal der Ahnungslosen“. Schon früh bezog ich die Nachrichten aus aller Welt nicht rotgefiltert aus der „Aktuellen Kamera“ sondern gegenmanipuliert von der „Tagesschau“. Allerdings hatte ich eben schon gelernt, dass es keine „Nachrichten“ an sich gibt. Ich hatte selbst das entdeckt, was „Sudel-Ede“ Schnitzler aus den Westsendungen extrahierte. Auch an der Stelle war ich früh Außenseiter: Mir gefiel der Typ, der in der trüben Brühe der anderen Seite fischte.

Ganz unschuldig an meinem Verständnis „kapitalistischen“ Denkens war sicher auch nicht, dass alle Verwandtschaft im Westen lebte. Langsam der kindlichen Überheblichkeit entwachsend entwickelte ich ein feines Gespür für Herablassung und Überheblichkeiten anderer Leute. Es mag ein Stück Selbsthass gewesen sein, von fremden Hochnäsigkeiten besonders stark abgestoßen zu sein.

Dazu kamen die Westpakete. In meine Erinnerung eingebrannt bleibt der Geruch ranziger Rama. Es waren noch mehr „Lebensmittel“ drin, aber auch Sachen zum Anziehen, die schon (ab)getragen waren. Ich empfand es als beleidigend, sah zwar ein, dass Geschwister und Eltern Beziehungen zueinander haben … aber warum wiesen sie das Zeug nicht zurück? Meine Mutter war eine kriegspragmatische Frau. Sie konnte immer alles gebrauchen, filterte Notwendiges aus ihrer Verkäuferinnen-Tätigkeit und unserem Garten heraus, sodass wir nicht nur keinen Hunger kannten, sondern uns auch abwechslungsreich ernährten (und auf ranzige Margarine bestimmt nicht warteten). Hätte ich dann noch die Hintergründe jener westlichen Sorge für uns arme „Zonenbewohner“ gekannt … : Meine Großeltern (also die Eltern meiner Mutter) hatten in kleinbürgerlichen Verhältnissen in der Nähe von Breslau gelebt. In den 20er Jahren reichte es zu einem kleinen Häuschen. Dann kam die Flucht. Im Westteil Deutschlands wurden sie Flüchtlinge, im Ostteil wir Mitbürger. Als Flüchtlinge bekamen sie für ihren verlorenen Besitz eine Entschädigung – diese nahmen sie „treuhänderisch“ auch für die Verwandte außerhalb ihrer „freien Welt“ entgegen. Akribisch verrechnete meine Tante die Paketinhalte mit diesem „Treuhandvermögen“ meiner Mutter – und natürlich wurden die Pakete als Unterstützung der bedürftigen Verwandtschaft in den Ostgebieten steuermindernd (pauschal, Masse beachten!) geltend gemacht. Vom Ergebnis war ihr letztlich eine „Geldwäsche“ zu ihren Gunsten gelungen. Man hätte es auch Beschiss nennen können. Zumindest solidarisch war es nicht.

 

Aber noch etwas zeitlich zurück – zum einen, weil mir das aufs Stichwort „solidarisch“ einfiel, zum anderen, weil dabei sozusagen kindlich-naive Keime meiner späteren „kommunistischen Visionen“ gelegt wurden:

Aus dem, was ich bisher erzählt habe, müsste klar geworden sein, dass ich nie ein extrem kommunikativer Typ gewesen bin oder gar ein „Charismatiker“. Es gab aber eben Situationen, wo positive Gefühle vermittelt wurden. Dazu gehörten einige der Veranstaltungen der Kinder- und Jugendorganisationen.

Nein, nicht die kirchlichen. Meine Mutter hatte mich zur „Christenlehre“ in die Kirche geschickt, wo uns Geschichtchen erzählt, und wir, wenn wir brav waren, mit Bildchen (heute würde man wohl „Sticker“ sagen) belohnt wurden. Für die Anregung meiner Fantasie waren diese Nachmittage wahrscheinlich sogar positiv. Aber für mich Acht- oder Neunjährigen war es herabwürdigend, dass der Pfarrer sie uns Kindern als wahre Geschichten anbot. Ich verstand da noch nichts von der „Wahrheit“ in Gleichnissen, empfand es aber als Beleidigung, dass jemand erwartete, ich würde Märchen für Wirklichkeit nehmen. Das war dann Grund für entschiedenen Protest bei meiner Mutter und fast das Ende meiner Kontakte zu kirchlichen „Würdenträgern“. (Später empfand ich hingegen die Gastfreundschaft von Kirchenleuten auf meinen Tramptouren als wohltuend.)

Anders war das bei manchen Pioniernachmittagen. Die nachhaltigsten waren jene Ausflüge, bei denen wir Eicheln und Kastanien für die Tierparktiere (und zum Basteln) sammelten. Keine Ahnung, ob unsere Eicheln den Tieren dort wirklich das Überwintern erleichtert haben. Heute würde ich sagen, das war auch nicht das Wichtigste. Viel wichtiger war etwas Anderes: Wir hatten das Gefühl, etwas Nützliches, ja Wertvolles zu tun, was zugleich richtig Spaß machte. Das heißt, das Sammeln der Eicheln (und das Werfen nach Anderen) hätte auch OHNE einen höheren Sinn Spaß gemacht, es war ein vergnüglicher Zeitvertreib; das Gefühl, sozusagen unserem Patenschwein das Leben zu erhalten, machte uns aber erst richtig stolz auf eine eigene Leistung. Ich hätte da nicht an „Kommunismus“ gedacht, aber hat man nicht auch als Erwachsener Anspruch auf kindliche Freude an der eigenen Nützlichkeit? Wird sie einem nicht erst durch die Erfahrung von „allgemeinem“ Egoismus vergällt? Positiv bleiben Reste solchen Erlebens natürlich besonders dann zurück, wenn man den Erfolg greifbar gemacht bekommt. Wir waren also eifrige Besucher des Tierparks, wo uns der Nutzen unseres Tuns von kompetenten Personen bestätigt wurde. (Mir scheint es selbstverständlich, dass Kinder, denen solche greifbaren Nützlichkeitserlebnisse versagt blieben, tendenziell ein Stück weiter zu Egoisten „erzogen“ werden – ohne eigentlich erzogen zu werden.) Ganz unmittelbar erlebten wir, dass es schwächere Wesen gibt, die durch unsere solidarische Hilfe überlebten. Okay … die richtige Vorbereitung auf eine Welt einzusetzender Ego-Ellenbogen wäre es nicht gewesen … aber darauf sollten wir ja auch nicht vorbereitet werden.

