Utopisches?

Posted by frieden on 13.7.2011

 

Jeder Vertreter des modernen Sozialismus oder Kommunismus versucht auf unterschiedlichste Art und Weise, seinen Darstellungen den Anstrich von Wissenschaftlichkeit zu geben. Damit ist er eigentlich nicht sehr viel besser als bürgerliche Gesellschaftswissenschaftler. Nun ja, vielleicht mit dem winzigen Unterschied, dass die meisten von diesen mit großer Achtung für ihre Brötchengeber das Faustische Motto, zu erforschen, was die Welt im Innersten zusammenhält, für sich ausklammern und sorgfältig an der Oberfläche herum klopfen, wo die einfachen „Wahrheiten“ liegen. Einem großen Teil des Rests geht es wie der Ameise auf dem Grashalm, die ihren Brüdern zuruft: „Das Meer? So ein Quatsch, das gibt es nicht. Ich kann es nicht sehen.“

Umso eifriger kommen die linken Denker daher, die endlich der Weisheit letzten Schluss entdeckt haben wollen, obwohl das Überdauernde am Marxismus nicht der Inhalt, sondern nur die Methode sein kann.

Da hat es ein Science Fiction Autor einfacher. Er kann seine fantastischen Gedanken frei spielen lassen.

Kann er das wirklich? Ist nicht jeder in der Welt befangen, die er durchlebt hat? Und sei es wenigstens im psychoanalytischen Sinne, dass er die Zwänge, die er in der Wirklichkeit nicht überwinden konnte, nun mit Fantasie durchbricht. Sie sind also da.

Wahrscheinlicher aber ist, dass man einfach das, was ist, zum größten Teil aus einer Gegenwart in eine mögliche Zukunft extrapoliert. (Für Mathehasser: Das heißt etwa, dass er eine Linie, die sich aus Punkten von Vergangenheit und Gegenwart ergibt, in die Zukunft „verlängert“.) Er stößt dabei natürlich an die dialektische Denkweise: Irgendwann haben sich immer so viele „Quantitäten“ angesammelt, dass eine neue „Qualität“ entsteht. Dieser Denker lässt sein Wasser also noch bei 200 Grad kochen, denn woher soll er denn in der Geschichte genau wissen, wann tatsächlich die Verdampfung eintritt? Und natürlich „kocht“ das Wasser bei 200 Grad, wenn man einen ausreichend starken „Deckel auf dem „Topf“ hat. Aber natürlich gibt es Anhaltspunkte.

Trotzdem möchte ich einfach spinnen.

Die Geschichte der uns bekannten Materie rechnet nach Milliarden Jahren. Die Geschichte der belebten Materie nach Millionen Jahren. Die Geschichte einer „zivilisierten“ Menschheit kann man je nach Laune nach Hunderten oder Tausenden von Jahren zurückverfolgen. Klammert man einmal den begrenzten Horizont aus, den wir technisch erreichen können, so wird es unwahrscheinlich, dass es nicht irgendwo im Weltall Materie gibt, die Leben tragen kann, die Leben trägt, und die intelligentes Leben trägt – rein logisch ist das ähnlich wahrscheinlich wie es unwahrscheinlich ist, dass wir diesem Leben in absehbarer Zeit tatsächlich begegnen. Geradezu absurd ist aber die Unterstellung, dieses Leben könnte sich gerade in derselben Entwicklungsstufe befinden, die die menschliche „Zivilisation“ gerade hat. Die Menschen entwickelten sich in einem Millionstel Teil der Geschichte unserer bekannten Materie, sind also noch eine vernachlässigbare Rundungsgröße. Egal, ob sich Leben autark entwickelt hat oder gar von „woanders“ (?!) über Kometen o. ä. in Keimen (woher, wenn nicht von einem Ort, wo es vorher schon gewesen ist?) auf die Erde kam, ist auszuschließen, dass die Materieentwicklung so auf Millionstel genau parallel verlaufen sein sollte. Sollten die Kohlenwasserstoffsprünge von außen „befördert“ worden sein, wäre es noch wahrscheinlicher, dass „j.w.d.“ Zivilisationen Millionen Jahre früher entstanden sind. (Das sagt nichts darüber aus, ob es diese noch gibt. Die Wahrscheinlichkeit ist in Anbetracht unserer gegenwärtigen Situation allerdings größer als die, dass die menschliche Zivilisation selbst noch Jahrhunderte weiter bestehen wird.) Die wahrlich spannende Frage wäre doch die, wie sich eine intelligente Gemeinschaft über einen längeren Zeitraum organisiert.