Allerdings … Solidaritätsaktionen wie die für Angela Davis hatten zwei Seiten: Die agitatorische, dass eine Kommunistin einfach unschuldig sein müsse (was sich im konkreten Fall juristisch belegen ließ), aber auch eine „rein“ menschliche: Stellt euch schützend vor Menschen, die zum Opfer legaler (oder halb legaler) Ungerechtigkeit werden (könnten). Eine gute Sache wird doch nicht allein dadurch „schlecht“, dass sie mehr oder weniger „staatlich verordnet“ wird. Ich finde es heute peinlich, wenn ausgerechnet mit diesem Ausdruck „Linke“ den DDR-Antifaschismus verunglimpfen. Am System des damaligen (nicht) „realen Sozialismus“ gibt es viele Kritikpunkte. Dass sich ein ganzes Volk mit den wenigen aktiven Antifaschisten, die das faschistische Terrorregime überstanden hatten, identifizieren durfte, halte ich für bedankenswert.

 

Wie gesagt, ein Großteil der Möglichkeiten, die uns Kindern auf die Nase gedrückt wurden, passten trotzdem nicht zu meiner sich entwickelnden Persönlichkeit:

Fahnenappelle waren mir kleinem Anarchisten schon des Einordnens wegen suspekt. Allerdings hielt sich die Zahl der militaristischen und Appell-Veranstaltungen, an denen ich teilnehmen musste, in engen Grenzen. Als wir im Unterricht Friedrich Wolfs „Kiki“ behandelten, wurde diese Geschichte sofort eine meiner liebsten. Die „Haltung“ des Hundes, die „Würde“ eines Zwangsappells mit Jaulen lächerlich zu machen, entsprach vollständig meinem Verständnis. So starb ich sozusagen im Kreis der trauernden Gefangenen und fühlte mich zugleich als einer der ihren. Dabei begriff ich erst viel später, dass die „Bösen“ in der Erzählung nicht einmal „echte“ Faschisten gewesen waren, sondern sich ihnen Andienende.

 

Gemeinschaftliches Basteln und Malen und Sport waren mir der blanke Horror. Weil ich es nicht konnte, wollte ich es nicht. Je besser ich diesen Zusammenhang bei mir verstand, umso besser verstand ich auch meine Mitschüler, die Grauen vor den Mathestunden empfanden, weil sie mit lauter Unlösbarem zusammenstießen.

Dafür war das Pionierhaus, genauer die Pionierbibliothek darin, für mich das Paradies. Das Haus wegen seiner vielen Möglichkeiten, die Bibliothek … Ich glaube, schon in der 5. Klasse hatte sie mir kaum noch Neues zu bieten und ich besuchte eine „normale“. Mein Schnitt waren vier bis fünf „richtige“ Bücher pro Woche. Ich las also kaum Kinderbücher, sondern reiste in die Welten von Maupassant, Balsac, Dickens und vielen anderen. Ich hatte trotzdem keine Ahnung, was eine Nutte wirklich war – ich empfinde heute weder mein Unwissen als Mangel noch die Tatsache, dass es in meinem Schwerin real keine gab.

Durch jene sehr wilden, individualistischen Reisen durch die Weltliteratur veränderte sich unbemerkt und unterschwellig mein „Blick“. Ich war ein Junge, der zu viel geschmökert hatte. Zwar in keinem Karl May, aber bei Lieselotte Welskopf-Henrich, Jules Verne und überwiegend in Dingen, die nicht für einen Elf-/Zwölfjährigen gedacht waren. Und die DDR bot in der Folgezeit weitere Chancen zur Befriedigung meines wirren Kunsthungers: Jugendstunden und Theaterkreise. Auf die Mischung kam es an. So wirr, wie ich ahnungslos vor der „Weltkultur“ stand, so bunt gemixt wurden uns monatlich verschiedenartige Erlebnisse vermittelt. Opern, Schauspiele, Ballett, Heiteres … Das hatte einen eigenen Reiz. Nicht immer hoch kulturellen. Da bemühte sich unsere Musiklehrerin vergeblich um eine vielleicht angemessene Einführung. Aber wir besuchten gern auch Kunstveranstaltungen, die wir kaum verstanden, denn was hätte es für einen besseren Vorwand gegeben, abends „die Sau rauslassen“ zu dürfen? Nicht jedem wäre mit vierzehn erlaubt worden, nach 22 Uhr durch die Straßen zu ziehen. Aber nach dem Theater …

Wie viel es bei jedem Einzelnen Positives bewirkt hat – wer vermag das einzuschätzen? Aber jeder hatte die Chance, seine Sinne zu schulen. Und das Staatstheater war gut. Dass dies in irgendeiner Weise ein „soziales“ Problem sein könnte (außer im Sinne unseres Gruppenzusammenhalts), wäre keinem eingefallen, denn jeder konnte sich die Karten leisten. Die Eintrittskarten kosteten ja kaum mehr, als ihr Druck gekostet hatte …

Dann setzte meine erste „Schreibphase“ ein. Gedichte … sehr weise, das Wesen der Welt erklärende und so hölzern holpernde, dass wirklich nur ich selbst von mir überzeugt sein konnte. Aber es gab die verschiedensten Fördermöglichkeiten. Einen Zirkel schreibender Arbeiter der deutschen Post beispielsweise, in dem kaum ein Mitglied etwas mit der Post zu tun hatte, und viele andere. So konnte ich unterschiedliche Denk- und Betrachtungsweisen beobachten. Das ging bis zum zentralen Poetenseminar der FDJ in den Räumen des Schweriner Schlosses und draußen in der Neubausiedlung. Begegnungen mit kritischen „richtigen“ Schriftstellern, engagierten Menschen, die alle dafür eintraten, schärfer hinzusehen, „mit dem Herzen“ zu sehen, sich einzubringen. Begegnungen wurden organisiert, die uns die Widersprüche von Anspruch und Wirklichkeit von „unserem“ Sozialismus vor Augen führte. Fast noch Kinder erlebten wir jungen Poeten die zerplatzende Illusion zukunftsfähigen Bauens. Aus der Not geboren, schnell das Problem zu lösen, jedem, der Wohnraum brauchte, welchen zu geben, wurden Siedlungen auf die Wiese gesetzt, die nach etwa 25 Jahren planmäßig durch etwas Neues, Richtiges hätten ersetzt werden sollen – was dann natürlich nie geschah. So beschrieb es einer der Projektanten des Neubaugebiets Großer Dreesch. Viel später erfuhr ich, dass einige der so eifrig engagierten Autoren für das Ministerium für Staatssicherheit Berichte geschrieben haben. Sie haben viel zu schreiben gehabt über uns. Nein. Ich finde es nicht gut. Menschlich traurig. Aber bei denen, von denen ich es hörte und die ich selbst erlebt hatte, wusste ich: Aus niederen Beweggründen, zum Beispiel als „Job“ für Geld haben sie es nicht getan. Sie waren wirklich überzeugt, mit ihrem Tun dem „Sozialismus“ zu nutzen. Dass sie ihm letztlich eher schadeten, hätte ich damals noch nicht verstanden.

 

Ich war ehrgeizig, wollte immer besser sein. Aber irgendwie war mir klar, dass ich mich nie wesentlich zeugnisrelevant steigern konnte. Das wäre Zufall gewesen. Mir blieb nur eine andere Freude: eigentlich „leistungsschwache“ Mitschüler zu guten Leistungen zu coachen. Also sie nicht abschreiben zu lassen, sondern sie zu Ergebnissen zu führen, die „man“ ihnen nicht zutraute. Das Gefühl, heimlicher „Vater“ einer guten Note Anderer zu sein, war nicht zu überbieten. Da konnte mir niemand etwas vorwerfen – Egoismus, Strebertum, was auch immer Negatives.

In der Neunten trimmte ich einen Mitschüler, der ein total gestörtes Verhältnis zur Mathematik hatte. Nun fiel ich in dem Fach immer noch aus dem Rahmen: Extrem langsam beim Schreiben konnte ich es mir nicht leisten, die einzelnen Teilschritte zu lernen und zu verwenden – ich verwendete abgekürzte Wege, die bei „normalen“ Schülern nicht akzeptiert worden wären. Mir waren umfangreiche Lernschritte suspekt. Was sollte ich nun dem Mitschüler erklären? Den vorgegebenen Weg Schritt für Schritt? Ich entschied mich für die Logik, die ich für mich entwickelt hatte. Immer wieder testete ich, was davon „haften geblieben“ war. Dann gemeinsames Rechnen. Bei jedem kleinen Gedanken fragte nun er unsicher nervend „Soooo?“ Bis ich dann irgendwann erklärte, er bekäme jetzt eine Aufgabe, die er bis zum Schluss allein lösen müsse. Nachher würden wir dann prüfen, warum eventuell was falsch sei. Mehrmals versuchte er, mich zu einem Blick auf sein Blatt zu animieren. Endlich bot er mir eine Lösung an. Beim ersten Blick schrak ich zurück. 14 Schritte waren normal, er hatte sechs gebraucht, sodass ich erst rief, so ginge es nicht … Bis ich feststellte, dass er das, was ich ihm an Zusammenhängen erklärt hatte, in einen neuer Rechenweg umgesetzt hatte. Den hatte er selbst entwickelt. Plötzlich zerfiel alle meine „genialische“ Überlegenheit. Nur Geduld war geblieben, sich einem Problem eben anders als „normal“ zu nähern. Ein „schwacher“ Schüler war also eigentlich keiner, sondern nur einer, der andere Anregungen zum Denken brauchte, als er sie üblicherweise erhielt. In diesem einen Fall hatte ich solch eine Anregung für meinen Mitschüler gefunden. Welch ungeheures Potential musste in den Menschen stecken, wenn man sich ihrer geduldig annahm! Erstmals erschien mir „Leistung“ als Produkt von Zufällen und nicht als Ergebnis „guter“ oder „schlechter“ Schüler.

 

Und am Ende der 10. Klasse gab es noch eine „Offenbarung“. Meine Klasse machte eine einwöchige Abschlussfahrt. Zufälle brachten mich dabei mit einem Schüler zusammen, von dem ich kaum mehr wusste, als dass er mehrmals nur sehr knapp versetzt worden war. Wir unterhielten uns viel. Anfangs begeisterten wir uns an „Raumschiff Enterprise“ im Fernsehen. Das wäre ja so ungewöhnlich nicht gewesen. Aber beeindruckend war dann das darüber hinausgehende Wissen und Denken des Jungen, sein … philosophischer Scharfblick. Klar haben wir auch viel „gesponnen“. Aber wichtiger war, dass ich erstmals bei jemandem, den ich weit unter meinem geistigen Niveau eingeordnet hatte – die ganze Schulzeit lang – ein geschlossenes kluges Denksystem erlebte. Eigentlich machte er sich um die Zukunft der Welt mehr Gedanken als ich und er vermochte seine Überlegungen verblüffend klar zu formulieren. Ich bekam das Gefühl, in den letzten Jahren einen Freund übersehen zu haben, weil ich mich innerlich zu sehr über ihn erhoben hatte, um ihn überhaupt zu bemerken. Ich ahnte nun, dass es extrem unterschiedliche Möglichkeiten gibt, über die ein Mensch für andere, zumindest aber für einen anderen „wertvoll“ sein kann. Schon damals begann es mir zu widerstreben, solche „Werte“ gegeneinander aufzuwiegen. Warum soll jemand wegen seiner Besonderheit besser oder schlechter sein als ein anderer mit dessen anderer? Vor allem führten mich unsere utopischen Zeitreisen zu einer bitteren Erkenntnis: Es war ein verdammt gewöhnlicher Zufall, dass ich in meine Zeit hineingeboren war und hier mit guten Zensuren brillierte. Von der sozialen Herkunft in keiner Weise privilegiert graute es mir vor der Vorstellung, in einer vergangenen Zeit zur Welt gekommen zu sein. Meine Art zu denken wäre da abfällig weggewischt worden. Nur die Muskelkraft hätte gezählt. An der aber haperte es. Oder was wäre gewesen, wäre ich in einer vergangenen Zeit zur Schule gegangen? Beim Auswendiglernen war ich schwach. Ich wäre also ein „schlechter“ Schüler gewesen. Wer konnte mir sagen, welche Qualitäten in 100 Jahren erwünscht sein würden – die ich vielleicht hätte, vielleicht aber auch nicht. Mein gutes Zeugnis war also nicht objektiv, sondern dem Zufall geschuldet, dass Fähigkeiten zu meinen Besonderheiten zählten, die gerade erwünscht und messbar gewesen waren.

 

Auch bei der Einschätzung der „Persönlichkeit“ gab es breit gefächerte Unterschiede. Wir Schüler hatten uns einen Sport daraus gemacht, in den letzten Schultagen der Jahre das Klassenbuch zu durchstöbern. Dort trug dann jeder Lehrer für jeden Schüler die „Kopfnoten“ ein: Betragen, Mitarbeit, Ordnung … Gesamtverhalten. Bei „Betragen“ erhielt ich vom Klassenlehrer Dreien oder Vieren. Nicht wenige andere Fachlehrer werteten „sehr gut“. Aber ich war doch derselbe Mensch?! (Nur eben nicht pflegeleicht und normgerecht.) Klar, ich fiel aus dem Raster. Dafür gab es mehrere Erklärungen: Entweder war das Raster falsch oder es war falsch, mit einem „Raster“ zu arbeiten oder … ich hätte mich endlich richtig anpassen müssen an das, was Andere von mir erwarteten. Gelegentlich versuchte ich das. Aber es ging nicht. Ich hätte mich selbst verleugnen müssen.