In Büchern und Filmen kommt zu dem beschränkten Vorstellungsvermögen der Autoren noch die Absicht der Vertreiber hinzu, inwieweit sie das Ergebnis solcher geistigen Spielereien wünschen. Da kann es sein, dass sie nicht die Primitivität der eigenen Verhältnisse bloß legen wollen, das kann aber auch sein, dass die Vertreiber meinen, die Leser / Zuschauer begriffen das sowieso nicht oder mit nahe liegender Kost sei mehr „Unterhaltungswert“, sprich Kasse zu erzielen. Nichtirdischen Intelligenzen das gesellschaftliche Niveau von Rittern gepaart mit „zukünftigen“ Waffen zuzuteilen, hat den Vorteil alter christlicher Weltbilder: Zwar ist es extrem beschränkt, aber wir Menschen bleiben dem Rest des Universums gegenüber wenigstens moralisch überlegen.

Das Problem „realistischer“ Science Fiction ist es jedoch, dass wir genau das eigentlich nicht sind. Im Gegenteil: Wir können uns kaum vorstellen, wie sich denkende und fühlende Wesen, die viele Jahrtausende mehr auf dem Buckel ihrer bewussten Geschichte haben als wir, zu ihresgleichen oder uns verhalten würden. Ja, wir scheuen doch eigentlich zu Recht davor zurück, ein Erdenbild im Jahr 2060 unserer Zeitrechnung zu entwerfen. (Lyssenkos verspätete Jünger wissen zumindest, dass die spätere menschliche „Rasse“ ganz anders aussehen wird als wir.)

Und wenn ich mir einfach vorstelle, auf irgendeine Weise wäre ich plötzlich zu Gast bei einer solchen hoch entwickelten Lebensform? Oh Gott, wie unwissenschaftlich!!! Aber ich mache das doch auch nur wie die anderen. Ich lasse die schmückende Action weg. Ich verkneife mir natürlich auch, ein Bild der Außerirdischen zu malen. Ob sie uns irgendwie ähnlich sehen (wie in den Enterprise-Variationen), ob sie überhaupt Säugetiere in unserem Sinne sind (das ist ja auch nur eine Unterstellung, weil wir den Baum unserer Evolution einigermaßen verstanden haben) oder Echsen, Insekten, Kalmare oder anders andersartig, dass wir entsetzt ausrufen würden nein, ih! Wesen mit Photosynthese… Lassen wir das! Der Künstler kann einfach etwas setzen. Das heißt, ob das geht oder nicht, wird nicht diskutiert, sondern akzeptiert. Eine stillschweigende Vereinbarung, dass Tiere sprechen können und dass es zaubernde böse Hexen gibt … und der Rest muss dann wieder funktionieren. Bei mir heißt das, die Fremden suggerieren mir, wie Menschen auszusehen und die Sprache ist einfach Deutsch.