 

Es folgte eine beruflich extrem wilde Zeit. Mit großer Wahrscheinlichkeit wäre ich dabei in einer heutigen, also „kapitalistischen“ Gesellschaft versumpft. Genauer: Ich hätte so viele Sprünge einfach nicht geschafft. Zumindest hätte ich meinen Lebenslauf da wohl entweder fälschen müssen oder zu akzeptieren gehabt, dass ich, als unzuverlässig abgestempelt, zu den meisten Vorstellungsgesprächen überhaupt nicht eingeladen worden wäre. Innerhalb von drei Jahren wechselte ich zwischen drei Berufen in Handel, Kultur und Industrie, wurde ich von der „Nationalen Volksarmee“ nach einem halben Jahr als unverdaulich wieder ausgespuckt und … fand dank der erwünschten Praxiserfahrungen einen Studienplatz als künftiger Lehrer. Ich blicke auf viele Details heute mit Verwunderung zurück. Eigentlich hätte es das alles nicht geben dürfen. Es gab mich aber …

 

Es wäre mir sicher möglich gewesen, nach der 8. Klasse aufs Gymnasium zu wechseln. Diese Einrichtung hatte aber bei uns den Ruf, nur etwas für strebsame Mädchen zu sein. Außerdem hatte ich keinerlei Berufsziel. Nur auf die Frage, was ich NICHT wollte, hätte ich eine Antwort gehabt: Mein Geld mit körperlicher, besonders handwerklicher Arbeit zu verdienen. Aber positiv etwas wollen?

Mein Vater hatte sich dafür eingesetzt, dass ich einen der drei Ausbildungsplätze zum „Wirtschaftskaufmann mit Abitur“ in seinem Betrieb bekam. Mutter und Schwester waren Verkäuferinnen, also im Handel, Vater in der Großhandelsgesellschaft „Waren täglicher Bedarf“. Die Ausbildung interessierte mich … nicht. Ich konnte ja aber nicht nichts machen. Wenigstens war ich „untergebracht“. Ich durchlief in der Ausbildung die verschiedensten Abteilungen und Bereiche des Betriebes, der für die Versorgung Schwerins mit Waren des täglichen Bedarfs zuständig war. Ich wurde als kleiner Sachbearbeiter in der Süßwarenabteilung übernommen. Kein Traumjob, aber zumindest kam ich mit den Kollegen zurecht und die mit mir.

Doch das Verderben lauerte schon: die Einberufung zum Grundwehrdienst bei der „Nationalen Volksarmee“. Um die Rolle des „Ehrendienstes“ bei den „bewaffneten Organen“ für Jungen rankten sich viele Legenden. Die wichtigste: Nur wer sich freiwillig wenigstens für drei Jahre verpflichtete, bekäme einen Studienplatz. Ich hatte zwar noch immer keine Vorstellung, WAS ich eventuell studieren könnte, aber dass ich das irgendwann tun würde, wollte ich mir nicht verbauen. Aber dafür zur Armee?! Eher nicht! Also begann ich die Pflicht-Dienstzeit mit der Absicht nicht aufzufallen. Stattdessen leistete ich mir erst einen kleinen Unfall und sorgte dann mit regelmäßigen Fingern im Rachen für Erbrechen. Schließlich wurde ich nach einem halben Jahr ins zivile Leben entlassen. Einziges Problem: Ich war nun ein Jahr zu früh in Freiheit. Der Betrieb musste mich zwar wieder aufnehmen (so war das halt in der DDR), aber der Platz in meiner Abteilung war besetzt. Der einzige freie Platz im Betrieb war einer in der Kosmetik-Reklamationsabteilung. Klar, dass ich so schnell wie möglich irgendwo anders hin wollte. Ich ahnte noch nicht, welche psychischen Schäden die Armeezeit hinterlassen hatte, wie lange die Schreibblockade anhalten würde, also nahm ich noch einen Anlauf in Richtung Schreiben … Dass ich als „kulturpolitisch-künstlerischer Mitarbeiter für künstlerisches Wort beim Kreiskabinett für Kulturarbeit“ alles besonders gut machen wollte, sieht man wahrscheinlich ein. Aber der Ausflug in die Welt der Kulturorganisation wurde zum Fiasko. Gleich der erste Auftritt bei einer höheren Charge im Kreis, konkret beim Direktor des einzigen Gymnasiums, misslang und führte zu einer handfesten Beschwerde.

Meine Vorgesetzte zog daraus den Schluss, dass ich wohl doch etwas zu grün für die Aufgabe sei und ich mir lieber Praxis in einem Produktionsbetrieb holen solle. Heute wäre dies ein Rauswurf in der Probezeit gewesen, damals gönnte man mir etwa ein halbes Jahr, mir etwas Geeignetes zu suchen. Diese Zeit verbrachte ich überwiegend mit Basisarbeit bei Schreibenden und Laienkabarettisten in Betrieben und mit der Erarbeitung von Muster-Programmen zu allen möglichen Fest- und Gedenktagen. Ein besonderes Vergnügen bereitete es mir, zum „Tag der Nationalen Volksarmee“ ein expressiv antimilitaristisches Programm zu verbreiten. Es war eine besondere Genugtuung, dass nun Danksagungen aus mehreren Betrieben im Kreiskabinett ankamen. Wahrscheinlich hatte man nichts als trockene Lobhudeleien erwartet.

 

Nach dieser Erfahrung landete ich in einem der Schweriner Großbetriebe. ORSTA Hydraulik war innerhalb eines „Kombinats“ der Endfertigungsbetrieb für große hydraulische Anlagen. Ich wurde in der Materialwirtschaft eingesetzt. Eine hydraulische Anlage besteht im Wesentlichen aus drei Grundelementen: einem Motor, einer Pumpe und Zubehör. Ich war zuständig für bestimmte Zubehörteile, namentlich Hydraulikventile und Verschraubungen. Vielleicht nicht gerade die Perspektive, von der aus eine Volkswirtschaft zu erklären ist, aber meine …

Es gab natürlich einen spezifizierten Plan, welche Aggregate wann in welcher Zahl zusammenzubauen gewesen wären, welche Einzelteile und Baugruppen also pünktlich hätten zur Verfügung stehen müssen. Antworten auf die Frage, warum die benötigten Aggregate jeweils nicht zur Verfügung standen, drangen nicht bis auf meine Ebene herunter. Dass sie nie so ankamen, wie es ursprünglich geplant war, merkte jeder. Da dann permanent versucht wurde, einen korrigierten Plan vorzulegen, der eventuell umsetzbar gewesen wäre, gab es im Laufe der Zeit bald niemanden im Betrieb, der die anfängliche Planung noch ernst nahm. Letztlich lief alles darauf hinaus, gegen Ende der Monate an die Zahlenfront zu werfen, was dann wirklich montierbar war. In diesem Chaos spielte meine Abteilung eine verständlicherweise eher untergeordnete Rolle. Jeder sah ein, dass kein Aggregat ohne die passende Pumpe und ihren Motor entstehen konnte. Wenn dann zu erahnen war, welches Aggregat Chancen hatte, tatsächlich noch im laufenden Monat gebaut zu werden, galt es, irgendwie auch noch den Kleinkram dazu zu besorgen.

Nun hat so eine „Planung“ Konsequenzen: Die unmittelbare Montage sollte jeweils dann beginnen, wenn alle zu montierenden Teile am Montageplatz vorlagen … EIGENTLICH eine sinnvolle Vorgehensweise. Zur detaillierten Planerfüllung gehörte auch, die Kleinteile nach dem Ausgangsplan aus dem Lager in die Montage zu bringen. Gelegentlich geschah dies auch. Im seltensten Fall wurde ja aber wirklich nach dem Ursprungsplan produziert. Wer also gut gearbeitet hatte, musste doppelt arbeiten, weil die planmäßigen, aber unter den neuen Vorgaben nicht verwendbaren Teile nun der tatsächlichen Fertigung im Weg waren. Das Ergebnis bei den Lagerarbeitern war eine pervertierte Form von Dienst nach Vorschrift: Sie rührten nichts mehr an, wovon sie nicht wussten, dass auch die anderen Bauelemente vollständig vorlagen. Da diese Bedingung mindestens an den ersten 22 Tagen jedes Monats fast nie erfüllt war, rührte sich in meinem Lagerbereich in dieser Zeit so gut wie nichts. Da es aber ausgeschlossen war, drei Wochen hintereinander tatsächlich NICHTS zu tun, wurde saufend und Karten spielend beieinandergesessen. Dieses System hatte noch weitere für die Lagerarbeiter angenehme Nebeneffekte: An den letzten Tagen der Monate „brannte die Luft“: Da musste all das bis dahin Versäumte mit den nun tatsächlich vorhandenen Teilen nachgeholt werden. Denn letztlich sollten die Pläne ja sogar übererfüllt werden. (Irgendwelche sind wirklich übererfüllt worden.) Die Arbeit war nun in regulärer Arbeitszeit nicht zu bewältigen. Da wurden Sonderzahlungen lockergemacht, nur damit sich die Arbeiter an Wochenenden im Betrieb sehen ließen – neben den „normalen“ Zuschlägen, versteht sich.

Diese Situation war der Normalzustand, als ich meine Arbeit im Produktionsbetrieb aufnahm. Naiv wie ich war, versuchte ich nun umzusetzen, was ich umsetzen sollte. Stieß auf lauter Unmöglichkeiten. Musste, um etwas (oder jemanden) zu bewegen, die Arbeiter mit Wodka ködern. Vieles wurde auf dieser Basis möglich. Von Abteilungsleitern aufwärts war „unten“ normalerweise niemand zu sehen. Man könnte meine Eindrücke „Kulturschock“ nennen. Irgendwie verging mir beim Anblick der die Arbeitszeit totsaufenden Kollegen die Illusion von der Arbeiterklasse an der Macht und vom „Volkseigentum“ … Sahen so „Eigentümer“ aus? Angetrunkene in Erwartung des nächsten „Schicksalsschlages“ namens „Plankorrektur“?

Wie gesagt, ich brachte den „Lunikoff“ mit, wenn ich etwas wollte, und die Arbeiter, überwiegend junge Leute, kümmerten sich dann um „mein“ Problem. Dass wir voneinander nicht besonders viel hielten, verheimlichten wir nicht, aber der „Sesselfurzer“ kümmerte sich eben und das würdigten sie auf ihre Weise …

Schon beim zweiten Mal war ich gefordert, wenigstens mit anzustoßen. Trotz aller Vorbehalte gegeneinander kamen bald Gespräche zustande. Eines dieser Gespräche drehte sich um Verschraubungen für Ventile, von denen bei mir buchtechnisch viele vorrätig waren, von denen die Arbeiter aber behaupteten, sie seien alle. Nach einigem Hin und Her stellte sich heraus, dass die Gesuchten bei einem der Aggregate vor der Montage gegen die Originalverschraubungen ausgetauscht wurden. Die laut Plan vorgesehenen passten nämlich nicht. Je länger wir uns unterhielten, umso spannender wurde die Angelegenheit. Konnte es sein, dass da irgendwo ein Fehler vorlag?

Es lag einer vor. Der war, wie´s aussah, bereits bei der Projektierung entstanden. Plötzlich ahnten wir, dass wir sowohl Arbeitszeit als auch Material einsparen konnten. (Die abmontierten nicht passenden Verschraubungen wurden bisher als Abfall behandelt.) Da es weder leicht war, den schuldigen Punkt zu finden noch fachgerecht zu formulieren, wo was verändert werden musste, wuchs eine kleine Forschungsgemeinschaft zusammen. Dieselben Menschen, die während der ganzen vorangegangenen Zeit sich eigentlich als gesellschaftliche Schmarotzer aufgeführt hatten, empfanden sich plötzlich als Miteigentümer, die selbstverständlich sparsam mit „ihrem“ Volkseigentum umgehen wollten. Man erkannte sie kaum wieder. Aus den Säufern wurde eine Jugendbrigade. Plötzlich ging es um „uns“ – unseren Staat, unsere Gesellschaft, etwas, was wir verbessern konnten. Eine für mich unglaublich erscheinende Wandlung.

 

Nun ja, die Angelegenheit geriet „natürlich“ später in die Fänge sozialistischer Bürokratie. Plötzlich hatte eine bedeutungslose Kollegin, die das „Büro für Neuererwesen“ verkörperte, etwas Reales zu tun. Und zwar etwas, was dem Ideal des Staates sehr nahe kam, hatten sich doch tatsächlich richtige Arbeiter mit Angestellten und Angehörigen der Intelligenz zusammengefunden, um einen Arbeitsablauf zu verbessern! Leider nur spontan. Von nun an sollte es also einen planmäßigen Rahmen bekommen. Wir sollten gezielt und geplant Verbesserungen erarbeiten. Wir erstellten auch tatsächlich ein Jugendobjekt. Allerdings bestand dessen Hauptkreativität in der Fixierung eines Nutzens, der nie eintreten konnte. Ich weiß nicht, wie klar das den Einzelnen war, aber mir begann die Sache peinlich zu werden. Die planorganisierte Nützlichkeit verwandelte sich in eine Form des Sich-in-die-Taschen-Lügens Ich suchte im Unterbewusstsein bereits eine Fluchtmöglichkeit. Es war nur vorübergehend ein Keim aufgegangen. So wäre unsere Gesellschaft geworden …

Ich behaupte nicht, dass dies tatsächlich Erlebte eine typische Erscheinung des DDR-“Sozialismus“ gewesen sei. Aber eben mein sicher nicht total untypisches konkretes Erleben.