Da fängt allerdings das erste Problem an. Als die naiven Eskimos mit „zivilisierten“ Menschen zusammenstießen, verstanden sie nicht, was „Frieden“ ist. Wie auch? Bezeichnete es doch einen Zustand, der nur einen Sinn durch die Existenz eines Gegenteils bekam, des Krieges nämlich. Den aber gab es nicht im Sein dieser … naiven… Menschen. Die Sprache unserer Normalität wird also für meine Fremden voller Begriffe sein wie für mich vielleicht „Knappe“, „hold“, Allmende“, „Lehen“ … mit einem Vorteil: Diese in meiner Vergangenheitszeit normalen Ausdrücke kann ich mit entsprechenden Wörterbüchern erklärt bekommen. Ob es so etwas im Geistesschatz der Fremden gibt, ist schon fraglich. Umgekehrt aber ist das nur noch mit ungewollter Komik zu ertragen.

Ich wäre für sie ein Ritter von König Artus´ Tafelrunde vor dem Computerbildschirm mit Börsennotierungen.

Welches Entsetzen könnte mich erfassen! Die kleine Tochter meines Gastgebers packte meine Hand und führte sie zwischen ihre Beine, damit ich ihr das Einschlafen versüße! Alles, was ich als gut und böse zu werten gelernt habe, wäre für die Katz. (Denjenigen, die sich jetzt besonders aufregen sei gesagt, dass ein solches Tun im katholischen Mittelalter durchaus elterlicher Fürsorge entsprach.)

Es passiert mir natürlich sofort, dass ich ins Sexuelle abrutsche. Auch dort glauben wir, falsche Vorstellungen überwunden zu haben. Die Familienorientierung – und sei es die in nicht juristischer Form – hat sich gegen die wilde sexuelle „Revolution“ der 68er Swinger durchgesetzt.

Aber warum? In einer Welt, in der alles auf eine bestimmte Weise organisiert ist, nämlich auf Eigentums- und Machtverhältnissen, kann nicht jemand mitten in Berlin erfolgreich die Insel-Kommune ausrufen. Und wenn er das tut, dann definiert er sich selbst durch das demonstrative Anderssein zum „Richtigsein“, bleibt also im Denken seiner Umgebung haften.

Selbst Engels hielt als Beispiel die Monogamie für eine positive Folge der Besitzverhältnisse. Ob aber nach einer langen Zeit ohne jede Besitzverhältnisse sich nicht Wesen zusammenfinden, die einfach für eine von Fall zu Fall verschiedene Zeit miteinander und beieinander sind und andere leben in Gruppen ihre Sexualität aus – wer will das heute entscheiden. In unserem gesamten Denken und Tun gibt es so viel Dinge, bei denen wir nicht mehr zurückverfolgen wollen oder können, woher sie kommen, dass wir uns nicht ausmalen können, wie sehr sie sich verändern können, sobald alle ihre Wurzeln weg sind.

Das freie Fantasieren beginnt allerdings erst, wenn die Keime des Alten wirklich vertrocknet sind. Ich erlaube mir das am Beispiel der Faulheit durchzuspielen.

Als die ersten, die sich für Kommunisten, hielten die politische Macht auf ihrer „Insel“ erobert hatten, dachten sie z. B. dass sie dafür gekämpft hatten, dass jeder genügend Brot habe und Geld ist sowieso etwas Überholtes. Sie machten das Brot also „preislos“. Also horteten die, die da vernünftig sein sollten (und für ihre Verhältnisse auch waren) so viel Brot wie sie konnten. Da gab es keines mehr. Ergo: Kommando Alles zurück.

Ähnlich ist es mit der Vorstellung des erforderlichen materiellen Zwangs zur Arbeit.

Die Menge der damit zusammenhängenden weiteren Probleme ist kaum zu übersehen, vor allem, wenn man es kurz machen möchte.

Vielleicht weiß in 30 Jahren niemand mehr, wer Paris Hilton ist, aber noch ist sie in vieler Munde. Mag man nun über sie denken, was man will: Sie spürt das Unnütze am reinen Verprassen dessen, was irgendwelche Vorfahren einst zusammengerafft haben. Sie will zwar nicht „normal“ arbeiten, aber etwas aus ihrer Sicht „Nützliches“ tun.

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