 

Zu jener Zeit war ich mit einer Abiturientin aus Berlin zusammen. Die hatte außer vielleicht am „Unterrichtstag in der sozialistischen Produktion“ noch nie einen Arbeiter in Natur gesehen (Der Vater war Mediziner und Edelgrundstücksbesitzer, die Mutter Hausfrau). Aber aus dem Staatsbürgerkunde-Unterricht nach Lehrbuch „wusste“ sie, was und wie die Arbeiterklasse war – und demzufolge nicht sein konnte – und zum anderen war ihr klar, dass jemand, der behauptete, so etwas Unmögliches erlebt zu haben wie ich, nur ein Klassenfeind sein konnte. Nun war ich immer sehr kritisch gewesen. Dass mir aber jemand, der keine Ahnung hatte und noch dazu meine Bettgefährtin war, nicht nur erklären wollte, was ich erlebt haben konnte (und was nicht), sondern auch, dass ich ein „Klassenfeind“ war, reizte meinen Widerspruchsgeist. Ich nicht auf der Seite des Sozialismus?! Du wirst schon sehen! Vielleicht bin ich bald selbst Staatsbürgerkundelehrer – ich weiß dann wenigstens, wovon ich spreche. Es war nicht nur ein Vogel, den ich gezeigt bekam. Dass ich das spontan Gesagte ernst meinen könnte, war meiner Partnerin nicht klar.

Aber gleich in der nächsten Woche lauerte ich am Arbeitsplatz auf eine Gelegenheit, allein das Telefon benutzen zu können. Die Nummer der Hochschule, die die von mir angestrebte Fachkombination Deutsch und Staatsbürgerkunde anbot, hatte ich mir bereits herausgesucht. Kaum war ich ungestört, erkundete ich mich dort, ob noch ein Platz frei sei. Deutsch / Staatsbürgerkunde nicht, aber Staatsbürgerkunde / Deutsch, bekam ich zur Antwort. Na gut, nehm ich. Was muss ich denn tun? Einen Antrag ausfüllen und zum Arzt und man schicke mir alle Formulare zu.

Das war im August. Im September desselben Jahres (!) begann ich mein Lehrerstudium. Die anderen Studenten hatten sich natürlich ein Jahr früher beworben und waren im Mai bereits zu einem Jugendlager zusammengetroffen.

 

Die Eile enthielt auch einen Bumerang, der später auf mich zurückfiel: Jeder zukünftige Lehrer wurde planmäßig gründlich unter anderem vom Hals-Nasen- und Ohrenarzt untersucht, nicht nur, aber auch auf die Eignung der Stimmbänder. Die waren aufgrund eines Bronchialinfekts bei mir in jenem August nicht zu begutachten. Der Arzt schrieb also, dass er keinen Befund erstellen könne. Während des Studiums stellte sich dann heraus, dass ich unter normalen Bedingungen nicht zugelassen worden wäre. Aber da ich nun einmal schon dabei war und ja wollte, konnte ich weitermachen.

Wenn ich heute von den vielen Bespitzelungen höre, muss ich laut lachen: So schnell, wie in meinem Fall eine absolut unbürokratische Lösung möglich gemacht worden war, war zu dieser Zeit technisch keine Akte anzufordern und zu sichten. Selbst hier, wo sich im Nachhinein eigentlich die spontane Entscheidung als Fehler herausstellte, war sie etwas Positives.

Darf man mir verübeln, dass ich das vergnüglich fand? Aus einer spontanen Tageslaune heraus landete ich auf einem Pädagogenplatz – und noch dazu auf dem des grausigen Rotlichtbestrahlers für unschuldige Kinder. Ja, so anarchisch habe ich Staatsbürgerkundelehrer werden können. Und mir ist nie ein „Stasi“-Schlapphut mit dem Wunsch nach einer „Verpflichtung“ begegnet (aus anderen Gründen auch nicht) – ich war damals nicht einmal Mitglied oder „Kandidat“ der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Das war nicht Bedingung. Später habe ich mich darum bemüht, dies zu ändern. Das war schwierig. Ich nahm es allerdings auch ernst mit der Auswahl meiner Bürgen. Ich hatte meine Freiheit voll ausgereizt und erwartete nicht von vornherein, dass man ausgerechnet mir Vertrauen entgegenbrächte – brachte man aber.

 

Während wir bei der praktischen Ausgestaltung des Studiums und im Ausreizen unserer Meinungsbildung in der „Sektion Marxismus-Leninismus“ große Freiheiten genossen, beobachteten wir bei den Studenten der Geschichtssektion Anderes. Dort wurde schulmäßig gegängelt. Ich entschied jedenfalls sehr frei darüber, welche Veranstaltungen ich tatsächlich in Anspruch nahm, und viele der Gedankengänge, mit denen uns unsere Professoren „bearbeiteten“, hätte nach heute üblichem DDR-Bild deren sofortiges Verschwinden in „Stasi-Knästen“ zur Folge haben müssen.

Einzig die „Freiheit“ zum Drogen“konsum“ hatten wir nicht – ich glaube aber nicht, dass mir da etwas entgangen sein könnte – mit Alkohol wurde die „Erfahrungslücke“ ausgefüllt. Klar wäre ich gern auch einmal durch die andere Hälfte der Welt gereist, aber mit offenen Augen durch die Länder des Ostens zu reisen war zumindest bereichernder, als sich an fernen Küsten zuzuballermannen.

Für meinen Gesamtweg war dann ein anderer Bruch Ausschlag gebend: Klar, ich konnte mich hinter den Stimmbändern verstecken. Aber wahrscheinlich wäre ich nie ein guter Lehrer geworden. Was den Umgang mit Schülern anging, bin ich eben eher „Coach“ oder Geistes-“Trainer“ für interessierte Gruppen als ein Massen dressierender Lehrer. An der ersten Einsatzschule nach dem Studium war ich aber der einzige Staatsbürgerkundelehrer, der alle Schüler der Schule in dem Fach zu unterrichten hatte – ohne sie je kennen gelernt zu haben. Vielleicht hätte man mir meine „Anfangsprobleme“ kameradschaftlich verziehen. Aber eine Kollision mit der Parteisekretärin der Schule vernichtete meine Position. Meine scharf antimilitaristischen Auffassungen, die natürlich auch nicht vor menschenfeindlichen Umgangsformen innerhalb der NVA Halt machten, stießen bei der „150prozentigen“ Genossin, deren beide Söhne begeisterte Offiziere waren, auf „machtvolle“ Ablehnung. So etwas wie mich konnte man nicht auf erst sich entwickelnde Persönlichkeiten loslassen. Als sich mein Scheitern immer klarer abzeichnete, schien mir die Konsequenz klar: Ich war im Kreis der Versager gelandet. Meiner damaligen Partnerin (und späteren Ehefrau) verdankte ich die Chuzpe, mich kreuz und quer zu bewerben, also auch für Aufgaben, die anspruchsvoller als die eines Lehrers erschienen. Ich wollte etwas – und ich bekam erneut eine Chance. Ohne recht zu ahnen, was mich erwartete, landete ich im Bildungsbereich eines Außenhandelsbetriebes.

 

Ohne den DDR-Staat abzulehnen allerdings auch nicht kritiklos anzunehmen, fand ich eine Nische genau für mich. Nur hatte mein „Nischendasein“ Formen, die nicht nur ihrer Zeit weit voraus waren, sondern heute schwer vorstellbar sind. Gut … Die Abteilung war in wechselnden Wohnungen untergebracht, also nicht auf dem Betriebsgelände. Die Kollegen hatten alle gut voneinander abgegrenzte Verantwortungsbereiche. Der Abteilungsleiter schirmte uns vertrauensvoll ab. Insoweit waren die organisatorischen Voraussetzungen für hohe Eigenständigkeit günstig.

Meine Aufgabe war eine Dienstleistung für das Kombinat. Der Außenhandelsbetrieb war darin zuständig für die gesamte Tätigkeit aller Kombinatsbetriebe im Ausland. Alle diese „Reise- und Auslandskader“ hatten vor der ersten Auslandsdienstreise (und dann rhythmisch) einen Lehrgang zu absolvieren. Was dort Gegenstand sein sollte, war in allgemeinen Ministeriumsplänen festgehalten. Allerdings war dies genau genommen ein geballtes Gesamtstudium Außenwirtschaft, Weltanschauung und Menschenqualität / Benehmen in der Öffentlichkeit in einem. Also eigentlich so weit gefasst, dass auf jeden Fall vom großen Plan abgewichen, sprich: gestrichen werden musste. Was das war, blieb den Bedingungen vor Ort überlassen. Ich hatte die tatsächlichen Lehrgänge zu planen und diese Planung auch praktisch umzusetzen. Dabei hatte ich freie Hand, woher ich welche Dozenten gewann (aufs Inland beschränkt). Es wäre wohl überhaupt nicht aufgefallen, hätte ich einige Tage nur Privatangelegenheiten erledigt. Da wäre ich eben auf Dozentensuche gewesen.

Das Maß an Kreativität bei der der Arbeit war sehr hoch. Ich hätte zwar auch ohne anzuecken etwas „zum Abhaken“ machen können, aber gerade weil ich es selbst wollte, jagte ich laufend Verbesserungen hinterher. Seltsamerweise schlug das besonders die schwächsten Glieder der Abteilung in den Bann. Wir „Verantwortungsträger“ teilten uns nämlich eine Sachbearbeiterstelle / Schreibkraft, die nach Bedarf für jeden von uns Hilfsarbeiten zu erbringen hatte. Die erste Kollegin war aber oft in Gedanken (und mindestens am Telefonhörer) beim Bändigen ihrer pubertierenden Tochter (sie war allein erziehend) – also „abwesend“. Ihr Ruf war demzufolge wenig berauschend: Faul, quatscht viel, hat von nichts Ahnung … usw.

Ich war nicht ihr „Chef“. Aber ich missbrauchte sie zum Ideentest und für organisatorische Aufgaben mit sehr komplexen Anforderungen. Ergebnis: Sie blühte allmählich auf. Sie entwickelte Vergnügen an der (Mit-)Lösung von Problemen, die nicht von vornherein lösbar schienen. Sie brachte sich in immer beeindruckenderem Umfang in die Arbeit ein. Schließlich wuchs in ihr Stolz darauf, was WIR geschafft hatten. Bei ihrer jüngeren Nachfolgerin war dies noch stärker. Während sie von den Anderen so behandelt wurde wie jemand, von dem man wenig hielt, konnte sie sich neben mir voll entfalten. Abgesehen davon, dass sie durchaus intelligent war, verstanden wir uns gut zu ergänzen. Über ihre weiblich charmanten Umgangsformen verfügte ich nun mal nicht – jeder zog aus dem Anderen die größten Nutzeffekte, zusammen erreichten wir ein Niveau, auf das wir uns einiges einbilden konnten und das jeder für sich allein nie erreicht hätte.

Beide Sachbearbeiterinnen wuchsen über sich hinaus, indem sie fast selbständig gestellte Aufgaben lösten … im Gefühl, dass eine schwierige Aufgabe von ihnen (mit) gelöst werden würde, weil genau sie das waren, ihre ganz persönlichen Qualitäten. An sich Banalitäten. Aber es kann schon beeindrucken, wie weit Menschen über ihren Schatten springen können, wenn die Rahmenbedingungen dafür stimmen. Bei beiden Kolleginnen war die unterschwellige Verachtung, die ihnen meist entgegengebracht worden war, nicht von vornherein unberechtigt. Beide aber entfalteten eigene Qualitäten, sobald die als wertvoll angenommen wurden.

 

Aber ich muss noch einmal zeitlich weiter zurückgreifen. Schließlich ist es nicht allein Folge ausufernder Fantasie, dass ich mich leichter in fremdartige Denk-Welten hineinversetzen kann.

Im Anschluss an das Studium war mir nämlich eine Reise vergönnt, die mir in gewisser Hinsicht als eine Zeitreise vorkam. Dabei begann sie mit einem für mich typischen Reinfall. Gegen Ende des Studiums wurde ich mit einer Studentin verkuppelt, die ihre Semesterferien bereits verplant hatte. Ohne meine körperlichen Probleme zu berücksichtigen, stimmte ich spontan zu, mit ihr und ihren Freunden durch die rumänischen Karpaten zu wandern. Einfach Rucksack gepackt und los. Bei den ersten Beanspruchungen meiner Knie wurde dann deutlich: keine Chance. Alleine zurück? Sie hatte den rettenden Einfall. Wir trennten uns von den Anderen und zu zweit begann eine Tour, bei der ich nicht sagen kann, ob sie sich heute irgendwo auf der Erde wiederholen ließe …

 

Unsere Route kann ich nicht beschreiben. Wir haben keine „offiziellen“ Stationen gemacht, also irgendetwas Hotelartiges aufgesucht, sind getrampt ohne konkretes Ziel. Höchstens: In der Gegend gab es viele Leute, die Deutsch sprachen. Solche Leute wollten wir finden, bei ihnen übernachten, uns unterhalten und Vorschläge bekommen, was wir als nächstes ansehen sollten. Es gab keine Kontaktprobleme und kaum jemand fuhr an uns vorbei, ohne zu halten und nach unserem Ziel zu fragen. Die Freundlichkeit war allgegenwärtig, beschränkte sich nicht auf die Solidarität der sich verfolgt fühlenden deutschen Minderheit. Für einen Deutschlehrer war schon die Begegnung mit Menschen, die ein „Deutsch“ von vor 150/200 Jahren sprachen, ein Erlebnis für sich. Gerade die Assimilierungspolitik unter Ceausescu förderte als Anti-Haltung das Festhalten an überlieferten Traditionen. (Insoweit kann ich heute die „Migranten“ in Deutschland leichter verstehen, dass sie sich nicht zu Deutschen dritter Klasse umwandeln lassen wollen.)

In einem abgelegenen Dorf geschah es dann. Wir waren ein Stück fröhlich in Richtung Ortsausgang gelaufen. Da überraschte uns ein Gewitterguss. Der Regen kam schneller, als ich das aufschreiben kann, und mit urwüchsiger Kraft. Vom nächsten Grundstück war eigentlich nur ein Rasenstück mit Baum zu erkennen. Liane reagierte und dirigierte schneller, als ich denken konnte. Ehe ich mich versah, hatten wir unser Zelt aufgebaut und waren darin dabei, uns aus den nassen Sachen zu schälen. Da hob sich die Plane am Eingang. Ein Frauengesicht tauchte auf. So wie zuvor vom Regen wurden wir nun von Schimpfworten überschüttet. Wir verstanden nur, dass die Frau Rumänisch sprach und unsere Versuche, auf Deutsch oder Englisch zu antworten, ignorierte. Nein: Wir verstanden noch, dass wir weg sollten.Wollte die Frau uns von ihrem Privatgrundstück vertreiben? Sie war ausdauernd und trieb uns in das Haus im Hintergrund, das wir bei dem dichten Regen überhaupt nicht gesehen hatten. Wir wurden in ein eigenes Zimmer mit Doppelbett und vielen Handtüchern eingewiesen und … kaum getrocknet hatten wir der „Hausherrin“ zu folgen:

In der „guten Stube“ empfing uns „die Familie“, die im Laufe des Nachmittags und Abends immer weiter anschwoll. Was sich da ereignete, war höchstens mit einer großen Hochzeitsfeier vergleichbar. Die Rumänen lebten zu dieser Zeit und in dieser Gegend extrem ärmlich. Uns waren Alte vertraut, die in Fahrzeugen, die „Busse“ zu nennen eine Schmeichelei war, mit Säcken zum nächsten Marktflecken unterwegs waren, um darin Fladen und anderes einfaches Essbares für die Gemeinschaft heranzubuckeln. Auf der Festtafel vor uns aber mangelte es an nichts. Immer wieder wurden wir genötigt, das und das und das zu probieren. Jemand, mit dem wir uns hätten sprachlich verständigen können, fand sich nicht. Uns zu Ehren (?!) wurde ein Fest wie für Staatsgäste abgehalten, das in der Menge des Aufgetragenen wohl das Monatseinkommen der Anwesenden überstieg. Übersättigt und stark angetrunken sanken wir letztlich irgendwann in unsere Himmelbetten. (Wir landeten im Schlafzimmer der Hausherren, merkten das erst später.)

Wir wurden verabschiedet wie gute alte Freunde – wenn auch in der Gewissheit, dass wir einander nie wieder sehen würden. Der Schock kam, als wir Mittagsrast machen wollten. Da stellte sich nämlich heraus, dass „jemand“ uns außer Fresspaketen noch Bierflaschen in die Rucksäcke gesteckt hatte. Dazu muss man wissen, dass Bier in jener Gegend nicht nur extrem teuer, sondern auch selten gewesen war. Der heimliche Beschenker war zurecht davon ausgegangen, dass wir diese Gabe nicht angenommen hätten, aber Bier eben das Getränk für Deutsche war.

Ich kann nicht einmal sagen, ob wir wenigstens auf Rumänisch „Danke!“ gesagt haben … (Zumindest den von den Anderen verwendeten Abschiedsgruß haben wir wiederholt.)

 

Ich gebe zu, ich wäre zu einer solch vorbehaltlosen Form der Gastfreundschaft Fremden gegenüber nicht fähig. Allerdings die Freude an der Feier konnten wir mitempfinden. Und wir erahnten zumindest das spitzbübische Vergnügen der Einheimischen bei der Vorstellung, mit welcher Verwunderung und Freude wir die heimliche Gabe entdecken würden. Nach unseren Maßstäben war diese unschuldige Freude allerdings extrem teuer „erkauft“.

Viel später wurde mir bewusst, dass wir eine Art „Potlatch“ erlebt hatten. Logisch, dass ich mich damit dann näher beschäftigte – ganz davon abgesehen, dass den Heranwachsenden in der DDR ein Stück Indianer-Romantik nahe gebracht worden war wie im Westen die Simulation des freien Lebens als Cowboy. Man nimmt bestimmte Werte unbewusst auf. Und die DDR-Indianerfilme (zumindest die ersten) waren sehenswert. Ich breche die Reisen in eigenes Erleben hier ab. Vielleicht ahnt man bis hier, welches Denken in der DDR entstehen konnte (wenn auch erst selten).

 

 

 

 

 

seitensprung

 

ich habe bei der 

gewissheit gelegen

sie verließ mich

geschwängert

mit fragen

ewig zahle ich

unterhalt für mein

aber

  1. Karl Marx „Die deutsche Ideologie“. Als weitere Quellen, in denen Kommunismus direkt und indirekt bei den Vordenkern des „wissenschaftlichen Kommunismus“ eine Rolle spielen, werden empfohlen Karl Marx „Zur Kritik der politischen Ökonomie“, Einleitung, Karl Marx „Randglossen zum Gothaer Programm“, W.I. Lenin „Staat und Revolution“. Man findet dort u.a. folgende Grundgedanken, die teilweise zu DDR-Zeiten bestritten wurden: „Der Kommunismus ist empirisch nur als die Tat der herrschenden Völker „auf einmal“ und gleichzeitig möglich, was die universelle Entwicklung der Produktivkraft und den mit ihm zusammenhängenden Weltverkehr voraussetzt. …, während mit der Aufhebung der Basis, des Privateigentums, mit der kommunistischen Regelung der Produktion und der darin liegenden Vernichtung der Fremdheit, mit der sich die Menschen zu ihrem eignen Produkt verhalten, die Macht des Verhältnisses von Nachfrage und Zufuhr sich in Nichts auflöst und die Menschen den Austausch, die Produktion, die Weise ihres gegenseitigen Verhaltens wieder in ihre Gewalt bekommen?“

„Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind.“

„In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen – erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“

Die Idee des Reifegrads der Computertechnik für eine gesamtgesellschaftliche Planung wurde erstmals beschrieben in Cockshott/Cottrell „Alternativen aus dem Rechner“.

 

1Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung

 

 

2Kapitän der Bounty, gegen dessen Regime gemeutert wurde

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